Interview mit Claus Schwenzer „Unsere soziale Mission ist die Ausbildung“

Mönchengladbach · Der Geschäftsführer von Effertz Tore über Verantwortung, Fachkräftemangel und die Vorzüge Mönchengladbachs.

 Wirtschaft und Soziales sollte man nicht gegeneinander ausspielen, sondern miteinander verbinden, findet Claus Schwenzer, Geschäftsführer von Effertz Tore.    Foto: Jana Bauch

Wirtschaft und Soziales sollte man nicht gegeneinander ausspielen, sondern miteinander verbinden, findet Claus Schwenzer, Geschäftsführer von Effertz Tore. Foto: Jana Bauch

Foto: Bauch, Jana (jaba)

Herr Schwenzer, Sie sind Unternehmer, sehen sich aber auch in sozialer Verantwortung. Weshalb ist Ihnen das wichtig?

Schwenzer Ich bin ja nicht nur Unternehmer, das ist nur ein Hut, den ich aufhabe. Ich bin auch Vater, Bürger, Christ und eigentlich auch Egoist.

Egoist?

Schwenzer Ja, es liegt durchaus im eigenen Interesse, sich für andere einzusetzen. Um es krass auszudrücken: Wenn man nur Not und Elend vor der Tür sieht, lebt es sich nicht gut an einem Ort. Wenn ich zum Beispiel Leute sehe, die mit Riesensäcken auf dem Fahrrad unterwegs sind, um Pfandflaschen zu sammeln, fühle ich mich dabei wirklich nicht gut. Außerdem haben wir eine Verpflichtung gegenüber der nächsten Generation, ihnen eine bewohnbare Welt zu hinterlassen. Dabei gehören soziale Verantwortung und Umweltschutz zusammen. Gleichzeitig ist es natürlich wichtig, mit einem Unternehmen auch Geld zu verdienen, sonst kann man auch nichts für die Gesellschaft investieren.

Wie sieht Ihr soziales Engagement in der Praxis aus?

Schwenzer Wir bekommen viele Anfragen mit Bitten um Unterstützung, aber es ist schwer, seriöse Projekte zu erkennen. In Absprache mit dem Betriebsrat spenden wir einmal im Jahr an eine Einrichtung, 2019 zum Beispiel an das Arbeitslosenzentrum. Wir haben auch schon das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen unterstützt. Alle anderen Anfragen während des Jahres lehnen wir ab. Stattdessen konzentrieren wir unser soziales Engagement auf die Ausbildung von Jugendlichen. Bei 75 Mitarbeitern haben wir zehn Auszubildende. Für einen Industriebetrieb ist das eine enorme Quote. Wir bieten Praktikumsplätze, unterstützen die Gesamtschulen bei ihren Tagen der Berufsorientierung, in dem wir die Schüler einen Tag lang entlang eines Auftrags durch die Firma führen. Dabei zeigen wir die Arbeitsplätze und erklären die Ausbildungsberufe wie Elektroniker oder Industriekauffrau. Unsere soziale Mission ist die Ausbildung.

Stellen Sie auch Langzeitarbeitslose ein? Wie viel Aufwand bedeutet es, sie wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren?

Schwenzer Wir bekommen zum Beispiel Umschüler geschickt, die einen Vertrag mit der Arbeitsagentur haben. Grundsätzlich halte ich es nicht für schwierig, Langzeitarbeitslose zu integrieren. Es gibt zwei Typen von Menschen. Die einen wollen, können aber nicht. Die anderen können, wollen aber nicht. Es hat keinen Sinn, mit Menschen zu arbeiten, die nicht wollen, aber solche kommen auch selten zu uns. In den letzten zwanzig Jahren sind vielleicht fünf Prozent nicht mehr zur Arbeit gekommen oder Ähnliches. Der überwiegende Teil will arbeiten. Diesen Menschen etwas beizubringen, ist nicht so schwer. Sie brauchen manchmal Unterstützung bei den sozialen Kompetenzen, müssen das Auftreten Kunden gegenüber lernen oder benötigen praktisch-technische Anleitung. Das funktioniert. Dabei ist es egal, ob es sich um einen 50jährigen handelt, um einen Jugendlichen oder einen Flüchtling.

Reichen die Hilfen, die es vom Staat gibt wie das Teilhabechancengesetz?

Schwenzer Wir machen es ja nicht, weil es Unterstützung gibt. Zum Teilhabechancengesetz kann ich nichts sagen, das haben wir noch nicht genutzt. Wir konzentrieren uns auf die Ausbildung. Die Einstiegsqualifikation lässt sich da nutzen. Aber es nicht der entscheidende Punkt, ob wir 200 Euro vom Staat dazu bekommen oder nicht.

Sie haben auch Erfahrungen mit der Ausbildung von Flüchtlingen gemacht. Welche genau?

Schwenzer Wir haben einen jungen Mann aus Eritrea zur Fachkraft für Metalltechnik ausgebildet. Es begann damit, dass er bei uns hospitierte. Das Schlimme für die jungen Flüchtlinge ist oft, dass sie zum Nichtstun verdammt sind. Für die guten Leute ist das eine Katastrophe. Um mal aus der Flüchtlingsunterkunft rauszukommen, hat er bei uns hospitiert. Dann kamen meine Mitarbeiter und waren ganz begeistert. „Er reißt uns die Arbeit aus der Hand“, sagten sie mir. Daraufhin haben wir das mit den zuständigen Behörden geklärt. Das war nicht ganz einfach, aber es hat geklappt.

Gab es Probleme?

Schwenzer Für Flüchtlinge ist die Schule ein Problem. Die sprachlichen Schwierigkeiten sind groß. Und bei Textaufgaben scheitern sie dann nicht so sehr an der mathematischen Fragestellung, sondern daran, dass sie nicht wissen, was eine Heftzwecke, die im Text genannt wird, ist. Es bedarf eines guten Netzwerks, um einen Flüchtling erfolgreich durch die Ausbildung zu bringen. Unser junger Eritreer ist beim ersten Mal durch die Prüfung gefallen, aber beim zweiten Anlauf hat er es geschafft. Unser Ausbildungsleiter hat sich da sehr stark engagiert. Der junge Mann bekam auch Nachhilfe. So hat es funktioniert. Dann aber war es ein toller Moment, als ihm seine Urkunde überreicht wurde. Er arbeitet heute noch bei uns und geht für das Unternehmen durch Dick und Dünn. Am liebsten möchte er jetzt die Vollausbildung dranhängen.

Ist es aufwändiger, einen Flüchtling auszubilden als, sagen wir mal, einen deutschen Jugendlichen mit schlechten Noten?

Schwenzer Ja, weil die sprachlichen Probleme dazukommen. Aber auch ein Jugendlicher, der in Deutschland groß geworden ist, aber aus bildungsfernen Schichten stammt, braucht eine enge Betreuung, um Erfolg zu haben. Wir nehmen sehr bewusst auch schwächere ­Schüler als Auszubildende. Sie brauchen positives Feedback und Vertrauen in die eigenen Stärken. Das versuchen wir während der Ausbildung zu ­vermitteln. Wir ­übertragen unseren Auszubildenden früh ­Verantwortung und Kompetenzen.

Was ist Ihrer Erfahrung nach das Wichtigste für eine erfolgreiche Ausbildung?

Schwenzer Ich glaube, es ist wichtig, Auszubildende vom ersten Tag an als vollwertige Mitarbeiter zu behandeln und mit ihnen auf Augenhöhe umzugehen. Natürlich müssen sie angeleitet werden, aber man muss ihnen auch etwas zutrauen. Bei uns übernehmen kaufmännische Azubis zum Beispiel sehr früh die Telefonzentrale. Dabei erwerben sie Kompetenzen und wachsen daran.

Macht sich der Fachkräftemangel bei Ihnen bereits bemerkbar?

Schwenzer Man muss bei der Suche nach Fachkräften heute viel investieren. Deshalb lohnt sich ja auch die Ausbildung. Sie ist ja nicht nur eine soziale Aufgabe, sondern wirtschaftlich sinnvoll. Ein Auszubildender kostet Geld, bringt aber auch schnell Wertschöpfung. Es gibt natürlich Fachkräfte, die schwer zu finden sind, Montageleiter zum Beispiel oder gute Vertriebsaußendienstler. Aber das war eigentlich schon immer so.

Gibt es Aufträge, die Sie ablehnen mussten, weil Ihnen die Leute dafür fehlten?

Schwenzer Wir arbeiten seit 1995 mit flexiblen Jahresarbeitszeitkonten gepaart mit Gleitzeit. Das ist ein atmendes System und funktioniert gut. Damit können wir Spitzen abfangen.

Sie sind Wahl-Mönchengladbacher, das aber seit Jahrzehnten und mit Leidenschaft. Was mögen Sie an der Stadt besonders?

Schwenzer Ich habe in Düsseldorf, Meerbusch, Aachen und München gelebt, bin aber jetzt seit 25 Jahren in Mönchengladbach. Die Stadt hat wirklich alles, was man braucht. Die Leute sind nett und offen, es gibt sehr gute Netzwerke, und die Lage ist super. Die Anbindung ist bis auf die Bahn gut. Klar, wir haben keinen Tegernsee, aber dafür sind wir schnell an der Kö oder der Nordsee.

Was würden Sie gern ändern?

Schwenzer Wenn ich König von Mönchengladbach wäre? Ich hätte wirklich gern eine verbesserte Bahnanbindung. Einen ICE pro Stunde. Außerdem würde ich mir wünschen, Wirtschaft und Soziales nicht gegeneinander zu denken, sondern immer miteinander verbunden zu sehen. Das Thema Wachsende Stadt sollte nicht gegen das Arbeitslosenzentrum ausgespielt werden oder das neue Rheydter Rathaus gegen die Sozialarbeit. Gefühlt haben wir 25 Prozent Abgehängte in der Stadt. Das können und sollten wir uns nicht leisten. Ich bin übrigens nicht der einzige, der so denkt. Viele inhabergeführte Unternehmen sehen das genauso.

Warum kommt es Ihrer Meinung nach immer wieder dazu, Wirtschafts- gegen Sozialpolitik auszuspielen?

Schwenzer Es ist relativ einfach, etwas für die Wirtschaft zu tun. Es dauert manchmal, aber wenn man eine Idee hat und das Geld auftreibt, kann man es umsetzen. Im sozialen Bereich ist es sehr viel schwieriger.

Haben Sie konkrete Ideen, was man im sozialen Bereich tun kann?

Schwenzer  Es gibt keine einfachen Lösungen. Aber es wäre sinnvoll, mehr Durchlässigkeit zu schaffen. Ich würde allen Unternehmen raten, ein Drittel der Auszubildenden aus bildungsfernen Schichten einzustellen. Das ist mit einem tragbaren Aufwand verbunden und würde helfen, diejenigen, die sich abgehängt fühlen, mitzunehmen.

2018 haben die Unternehmen den Wirtschaftsstandort Mönchengladbach mit „befriedigend plus“ bewertet und vor allem Probleme bei Straßen und Breitbandausbau angemahnt. Ist Ihnen seitdem genug passiert?

Schwenzer Wir sind auf einem guten Weg, aber noch nicht am Ende. Die Mags macht bei den Straßen einen sehr guten Job. Beim Breitbandausbau gibt es noch viele Lücken, aber es geht voran. Allerdings muss ich auch sagen, dass die Unternehmen da nicht immer in wünschenswertem Maße mitziehen. Unternehmer sind manchmal seltsam lethargisch. Ich würde mir mehr Mut und den Blick über den Tellerrand wünschen.

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