Erste Wohngruppe 1859 Hephata wird 160 Jahre alt

GLADBACH · Mit vier jungen Schützlingen begann am 20. Februar 1859 die Arbeit von Hephata. Heute betreut die Stiftung rund 3000 Menschen mit Behinderungen.

 Teilhabe am gesellschaftlichen Leben heißt heute auch, in Sozialen Netzwerken unterwegs zu sein. Ein Social Media Team bereitet sich ab März vor, um dann bald auf Facebook, Instagram und YouTube mitzumischen.

Teilhabe am gesellschaftlichen Leben heißt heute auch, in Sozialen Netzwerken unterwegs zu sein. Ein Social Media Team bereitet sich ab März vor, um dann bald auf Facebook, Instagram und YouTube mitzumischen.

Foto: Hephata

„Blödsinnige“, „Idioten“, „Cretins“ sind gängige Bezeichnungen für Menschen mit geistigen Behinderungen, als sich der Kaiserswerther Pfarrer Julius Disselhoff Mitte des 19. Jahrhunderts mit deren Lage beschäftigt. Ihr Los erscheint ihm unerträglich. Menschen mit geistigen Handicaps werden in jenen Tagen vor der Gesellschaft versteckt, fristen oft isoliert ein einsames und menschenunwürdiges Dasein. Seinem Ärger macht Disselhoff in einer Denkschrift Luft: „Der Preussische Staat kennt seine Scheunen und Ställe, seine Pferde und Esel, nur nicht jene Ärmsten seiner Untertanen, die auf Erlösung aus der Nacht des Blödsinns harren.“ Es musste etwas geschehen. Und es geschah etwas, mit finanzieller Unterstützung des Johanniterordens und protestantischer Rheydter Unternehmer: Am 20. Februar 1859 zog der Taubstummenlehrer Karl Barthold mit seiner Frau und vier jugendlichen Schützlingen in das Haus Nummer 23 an der Viersener Straße ein. Die Arbeit von Hephata hatte begonnen.

Aus vier Schützlingen sind heute annähernd 3000 zu betreuende Menschen mit unterschiedlichen Handicaps geworden. Hephata-Mitarbeiter nennen sie inzwischen „Kunden“. Eine Bezeichnung, die spiegelt, wie sich die Evangelische Stiftung Hephata versteht: als Dienstleister für Menschen, die ihr Leben so weit wie irgend möglich selbstbestimmt führen. Das bedeutet: Wohnen in kleinen betreuten Gruppen und Wohngemeinschaften in mehr als 150 Häusern oder ambulant betreut in der eigenen Wohnung, und es bedeutet: arbeiten in Werkstätten und Betrieben von Hephata oder auch integriert in vorwiegend kleinen und mittleren Unternehmen in der Region.

 Der Vorstand der Stiftung Hephata: Klaus-Dieter Tichy (links) und Pfarrer Christian Dopheide.

Der Vorstand der Stiftung Hephata: Klaus-Dieter Tichy (links) und Pfarrer Christian Dopheide.

Foto: Ilgner Detlef (ilg)
 Preußischer Geist herrschte 1870 auch in der Fürsorge: Die Schützlinge müssen fürs Foto mit ihrem Betreuer in adretter Sitzordnung posieren.

Preußischer Geist herrschte 1870 auch in der Fürsorge: Die Schützlinge müssen fürs Foto mit ihrem Betreuer in adretter Sitzordnung posieren.

Foto: Hephata

„In gewisser Weise sind wir wieder angekommen, wo Karl Barthold angefangen hat“, sagt Stiftungs-Vorstand und Pfarrer Christian Dopheide. Entwickelte sich Hephata in den ersten Jahrzehnten seines Bestehens von der Mini-Wohngruppe an der Viersener Straße zu einer Großanstalt mit Wohnbereichen und Werkstätten auf einem 17 Hektar großen Gelände am Karl-Barthold-Weg, geht die Stiftung seit Mitte der 90er Jahre wieder den umgekehrten Weg. Ausgehend von der Idee, Hephata von den Bedürfnissen der zu betreuenden Menschen her zu denken, wurden Wohngruppen über das Stadtgebiet verteilt und auch in Nachbarkommunen eingerichtet. „Wenn die Kunden dort wohnen, wo sie geboren und aufgewachsen sind, sind sie an diesem Ort auch integriert“, sagt Vorstand Klaus-Dieter Tichy. Und so korrigiert Dopheide auch sanft, nimmt man das Wort „Außenwohngruppe“ in den Mund: „Eigentlich sind das Innenwohngruppen, nämlich mitten in der Gesellschaft.“ Teilnahme am gesellschaftlichen Leben hat sich auch ein neues Social Media Team auf die Fahnen geschrieben. Auf Facebook, Instagram und YouTube werden bald junge Hephata-Kunden über ihren Alltag berichten und Themen ansprechen, die sie bewegen. Fortsetzen soll sich dieses Konzept auch am Karl-Barthold-Weg. Nachdem dort auf drei Hektar bereits ein Wohngebiet entstanden ist, will Hephata weitere sechs Hektar zum Wohngebiet machen und so das einstige „Anstaltsgelände“ in die Nachbarschaft integrieren.

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