Professor Peter Schallenberg / Dr. Arnd Küppers Migration - Bewährungsprobe für Europa

Mönchengladbach · Der Flüchtlingskrise widmen sich die "Sozialethischen Gespräche" der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle Mönchengladbach. Unter den Gästen heute und morgen sind ein Pfarrer aus Damaskus und ein Muslim aus Mülheim.

 Oben: Kinder gehen durch Matsch im Flüchtlingscamp von Idomeni in Griechenland. Unten: Arnd Küppers (li.), Peter Schallenberg.

Oben: Kinder gehen durch Matsch im Flüchtlingscamp von Idomeni in Griechenland. Unten: Arnd Küppers (li.), Peter Schallenberg.

Foto: Dpa/Isabella Raupold

Heute und morgen treffen mehr als 90 Sozialwissenschaftler, Theologen und Mitglieder von Sozialverbänden im Rathaus Abtei zusammen. Die Katholische Sozialwissenschaftliche Zentralstelle (KSZ) in Mönchengladbach hat für ihre Sozialethischen Gespräche das brisante Thema "Flucht, Migration und Integration - Bewährungsprobe für Europa" auf die Tagesordnung gesetzt. Wir sprachen darüber mit dem Direktor der von der Deutschen Bischofskonferenz geführten Einrichtung, dem Moraltheologen Prof. Dr. Peter Schallenberg, und seinem Stellvertreter Dr. Arnd Küppers.

Im Vorjahr ging es bei den Mönchengladbacher Gesprächen um die Lage Osteuropas 25 Jahre nach der Wende. Wann wussten Sie, dass es 2016 um Migration gehen würde - vor oder nach Angela Merkels umstrittener Erklärung zu geöffneten deutschen Grenzen im August 2015?

Prof. Dr. Peter Schallenberg Unsere Veranstaltung wird ja in Kooperation mit der Kommission der Bischofskonferenzen der EU (COMECE) in Brüssel ausgerichtet, von daher liegen sozialpolitische Themen mit europaweiter Bedeutung für uns nahe. Um aber ehrlich zu sein - der Themenkreis rund um Migration und Integration kam nach den Ereignissen vom 4. September bei uns auf die Agenda.

Sie meinen das Aussetzen des Dubliner Übereinkommens, das dazu führte, dass Flüchtlinge in Österreich und Deutschland ohne Registrierung ins Land gelassen wurden?

Schallenberg Das meinte ich. Unsere Tagung will zwei Schwerpunkte setzen: Wir beschäftigen uns einerseits mit Ursachen und Auswirkungen von Migration, andererseits fragen wir nach den Herausforderungen notwendig zu leistender Integrationsarbeit. Das ist nicht nur in politischen, sondern durchaus auch in manchen kirchlichen Kreisen in Europa ein umstrittenes Thema. Die Frage nach dem Umgang mit Asylbewerbern, mit Flüchtlingen spaltet etwa die Bischofskonferenz in Ungarn. Aber auch in anderen osteuropäischen Bischofskonferenzen verhält es sich ähnlich. Da ist eine heftige Kontroverse im Gange, bei der auch Argumente vorgetragen werden, wie sie ähnlich die AfD vertritt, so zur Rolle des Islam in Europa.

Inzwischen wurden Weichen neu gestellt, um die Flüchtlingskrise in geordnete Abläufe zu bringen. Ob diese Maßnahmen ausreichen, ist zweifelhaft. Damit befasst sich das Podiumsgespräch am Donnerstagnachmittag. Da sprechen der Parlamentarische Staatssekretär Günter Krings, ein Luxemburger Abgeordneter des EU-Parlaments und ein Vertreter von COMECE über "Begrenzung, Steuerung, Ordnung der Flüchtlingsströme". Was versprechen Sie sich von dieser Diskussion?

Schallenberg Ich verspreche mir davon eine ethische, vor allem sozialethische Einordnung. Wobei es nicht darum geht, zum 120. Mal herauszustellen, dass die Asylgesetzgebung in den EU-Ländern höchst unterschiedlich aussieht. Wir wollen vielmehr zum Kern vordringen, und das ist zunächst einmal der Anspruch des christlichen Glaubens, jedem Menschen zu helfen, der in Not ist. Aber da tauchen dann weitere Fragen auf, zum Beispiel nach der "Qualität" von Not: Hat nur der Anspruch auf Asyl, der seine Überlebensnot belegen kann, oder auch derjenige, der Not hat, sein Leben zu entfalten, oder auch, wer einfach wirtschaftliche Not leidet? Das sind moralische Fragen, die aber konkret politisch beantwortet werden müssen. DR. ARND KÜPPERS Das besondere Format unserer Tagung ist ihre Mischung von politischer Diskussion und sozialethischer Reflexion. Wir wollen nicht hypertrophen Idealismus verbreiten, der an der Lebenswirklichkeit vorbeigeht, sondern politische Realitäten reflektieren. So setzen zwei Vorträge den Rahmen für die Podiumsdiskussion. Oliver Müller, Leiter von Caritas International, wird in seinem Referat über Ursachen und Auswirkungen von Vertreibung und Flucht sprechen. Und am Freitagmorgen wird ein Pfarrer aus einer christlichen Gemeinde in Damaskus aus deren Alltag berichten.

Mit Pater Georges Aboud haben Sie einen authentischen Augenzeugen und Betroffenen aus dem Land gewonnen, das am schlimmsten mit Fluchtursachen identifiziert wird: Syrien. Wie haben Sie Pater Aboud kennengelernt?

Schallenberg Ich lernte ihn 2006 beim Katholikentag in Saarbrücken kennen, seither bin ich mit ihm befreundet. Pater Georges ist Libanese, einige seiner Familienangehörigen sind im libanesischen Bürgerkrieg umgekommen. In seiner Gemeinde St. Cyrill in Damaskus habe ich ihn zweimal besuchen können. KÜPPERS Er spricht am Freitag, 9.15 Uhr, über das Leben in einer Pfarrgemeinde heute in Damaskus. Für potenzielle Besucher der Tagung ist vielleicht interessant zu erfahren, dass Pater Aboud Deutsch spricht.

Interessant für Bürger dürfte auch die zweite Podiumsdiskussion am Freitag sein. Unter den Teilnehmern sind unter anderen ein spanischer Jesuit, ein Soziologe aus dem tschechischen Olmütz und ein Muslim, Karim Moustafa vom Zentralrat der Muslime in Deutschland. Einen Vertreter des Islam hatten Sie bisher noch nicht bei einer Tagung der Sozialethiker in Gladbach.

Küppers Wir wollen auf diesem Podium über Integration sprechen, und Integration hat selbstverständlich auch eine religiöse Dimension. Herr Moustafa wird also nicht als "Sprecher" der Migranten auftreten; er ist Sozialwissenschaftler und kommt aus Mülheim an der Ruhr. Er wird die Sicht des Islam einbringen, jener Religion also, der eine große Gruppe der Flüchtlinge angehört.

Das Tagungsprogramm ist im Internet unter www.ksz.de abrufbar.

(ri-)
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