Interview mit Michael Poulsen "Elvis hat einen riesigen Einfluss auf Volbeat"

Mönchengladbach · Michael Poulsen ist ein Schwermetaller. Der Gründer, Sänger, Frontmann und Kopf der dänischen Metal-Band Volbeat ist einer der aktuellen Popstars des Heavy Metal, deren Hits wie "Fallen" oder "For evigt" auch auf den MP3-Playern joggender Banker im Wiederholungsmodus laufen.

 Michael Poulsen mit seiner Band Volbeat.

Michael Poulsen mit seiner Band Volbeat.

Foto: Ross Halfin

Herr Poulsen, ich erreichen Sie gerade zu Hause in Dänemark?

Michael Poulsen Richtig, im Moment genieße ich die Zeit zuhause, die Zeit mit meiner Freundin und meinem kleinen Baby. Es ist schön, zuhause zu sein, Vater zu sein, den Fokus auf etwas ganz anderes zu richten. Aber es freut mich, wieder auf Tour zu gehen und bald nach Mönchengladbach zu kommen.

Wessen Stimme ist lauter: Ihre oder die Ihrer vor wenigen Wochen geborenen Tochter?

Poulsen (lacht) Definitiv die meiner Tochter. Ich bin vollkommen überrascht, was für eine enorme Lautstärke sie hat.

Kommt Ihre Familie mit auf Tour?

Poulsen Im August sind sie in Europa auf unserer Tour dabei. Unser Tourbus wird baby-tauglich sein.

Sie sind auf dem Weg, eine der größten Metal-Bands der Welt zu werden. Jetzt sind Sie mit Metallica in den USA auf Stadion-Tour. Wie fühlt es sich an, immer größere Shows zu spielen?

Poulsen Es ist großartig, wir sind ja schon das vierte Mal mit Metallica unterwegs. Wir sind gut befreundet, es ist großartig, dass sie uns das immer wieder anbieten. Ein großes Kompliment für uns! Es gibt immer etwas Neues zu lernen. Wir finden immer Inspiration, neue Lieder zu schreiben und unsere Shows weiter zu entwickeln.

Sie haben auf Ihren Platten immer wieder Gastmusiker dabei wie Sarah Blackwood, King Diamond oder jetzt Danko Jones. Gibt's das mit James Hetfield auf dem nächsten Album?

Poulsen Ich habe keine Ahnung. Wir sind sehr gute Freunde. Wenn es passiert, dann passiert es. Du brauchst aber die richtige Idee, es muss der richtige Moment sein.

Ihr aktueller Hit "Black Rose" klingt sehr amerikanisch. Trotz aller harten Gitarren erinnert der Song vor allem durch den Background-Gesang sogar an die Beach Boys.

Poulsen Vielen Dank für dieses Kompliment. Ich bin ein riesiger Beach-Boys-Fan. Ich habe nie darüber nachgedacht, aber es macht durchaus Sinn. Der Chorus dieses Songs hat Elemente aus den 50ern und 60ern. Wir sind sehr stolz, dass der Song es an die Spitze der amerikanischen Radio-Billboard-Charts geschafft hat. Unsere Musik ist ganz klar amerikanisch inspiriert. Wir sind eigentlich erst die zweite dänische Band, die eine Karriere in den USA gestartet hat. Das macht uns stolz, für eine kleine Band aus Dänemark scheint Amerika unmöglich zu sein.

Man nennt Ihre Musik Elvis-Metal. Und wenn man sich Ihre Tätowierungen auf dem linken Unterarm ansieht, ist das für Sie ein Kompliment.

Poulsen Die Musik der 50er hat großen Einfluss auf Volbeat und unser Songwriting. Ich bin ein großer Fan der 50er. Meine Eltern haben pausenlos Rock 'n' Roll-Platten gehört. Wenn ich ein Lied schreibe, habe ich immer den Twist der 50er im Hinterkopf - gepaart mit verzerrten Gitarren und pulsierenden Drums. Es wird immer dieses 50er-Element in unserer Musik geben. Und was Elvis angeht: Meine Eltern waren große Fans. Als mein Vater meine Mutter auf einer Party kennenlernte, hat er sie gefragt, ob sie seinen Cadillac auf dem Parkplatz sehen möchte. Sie fragte : ,Oh, du hast einen Cadillac?' ,Ja, wie Elvis Presley.' Das stimmte natürlich nicht. Als sie raus-gingen auf den Parkplatz, stand da natürlich kein Cadillac. Meint Vater tat entsetzt: ,Oh nein, er ist gestohlen!' Und meine Mutter hat ihm geglaubt. Sie gingen zu Fuß nach Hause, und mein Vater hat meiner Mutter seine große Elvis-Sammlung gezeigt. So sind sie zusammengekommen. Elvis-Musik lief immer zu Hause hoch und runter. Elvis hatte riesigen Einfluss auf mich. Zum Beispiel auf meine Art zu singen.

Fünf neue Lieder für das neue Album sind schon fertig?

Poulsen Wir haben fünf Lieder mit Melodien und Grundgerüst, aber es fehlen noch ein paar Arrangements und die Texte. Ein Song ist schon in Gänze fertig. Wir spielen die neuen Sachen immer zum Soundcheck. Wir müssen sie immer und immer wieder spielen, bevor wir sie aufnehmen. Ich habe jetzt ein richtig gutes Gefühl bei diesen Songs. Drei sind richtig heavy, zwei gehen eher in die Richtung Poprock.

Gibt's davon etwas in Mönchengladbach zu hören?

Poulsen Wir wollen dem Publikum auf jeden Fall einen ganz neuen Song präsentieren.

Frauenstimmen im Background, Banjo, Mundharmonika - in einigen Liedern greifen Sie auf überraschende Arrangements und Instrumente zurück. Was gibt's auf dem neuen Album zu hören?

Poulsen Ich habe schon bei den Aufnahmen der letzten drei Alben immer etwas mit dem Piano herumexperimentiert. Aber bisher hat es nicht gepasst. Jetzt haben wir einen besonderen Song, einen schnellen Punk-Rock'n'Roll-Fifties-Song, und da soll ein schneller Piano-Part im Stil von Jerry Lee Lewis drüber. Und vielleicht kommt auch noch Saxofon hinzu. Ich habe den Song erst vor ein paar Tagen geschrieben, und ich muss ihn erst noch den anderen vorspielen. Wenn es passt, werden wir ihn so aufnehmen.

Ihr Hit "For evigt" mit dänischem Text im Refrain war in vielen Ländern Europas ein großer Hit. In Dänemark wurde das Lied zum Rocksong des Jahres gekürt, in Deutschland wurde es bei einer Abstimmung des Magazins "Metal Hammer" zum drittschlechtesten Song des Jahres 2016 gewählt. Wie wichtig sind Ihnen solche Titel und Abstimmungen?

Poulsen Es ist ein bisschen schwierig: Manche Singles funktionieren in Europa großartig, andere in Amerika. "For evigt" war vor allem für das dänische Publikum gedacht. Wir wollten zeigen: Wir sind zwar eine internationale Band, aber wir wissen, woher wir kommen. Als wir das Lied aufnahmen, hatten wir das Gefühl, das Lied hat Potenzial zu einem Hit in Dänemark, aber nicht in Amerika. In den USA spielen die Radios mehr Hard-Rock als in Europa. Wir haben immer Songs für Europa, für Amerika, und manchmal auch für Skandinavien. Unser Stil ist so weit, dass wir keinen weltweiten Hit haben, sondern zwei unterschiedliche Singles gleichzeitig in unterschiedlichen Regionen.

Neulich sagten Sie: Social Media tötet Rockmusik. Erklären Sie das bitte.

Poulsen Ich habe in einer Death-Metal-Band angefangen, Musik zu machen. Wir hatten damals kein Internet, um unsere Musik bekannter zu machen. Wenn du deine Band promoten wolltest, dann musstest du laut schreien. Du musstest persönlich da sein. Heute ist alles nur einen Klick weit weg. Ich bin kein großer Fan davon, wie die Musik-Industrie und Bands sich heute vermarkten. Klar kann man das so machen, es ist ja auch smart und einfach. Aber es nimmt der Musik das Mysteriöse. Wenn ich früher eine Band entdecken wollte, bin ich in einen Plattenladen gegangen. Ich habe mir Musik-Zeitschriften gekauft. Wir haben Flyers getauscht, Poster gesammelt. Wenn ich meine Lieblingsband kennenlernen wollte, habe ich auf den Tourbus gewartet. Musik-Liebhaberei war so viel Arbeit, und das gehört für mich dazu. Heute hast du alles in den sozialen Medien. Die Seele der Musik fliegt so aus dem Fenster.

Das klingt sehr fatalistisch.

Poulsen Wir brauchen alle Idole, wir brauchen jemanden oder etwas, das uns einen Sinn im Leben gibt. Wenn aber alles immer nur einen Klick weit entfernt ist, dann fehlt einfach diese Sehnsucht. Und das gilt dann auch für neue Bands: Als Band musst du hart arbeiten, du gehst auf Tour, handelst Tapes, verteilst Flyer und hast Fans, die sich freuen, dich in einem kleinen Klub zu entdecken. Solche Geschichten gibt es heute nicht mehr. Das Mysteriöse ist einfach weg. Verstehst du?

Natürlich: Bands konzentrieren sich mehr darauf, viral erfolgreich zu sein als auf der Bühne.

Poulsen Genau das meine ich. Mit dem Zug nach Kopenhagen zu fahren, drei neue Vinyl-Platten zu kaufen und auf der Rückfahrt erst die Texte lesen statt die Musik hören zu können - das hat sich angefühlt, als hätte man einen Schatz gehoben. Heute hörst du was auf dem iPod, klickst weiter, okay, wieder weiter. Die Passion ist weg. Deshalb bin ich kein Fan von Social Media.

Es gibt aber auch einen Volbeat-Twitter-Account. Ohne geht's nicht?

Poulsen Stimmt, wir würden uns sonst in den eigenen Fuß schießen. Unser Kompromiss ist: Wir brauchen Social Media, weil wir sonst eine Generation hätten, die überhaupt keine Ahnung davon hat, wer Volbeat eigentlich ist. Aber ich checke nie unsere Accounts auf Twitter oder Instagram. Das einzige, was ich selbst tue, ist in unserem Facebook-Account zu lesen, wie den Leuten unsere Show gefallen hat. Wenn unsere Plattenfirma mit der Idee kommt: Wir verfolgen euch mit der Kamera im Tourbus und posten es, dann lehnen wir es ab. Wenn sie sagen, das macht aber jeder, dann sagen wir: Na und? Niemand interessiert sich dafür, was wir 24 Stunden sieben Tage die Woche machen.

Dann verraten Sie zum Schluss: Was tunt Sie jetzt als nächstes?

Poulsen Ich gehe mit meinem Hund Gassi.

(RP)
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