Gemälde aus Lesebändchen Ein Bild voller Buch-Bändchen

Mönchengladbach · Wenn in der Stadtbibliothek neue Bücher ankommen, werden als erstes die Lesebändchen herausgeschnitten. Was nach Frevel klingt, hat einen guten Grund.

Mönchengladbach: Bibliothekarin macht ein Gemälde aus Lesebändchen
Foto: Bauch, Jana (jaba)

Lesebänder sind nützlich und Zierde zugleich. Die samtweichen, glänzenden Stoffbänder dienen den meisten als praktisch-inkludiertes Lesezeichen. Mit ihnen misst der Leser seinen Fortschritt, sie sind immer zur Hand, können nicht verloren gehen. Doch genau diese Bänder müssen die Mitarbeiter der Stadtbibliothek als erstes herausschneiden, wenn eine neue Lieferung Bücher eintrifft. Bibliothekarin Gabi Hendricks hat Hunderte davon gesammelt und daraus ein kleines Kunstwerk erschaffen. Die Idee dazu sei ihr spontan gekommen. Sie gestalte gerne Bilder aus „ungewöhnlichen Materialien“. Den 400 bis 500 Bändchen, die schätzungsweise in dem Bild stecken, habe sie eine Art  zweites Leben schenken können: „Eine Gemeinsamkeit haben Bilder und Bücher, sie regen die Fantasie an.“

Die Erklärung, warum die Bänder nicht in ihren Büchern bleiben können, ist simpel: „Sie verheddern sich in unserem Rückgabeautomaten, und dann steht alles still“, sagt Bibliotheksleiterin Brigitte Behrendt. Der Automat, der im Eingangsbereich steht, befördert das Buch auf Rollen und Bändern in einen von sieben Körben. Er sortiert die Bücher nach dem Einscannen vor, die Mitarbeiter der Bibliothek haben es somit leichter, sie wieder in die richtige Abteilung zu bringen. „Dadurch können wir Personal in die Aufgaben stecken, die kein Automat übernehmen kann“, sagt Behrendt.

Damit die automatische Rückgabe und Ausleihe reibungslos funktionieren, müssen alle Bücher dafür „fit“ gemacht werden. Dazu gehört, neben dem Herausschneiden der Bänder, auch das Einkleben eines sogenannten RFID-Chips (Radio-Frequenz-Identifikation). Dieser kleine Chip kann vom Ausleih- und Rückgabeautomaten gelesen werden. Darauf vermerkt wird außer dem Titel des Buches vor allem, ob das Buch ordnungsgemäß ausgeliehen wurde. Ist das nicht der Fall, schlagen die Sensoren am Eingang der Bibliothek Alarm.

Die automatische Ausleihe und Rückgabe spare aber nicht nur Personal, sagt Behrendt. „Sie ermöglicht auch Diskretion bei Büchern zu sensiblen Themen.“ Schließlich müsse das Buch an keinem Tresen vorgezeigt werden. Mit der Erfassung des Datensatzes müssen sich die Mitarbeiter der Stadtbibliothek auch nicht mehr beschäftigen, der wird bereits bei der Bestellung des Buchs übermittelt und kann dann direkt auf den RFID-Chip geladen werden.

Das Rückgabesystem gibt es bereits seit 2010, auch E-Books können mit geeigneten Geräten darüber ausgeliehen werden. „Bibliotheken sind in vielerlei Hinsicht digitaler, als ihr Ruf vermuten lässt“, betont Behrendt mit einem Schmunzeln. Der Erwerb von E-Books sei für Bibliotheken aber ein Problem. „Bibliotheken haben das Recht, jedes auf dem Markt erhältliche Buch zu kaufen“, sagt Behrendt. Eine Beteiligung der Autoren erfolge über festgelegte Tantieme. Bei E-Books gebe es eine solche Regelung aber nicht. Einige Verlage verlangten deshalb von Bibliotheken höhere Preise für E-Books, andere erlaubten den Kauf erst nach einem gewissen Zeitfenster. Das Verfahren wird daher auch als „windowing“ bezeichnet. Trotz der Hürden beträgt der Anteil der E-Books in der Stadtbibliothek 16 Prozent. Was auch daran liegen könnte, dass die Mitarbeiter angehalten sind, bei Problemen mit dem E-Reader zu helfen.

Und: E-Books haben keine Bändchen. Was weniger Arbeit macht, aber schlecht für Gabi Hendricks Kunstwerk ist.

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