Mönchengladbach Mit Günter Netzer im Weltraum

Mönchengladbach · Zehn Jahre nach seinem Weltraumflug erklärt der Mönchengladbacher Astronaut Dr. Reinhold Ewald, warum er den einstigen Borussia-Star mit auf seine Reise ins Weltall genommen hat, warum der Mond bei den Astronauten derzeit gefragter ist als der Mars und was sein Sohn werden will.

Vor zehn Jahren sind Sie mit der deutsch-russischen Raumflugmission Mir’97 ins Weltall geflogen. Wann sehen wir Sie wieder im Weltraum?

Ewald Das kann dauern. Wir sind als Europäische Raumfahrtbehörde (ESA) nur Juniorpartner auf der Internationalen Raumstation ISS. Das heißt, dass wir nur gemäß unserer Anteile, die bei 8,5 Prozent liegen, Astronauten zur Station schicken. Im Dezember sind jetzt zunächst meine Kollegen Léopold Eyharts und Hans Schlegel an der Reihe. Für mich wäre dann erst wieder 2010/2011 ein Platz frei.

Sie würden gerne nochmal fliegen?

Ewald Selbstverständlich. Vielleicht könnte ich dieses unglaubliche Gefühl der Schwerelosigkeit dann noch intensiver genießen. Bei unserem ersten Flug gab es große Erwartungen und Ergebnisdruck. Aber in der Zwischenzeit warte ich nicht nur auf eine zweite Gelegenheit. Es gibt auch am Boden genug zu tun. Wir nehmen gerade bei München ein Kontrollzentrum für die Columbus-Mission in Betrieb. Das ist spannend, wir stehen in ständigem Austausch mit den Russen und Amerikanern. Vor wenigen Tagen haben wir mit den Astronauten auf der ISS gesprochen.

Der Mars ist als Reiseziel in der Diskussion.

Ewald Bis wir die bemannte Raumfahrt auf dem Mars erleben, wird es noch viele Jahre dauern. Zum 50. Jahrestag der Mondlandung, wie ursprünglich geplant, wird es nicht klappen. Und die Amerikaner haben jetzt erstmal den Mond wiederentdeckt. Sie wollen dort eine permanente Raumstation errichten und später von dort den Mars erkunden.

Mussten Sie anlässlich des Jubiläums in diesem Jahr oft die Geschichte von damals erzählen?

Ewald Schon. Der Aufenthalt auf der Mir 1997 ist noch sehr präsent. Es waren drei spannende Wochen. Was die Technik betrifft, gibt’s heute eine völlig neue Generation der Weltraumstation. Die Energieversorgung und das Kommunikationsnetz sind besser. Inzwischen können die Astronauten sogar per Internet-Telefon und E-Mail mit ihrer Familie kommunizieren. Das konnte ich nicht.

Was fehlte Ihnen da oben noch?

Ewald Alles mögliche. Handtücher und Kleidung beispielsweise.

Stimmt es, dass Sie Günter Netzer mit an Bord hatten?

Ewald Ja. Ich konnte nur kleine und leichte Sachen mitnehmen. Neben den Fotos von meiner Familie habe ich mich unter anderem für einen Wimpel von Mönchengladbach und einen Tipp-Kick-Spieler im Netzer-Trikot entschieden.

Gab es brenzlige Situationen?

Ewald Ja, als plötzlich ohne unser Verschulden ein Feuer an Bord ausbrach. Wir haben es zwar schnell in den Griff bekommen, mussten danach aber in Gasmasken warten, bis die Luft wieder rein war.

Haben Sie noch Kontakt zu ihren damaligen Kollegen?

Ewald Ja, die haben zum Teil richtig Karriere in den russischen Weltraumbehörden gemacht. Ab und zu sehe ich sie auf Tagungen oder wir schreiben E-Mails. Mein Russisch ist noch gut.

Sie Sind zum Physik-Studium nach Köln gegangen und dann auch da geblieben. Welchen Kontakt haben Sie noch zu Ihrer Heimatstadt Gladbach?

Ewald Mein Bruder lebt noch in Mönchengladbach. Und ich bin gelegentlich im Borussia-Park, zuletzt beim Spiel gegen Stuttgart. Das hätte ich mir allerdings sparen können. Im September komme ich gerne zur Verleihung der Goldenen Blume von Rheydt wieder (Ewald bekam den renommierten Umweltpreis selbst 2003, Anm. d. Red.).

Sie waren auf dem Humanistischen Gymnasium. Hätte das Math.-Nat. nicht besser gepasst?

Ewald Das hatte auch mit der Familientradition zu tun. Mein Vater war Lehrer am Huma. Es ist mir gut bekommen. Ich habe dort auch einiges für mein späteres Physik-Studium gelernt. Das Huma hat zum Beispiel den Diskurs sehr gefördert, das kam mir später entgegen. Physiker diskutieren sehr viel, sie müssen sich und ihre Theorien oft verteidigen. Und sie stellen sich und ihre Ergebnisse oft in Frage.

Was fasziniert sie am Weltraum?

Ewald Die wirklich großen, ungelösten Fragen. Die Einzigartigkeit unserer Existenz. Bücher zu astronomischen Themen habe ich schon als Kind in der Gladbacher Stadtbibliothek rauf und runter gelesen. Da wusste ich, dass ich Physik machen wollte. Das mit der Raumfahrt hat sich dann später ergeben.

Wie?

Ewald In der Endphase meiner Doktorarbeit 1986 hörte ich, dass das deutsche Astronautenteam Verstärkung brauchte. Ich habe mich auf Glück beworben und war selbst am meisten erstaunt, dass ich es nach medizinischen, psychologischen und Multiple-Choice-Testrunden bis ins Finale geschafft hatte. Berufen wurde ich erst 1990.

Sie wissen als Raumfahrer am besten, dass die Welt nur ein kleiner Teil des Kosmos ist. Sind Sie deswegen ein besonders bodenständiger Mensch?

Ewald Ich glaube schon. Sicherlich hat diese erfolgreich absolvierte Mission dazu beigetragen, einige Dinge etwas gelassener zu sehen. Genauso hat mich aber auch die Zeit in Russland geprägt, wo ich zwei Jahre gelebt und gesehen habe, in welchen schwierigen Verhältnissen Menschen leben müssen. Aber als rheinländischer Charakter bin ich ja ohnehin gewohnt, auf dem Boden zu bleiben.

Sie haben drei Kinder. Wollen die auch ins Weltall?

Ewald Mein Sohn hat in seiner Abizeitung diesen Wunsch geäußert. Aber das war wahrscheinlich nur eine höfliche Geste. Eine meiner beiden Töchter habe ich beim Internationalen Girls’ Day in das Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln geschickt. Ich glaube, dass hat sie fasziniert. Bei weiblichen Astronauten haben wir ohnehin großen Nachholbedarf.

Letzte Frage. Sind Sie eher ein Trekkie oder doch lieber Raumschiff Orion?

Ewald Ganz klar Raumschiff Orion. Das ist realistischer.

Michael Bröcker führte das Gespräch.

(RP)
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