Milchkuhbetriebe in Mönchengladbach Mehr als Melken

Beckrath · Albert-Heinz und Gaby Kamp haben 125 Milchkühe. Sie schätzen ihren Beruf, doch wird die Familie den Hof nicht weiterführen.

 Heinz-Albert Kamp und Gaby Kamp mit ihren Kühen.

Heinz-Albert Kamp und Gaby Kamp mit ihren Kühen.

Foto: Bauch, Jana (jaba)

Hinter einer großen grünen Holztür verbirgt sich der Milchkuhbetrieb der Kamps. Jetzt im Winter glänzt das Pflaster im Innenhof wie eine Speckschwarte vor Feuchtigkeit, und im Stall atmen die Kühe über ihrem Futter dunstige Wolken aus. „Besonders gerne haben sie Kartoffeln“, sagt Gaby Kamp, die zusammen mit ihrem Mann Heinz-Albert Kamp den Hof führt und vor den Kühen im Stall steht. Bereitwillig hält sie ihnen einen Erdapfel hin. Die Kühe fahren ihre beachtlich langen Zungen aus, schubsen sich gegenseitig weg und zerren an Kamps grüner Allwetterjacke, um an die Kartoffel zu kommen.

Außer diesen Leckerchen kriegen die insgesamt 125 Kühe eine Futtermischung aus Heu, geschnetzeltem Mais und Zuckerrüben, Mineralstoffen, Stroh, Kalk und Fett. Heinz-Albert Kamps mischt alles jeden Tag frisch an und versorgt die 70 Milchkühe und ihren Nachwuchs. Weil Gaby Kamp oft Schulklassen auf ihrem Hof zu Besuch hat, um Kindern zu zeigen wie es in einem landwirtschaftlichen Betrieb zugeht, tragen die Séparées im Stall Namen wie „Kindergarten“, „Grundschule“ und „weiterführende Schule“ – je nach Alter der Tiere. Erst die erwachsenen Kühe, also alle ab zwei Jahren, geben Milch und haben einen Platz im Melkstall.

 Die neugeborenen Kälbchen verbring­en die ersten Lebens­tage in Aufzuchtboxen.

Die neugeborenen Kälbchen verbring­en die ersten Lebens­tage in Aufzuchtboxen.

Foto: Bauch, Jana (jaba)

In Nordrhein-Westfalen gibt es rund 5630 Haltungen mit insgesamt 409.449 Milchkühen (Stand 2018). 19 davon liegen im Stadtgebiet von Mönchengladbach. Dass die Anzahl der Betriebe deutlich zurückgeht, belegen Zahlen des statistischen Landesdienstes IT.NRW: Vor neun Jahren gab es in der Region noch fast doppelt so viele Milchkuhhaltungen wie heutzutage.

Die Gründe dafür seien vielseitig, sagt Gaby Kamp. Sie verkaufen ihre Milch an die Firma „Arla“, die pro Liter Milch derzeit 31 Cent an die Landwirte zahlt. Einige Zuschläge gibt es für gute Fett- und Eiweißwerte, sodass der Betrieb aktuell etwa 37 Cent pro Liter bekommt: „Wir können davon leben, aber es ist schon knapp.“ Besonders die Auswirkungen des heißen Sommers im vergangenen Jahr seien spürbar: „Wir haben nicht genug Futtervorräte, um bis zur nächsten Ernte hinzukommen.“

Auch die Qualität des Mais’ sei nicht gerade gut, weil die Kolben der Pflanze durch die Hitze kaum gewachsen seien. „Wir müssen genau kalkulieren und füttern deshalb noch extra zu“, sagt Gaby Kamp, die seit der Heirat im Familienbetrieb ihres Mannes mitarbeitet. Ihn hat die gebürtige Niederrheinerin bei einem Ausflug der Landjugend im Westerwald kennengelernt.

Seither beginnt ihr Tag um sechs Uhr morgens. Dann werden die Kühe das erste Mal gemolken. Das frühe Aufstehen macht ihr jedoch nichts aus: „Ich gehe ja nicht auf den Catwalk und muss mich groß herrichten.“ Für sie gehöre das Melken zu einem Ritual, von dem sie nicht einmal ihre drei Kinder abhalten konnten: „Ich hatte dann eben ein Babyphone mit im Stall, und als sie älter wurden, haben die Kinder uns schon mit Kaffee zum Frühstück erwartet.“

Diese sind inzwischen alle „groß“; 25 Jahre alt ist die jüngste Tochter. Doch weder sie noch ihre beiden Geschwister wollen den Familienbetrieb fortführen. Heinz-Albert Kamp kann die Beweggründe seiner Kinder nachvollziehen. Wenn beispielsweise die Familie Urlaub machen will, muss ein Ersatz her – selten ist das für längere Zeit machbar. Und trotzdem wirkt der 57-Jährige bedrückt, wenn er über das Ende des Hofes nachdenkt. Immerhin gibt es diesen bereits seit 1809, und er führt ihn in sechster Generation.

Hier hatte das wirtschaftliche Durchkommen immer Priorität. Und dennoch: „Eine Kuh, der es nicht gut geht, gibt auch keine Milch.“ Das sagen die Kamps immer wieder. Sie sorgen für die Tiere mit all ihren Mitteln: nutzen beispielsweise genfreies Futter und schicken die Kühe im Sommer raus auf die Weide. Es ist ein Beruf, dem man sich voll und ganz widmen muss. Denn Milchbauer zu sein, bedeutet mehr als nur Melken.

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