Kolumne Denkanstoß Herbergssuche

Mönchengladbach · Alle Jahre wieder an Weihnachten klopft Gott geduldig und nachsichtig an unsere Tür. Es ist nie zu spät, ihm zu öffnen, selbst wenn wir ihn schon oft abgewiesen haben, schreibt unser Autor.

 Die Krippe in St. Marien Rheydt.

Die Krippe in St. Marien Rheydt.

Foto: Horst Thoren

Eigentlich ist es nur ein kurzer Nebensatz im Lukas-Evangelium, doch auf diese Randnotiz richtete sich schon sehr früh das Augenmerk der Volksfrömmigkeit: „…weil in der Herberge kein Platz für sie war.“ (Lk 2,7b) Das Drama der Herbergssuche hat die Menschen von Anfang an berührt und gerührt, weil Gott selbst – geborgen unter dem Herzen Mariens – an die Türen der Menschen klopft, doch sie weisen ihn ab. Und so wurde die Herbergssuche in vielen Liedern, Gedichten und Krippenspielen reich entfaltet, denn letztlich geht es uns doch allen wie dem kleinen Hänschen, für den bei der Aufführung nur noch die Rolle des unbarmherzigen Herbergswirtes übrig geblieben war. Das „Nein, nein, nein, es kann nicht sein!“ kam ihm noch kräftig über die Lippen; aber als er die traurigen Augen von Maria und Josef sah, klang das „Da geht nur fort, ihr kommt nicht rein“ schon sehr viel zaghafter. Und als im Abwenden rollengerecht Maria laut aufschluchzte, da konnte Hänschen es nicht mehr aushalten, so dass er schnell hinterher lief und rief: „Kommt zurück! Ihr könnt mein Zimmer haben!“

Eine Anekdote zum Schmunzeln, doch mit viel Wahrheitsgehalt, denn wer könnte den kleinen Hans nicht verstehen? In einer solch schreienden Not die Bitte schlichtweg zu überhören, einfach nichts zu tun und gar keine Form der Hilfe anzubieten, das kann nur der über das Herz bringen, dem genau dieses fehlt. Und wer von uns möchte das steinerne Herz aus dem Märchen in sich tragen? Zugegebenerweise ist uns Heutigen das Helfen leicht gemacht, zumindest den Griff zum Handy bekommen wir alle hin. So brauchen die Meisten von uns nicht den sanften Druck des Gesetzbuches mit seiner unterlassenen Hilfeleistung, um irgendwelche Schritte zur Unterstützung zu unternehmen. Einen solchen herzlosen Herbergswirt mögen wir Zeitgenossen des 21. Jahrhunderts nicht, doch seltsamerweise gleichen wir ihm mehr, als wir ahnen.

Alle Jahre wieder klopft Gott an unsere Lebens-Tür, denn er will in unseren Herzen Herberge finden. Nur so kann er das Leben mit uns teilen, damit wir mit ihm die Herausforderungen bestehen und in den Höhen und Tiefen das Menschsein nicht vergessen. Nur so können wir ihm alles mitteilen und anvertrauen und müssen nie die Eiseskälte der Einsamkeit fürchten. Nur so werden wir durch ihn in den Irrungen und Wirrungen immer wieder zurück auf den rechten Weg geführt. Nur so werden wir immer mehr erkennen, dass nach dem Leben das Leben auf uns wartet. Gott klopft an, welche Antwort geben wir ihm? Natürlich haben wir in diesen Tagen wieder den Weihnachtsengel, den Christbaum, die Krippe in unseren Häusern und Wohnungen aufgestellt: Sind sie Zeichen unseres guten Geschmacks oder für unsere Herzensnähe zu Gott? Natürlich haben wir wieder manche Geschenke besorgt: Zeigen sie, was wir uns leisten können oder dass wir Gottes Liebe weitergeben möchten? Natürlich haben wir wieder den Kirchgang an den Festtagen eingeplant: Wollen wir Zeit ausfüllen oder wollen wir mit Gott unsere Lebenszeit teilen?

Alle Jahre wieder klopft Gott geduldig und nachsichtig an unsere Tür. Es ist nie zu spät, ihm zu öffnen, selbst wenn wir ihn schon oft abgewiesen haben. Zur Not nehmen wir uns ein Beispiel am kleinen Hans und rufen ihm nach: „Komm zurück, Du kannst mein Herz haben.“

Klaus Hurtz ist Pfarrer von St. Marien, Rheydt, und vom Trostraum St. Josef Grabeskirche

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