Mönchengladbach Milchbauer zu Fuß auf WM-Tour

Mönchengladbach · Otto Schöneweis läuft während der Frauen-Fußball-WM durch Hessen und Nordrhein-Westfalen, um für faire Milchpreise zu werben – mit Holzschuhen und Plastikkuh "Faironika" im Schlepptau. Gestern machte er Station in Gladbach. Nun wandert er zum Finale nach Frankfurt.

 In Soest hat Otto Schöneweis seiner Plastik-Kuh Faironika einen Fußball gekauft und dem Maskottchen zwischen die Hörner geklemmt.

In Soest hat Otto Schöneweis seiner Plastik-Kuh Faironika einen Fußball gekauft und dem Maskottchen zwischen die Hörner geklemmt.

Er muss sich sputen, wenn er es bis Sonntagabend von Gladbach nach Frankfurt schaffen will. Denn Otto Schöneweis ist nicht nur zu Fuß auf schwarz-rot-goldenen Holzschuhen unterwegs, er schleppt auch noch eine rund 100 Kilogramm schwere Plastikkuh auf einem Bollerwagen hinter sich her. Was leicht durchgeknallt klingt, hat einen ernsten Hintergrund: Der 55-Jährige ist Milchbauer und nutzt derzeit die Frauen-Fußball-WM, um für faire Milchpreise zu werben und auf die Probleme seines Berufsstandes aufmerksam zu machen. Gut, etwas verrückt sei er schon, sagt Schöneweis – aber "im positiven Sinne".

Respekt vor der Hindenburgstraße

Gestern schleifte er das schwarz-rot-goldene Plastikmilchvieh durch Gladbach, den Austragungsort des ersten Halbfinals der WM: frühmorgens schon einmal zum Nordpark, am Abend stand dann ein Besuch der Fanmeile am Kapuzinerplatz auf dem Programm. "Vor der Hindenburgstraße habe ich ein bisschen Respekt", sagte Schöneweis. "Bisher ist die Weinsteige in Stuttgart das steilste Stück, das Faironika und ich bezwungen haben." So heißt das bovine Maskottchen in Lebensgröße, das der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) Interessenten zur Verfügung stellt. Sein Ortsbauernverband hat sein Exemplar finanziert.

Missionarischen Eifer in Form öffentlicher Reden legt er nicht an den Tag. "Wenn ich jemanden nach dem Weg frage oder angesprochen werde, komme ich aber schnell ins Gespräch über Milchpreise", sagt der vierfache Familienvater. Außerdem habe er Flyer dabei. Zu Zeiten der Milchkrise 2009 sei sein Kampfgeist geweckt worden. Damals begann er ("reiselustig war ich schon immer"), zu Fuß auf Holzschuhen durch die Lande zu laufen, um zu protestieren, irgendwann kam die Kuh hinzu. "Zurzeit zahlen die Molkereien für einen Liter Milch 33 bis 36 Cent. Damit unsere Kosten gedeckt sind, müssten es aber 43 Cent sein", sagt er. Schöneweis ist ein flotter Redner, hat Gedichte und Sinnsprüche in mehreren Sprachen parat, parliert gewandt über den Wert regionaler Landwirtschaft und geißelt als Mitglied der "Agraropposition" die Globalisierung.

Rund 330 Kilometer habe er seit dem 27. Juni zu Fuß zurückgelegt, insgesamt schon an die 1000, sagt Schöneweis. Über Kassel, Unna, Essen und Düsseldorf wanderte er, an den Wochenenden stellte er die Kuh bei Kollegen unter und fuhr mit dem Zug nach Hause. Er schlief in Jugendherbergen und bei Bekannten, wegen eines Gewitters vorletzte Nacht musste er bei Büderich erstmals unter der sprichwörtlichen Brücke schlafen. Denn für die letzten Etappen hat er sich Schlafsack und Isomatte mitgenommen. "Ich habe noch über 200 Kilometer bis Frankfurt vor mir. Um das zu schaffen, muss ich sicher eine Nacht durchlaufen." Auf der Reise habe er so manchen Kontakt geknüpft. Zuletzt wurde er auf dem Weg von Korschenbroich nach Gladbach von zwei Polizisten angehalten, die ihn zunächst kritisch beäugten: "Dann wollten sie aber nur ein Foto mit mir machen." Die Polizei sprach gestern von der Kontrolle eines "kuhlen Gespanns".

Das Halbfinale in Gladbach besuchte er nicht – "ich hätte die Kuh nicht auf dem Parkplatz des Stadions abstellen dürfen". Das Finale in Frankfurt würde er aber gerne schauen, falls sich die Möglichkeit ergibt. Bis dahin muss er aber noch ein paar Schichten Socken in seine Clogs stopfen. Das ist sein Geheimtipp gegen Blasen. Dann sagt Schöneweis noch eines seiner Milchgedichte auf – und wandert die Korschenbroicher Straße hinab.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort