Kleingärten in Mönchengladbach Ein Besuch im durchschnittlichsten Kleingarten der Stadt

Serie | Mönchengladbach · Der Schrebergartenverein Zum Burggrafen in Mönchengladbach ist völliger Durchschnitt. Nicht zu groß, nicht zu klein, nicht zu viele Mitglieder. Was diesen Kleingartenverein dennoch zu einem besonderen macht.

 Otto Rode und seine Frau essen gerne Kartoffeln. Praktisch, dass der 79-Jährige sie deshalb Jahr für Jahr in seinem Garten anbaut. Von Gartenzwergen hält der Rentner nichts.

Otto Rode und seine Frau essen gerne Kartoffeln. Praktisch, dass der 79-Jährige sie deshalb Jahr für Jahr in seinem Garten anbaut. Von Gartenzwergen hält der Rentner nichts.

Foto: Mario Büscher

Otto Rode, 79, mag Kartoffeln. Darum baut er sie seit Jahren in seiner Parzelle an. Gerade steht er zwischen den Nachtschattengewächsen, die sich schon gut 60 Zentimeter Richtung Himmel strecken. Käfer haben ihm in letzter Zeit zu schaffen gemacht, er schaut sich die Pflanzen deshalb ganz genau an.

Die Kartoffel an und für sich ist ja ein spannendes Gewächs. Eine eher unscheinbare Pflanze, äußerlich zumindest. Fast Durchschnitt könnte man sagen, nicht besonders schön, nicht besonders hässlich. Schaut man sie sich aber etwas genauer an, entfaltet sich ihre ganze Pracht. Die Kartoffel-Knolle ist vielseitig. Pommes, Püree, Bratkartoffeln, sogar Schnaps. Alles ist mit ihr möglich. Zudem ist sie eines der wichtigsten Nahrungsmittel der Erde – überdurchschnittlich.

Ähnlich verhält es sich mit dem Kleingartenverein Zum Burggrafen, dessen Mitglied Otto Rode ist. Die Aufmerksamkeit dieser Redaktion erhielt der Verein ursprünglich, weil er Durchschnitt ist. 54 Parzellen stehen in der Grünanlage an der Rostocker Straße. Auf einer Fläche von 25.078 Quadratmetern. Das eben ist der Durchschnitt aller Mönchengladbacher Kleingartenanlagen. Aber der Garten ist überdurchschnittlich schön. Das zumindest sagen die Juroren des 71. Kleingartenwettbewerbs des Kreisverbands Mönchengladbach der Gartenfreunde. Die haben die Anlage Zum Burgrafen nämlich jüngst zur schönsten der Stadt gekürt. Wie gelang dieser Coup? 

Angelika Aust und Ingeborg Klein haben ihren Anteil daran. Beim Treffen sitzt erstere im Bürostuhl im Eingang des Vereinsheims, zweitere sitzt ihr gegenüber. Draußen steht ein Stehtisch vor der Wiese am Eingangsbereich der Anlage. Rasen sei es nicht, sagt Angelika Aust. Sie ist die Vorsitzende des Vereins, seit März 2020, kurz bevor die Pandemie so richtig losging. „Unsere Anlage sieht eigentlich immer so aus wie jetzt“, sagt Aust. Sie meint, dass sie nicht extra für den Wettbewerb herausgeputzt wurde, sondern standardmäßig sehr gepflegt ist.

 Wenn die Mitglieder des Vereins geschafft sind von der Gartenarbeit, kann am Schachbrett der Kopf angestrengt werden.

Wenn die Mitglieder des Vereins geschafft sind von der Gartenarbeit, kann am Schachbrett der Kopf angestrengt werden.

Foto: Mario Büscher

700 Stunden steckt allein der Vorstand in diese Arbeiten an den Wegen und den allgemeinen Bereichen. Das sind nur vier, manchmal fünf, manchmal sechs Personen. Die Sträucher, Stauden und Bäume müssen gepflegt und von Unkraut befreit werden und auch die Blumen werden nicht von alleine gegossen. Besonders, wenn es so heiß ist wie jetzt. Aber auch die einfachen Pächter arbeiten rund 760 Stunden für das Allgemeinwohl. „Ich finde hier immer helfende Hände, die Bereitschaft ist da sehr groß“, sagt Angelika Aust.

Jeder Pächter muss den Bereich vor dem eigenen Garten pflegen. Aber, weil das natürlich unterschiedlich viel ist, haben sich Angelika Aust und ihr Mann ein System überlegt. Im Winter haben sie die Wege vermessen und dann errechnet, wie viel zusätzlichen öffentlichen Bereich jeder Pächter pflegen muss.

 Ingeborg Klein ist Fachberaterin des Vereins.

Ingeborg Klein ist Fachberaterin des Vereins.

Foto: Rick, Markus (rick)/Markus Rick (rick)

 Ungefähr seit hier 1983 die ersten Parzellen gebaut wurden, ist auch Otto Rode dabei. Ein Durchschnittsgarten im Durchschnittskleingartenverein ist Rodes Parzelle eher nicht. Er ist wild, die Kartoffeln dominieren, rundherum stehen ein paar hochgeschossene Stauden.

„Bekannte haben mir damals von der Anlage erzählt, dann habe ich mich gemeldet“, sagt er. Das blaue Hemd an seinem Körper hat der Rentner sich schnell für das Foto übergestreift. Heute ist es heiß, er arbeitet oberkörperfrei. „Ich bin fast jeden Tag drei oder vier Stunden im Garten“, sagt er. Mit dem Klischee vom Kleingarten mit Gartenzwerg und millimetergenau geschnittenem Rasen könne er nicht viel anfangen, sagt er.

 Angelika Aust und Ingeborg Klein in Kleins Schrebergarten. Nicht nur Nutzpflanzen seien wichtig, sondern auch Wildblumen.

Angelika Aust und Ingeborg Klein in Kleins Schrebergarten. Nicht nur Nutzpflanzen seien wichtig, sondern auch Wildblumen.

Foto: Rick, Markus (rick)/Markus Rick (rick)

„Da hat sich aber auch einiges getan in den letzten Jahren“, sagt Angelika Aust. Die Vorgaben des Landesverbands seien nicht mehr so streng. Die Anlage Zum Burggrafen ist lang gezogen wie ein Schlauch. Der vordere Bereich wurde 1983 mit 25 Gärten eröffnet, der zweite Teil kam 1986 dazu. Seitdem gibt es 29 Gärten mehr. Der Schotterweg führt zwischen den Gärten her. In der Mitte der Anlage steht das Beet der Kita Mühlenkinder, die hier regelmäßig zum Pflanzen und Ernten vorbeikommt. Gemähte Flächen wechseln sich mit Blumenbeeten und wilden Wiesen ab. In einer ruhigen Ecke steht ein Schachbrett unter einem Dach von Hängepflanzen. Immer wieder liegt auch Totholz zwischen den Gewächsen, Insektenhotels wurden eingerichtet. Der richtige Mix zwischen Nutzpflanzen, Freizeitfläche und insektenfreundlicher Bepflanzung sei wichtig. Und auch dafür hat der Verein ein überdurchschnittliches Ass im Ärmel: Ingeborg Klein, die eben noch mit Aust im Vereinsheim saß. Auch sie ist Mitglied im Vorstand und zuständig für die Fachberatung.

Als gelernte Gärtnerin ist sie vom Fach. Beim Kleingartenwettbewerb hat ihr Verein den zweiten Platz in der Kategorie Fachberatung gemacht. Das ist auch ihr Verdienst. „Uns ist natürlich der Umweltschutz wichtig. Wir haben schon beobachtet, dass es weniger Insekten in den letzten Jahren gab“, sagt Klein. Wann immer sich Vereinsmitglieder bei ihr melden, steht sie mit Rat und Tat zur Seite. „Ich habe unseren Garten immer geliebt“, sagt Klein. Die Durchschnittsgröße findet sie sogar sehr gut. „Die Anlage ist nicht zu groß und nicht zu klein“, sagt sie und Angelika Aust fügt hinzu: „Das macht es ja gerade aus bei uns. Dass wir uns alle kennen, aber auch nicht zu klein sind, dass man sich nervt“, sagt die Vorsitzende.

 Der Kleingartenverein zum Burggrafen wurde zum schönsten in Mönchengladbach gewählt. Auch aufgrund der Vielseitigkeit.

Der Kleingartenverein zum Burggrafen wurde zum schönsten in Mönchengladbach gewählt. Auch aufgrund der Vielseitigkeit.

Foto: Rick, Markus (rick)/Markus Rick (rick)

Mit dem großen Sieg habe Aust nicht gerechnet. „Eigentlich bis unser Name genannt wurde“, sagt sie. Dann war die Freude umso größer. Die Siegesfeier soll es Ende Juli geben, da war ohnehin das Sommerfest geplant. Ein paar Tage habe sich der Vorstand erst einmal kein Grün anschauen wollen nach dem Wettbewerb. Bis zum Fest wird aber bestimmt wieder alles gut aussehen. Und vielleicht hat Otto Rode dann ja auch schon die ersten Kartoffeln geerntet. Im durchschnittlichsten aller Kleingärten, der so durchschnittlich gar nicht ist.

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