Abschiedsbrief Liebe kleine Tonne
Jahrelang haben wir dich vor die Tür gesetzt. Immer dann, wenn du wieder einmal voll warst oder wenn wir befürchteten, du fängst an zu müffeln. Das kam zwar nicht jede Woche vor, aber doch regelmäßig.
Und auch wenn du manchmal stankst, bangten wir doch, dich zu verlieren. Du trugst nämlich etwas, was dich für Diebe attraktiv machte, selbst wenn du gerade Fischreste gegessen hattest: eine kleine Plakette, mit der die Restmüllentsorgung für zwei Jahre sichergestellt war.
Eigentlich hatten wir ja gedacht, jeder Mönchengladbacher Haushalt hätte seinen persönlichen kleinen Müllschlucker. Aber irgendwie zweifeln wir daran bis heute. Dreimal ist unsere Tonne verschwunden – vertauscht oder geklaut worden. Ihren Artgenossen aus unserem Mehrfamilienhaus erging es ähnlich. Dabei hatten wir uns alle wirklich Mühe gegeben, unseren Besitz unverwechselbar zu machen. Schließlich haben wir die Tonne bezahlt. Manche Müllschlucker sahen aus, wie weitgereiste Koffer im falschen Körper, aber mit genauso vielen Aufklebern.
Auf jeden Fall waren alle Tönnchen individuell, manche sogar kunstvoll. Mein kleiner Müllschlucker wurde nach dem letzten Verschwinden von mir mit allerlei persönlichen Daten beschriftet, damit’s sofort auffällt, falls er vor der falschen Haustür steht. Datenschützer würden sich die Haare raufen, Adressensammler die Hände reiben. Wegen des Tonnen-Klaus hat sich bei uns sogar eine kleine Aktion „Wachsamer Nachbar“ gegründet mit Telefonketten, wenn Fremde auffällig lange vor unseren Abfallbehältern am Straßenrand stehen blieben.
Seit Wochen schon stehen die großen Brüder bei uns in der Tiefgarage. Einen von ihnen muss ich mir jetzt mit den Mitbewohnern teilen. Ich bin mal gespannt, ob einige zu Mülldetektiven mutieren und mit Argusaugen beobachten, wie viel Kubikzentimeter jeder einzelne in die Gemeinschaftstonne haut. Obwohl – wir alle haben gelernt, den Müll sorgsam zu trennen. Und wenn wir die alten Winzlinge schon nicht jede Woche voll bekamen, dann wird das bei dem Volumen der Roll-Monster auch in zwei Wochen nicht passieren. Es sei denn, jemand wirft die Dinge hinein, die er bisher zu den Wertstoffhöfen brachte oder für die er einen Container bestellte. Bei so viel Platz...