Mönchengladbach Mein Patenkind ist Testleser

Mönchengladbach · Bestseller-Autorin Rebecca Gablé spricht über die Schwierigkeit, einen guten Roman-Titel zu finden, ihre Beziehung zu Mönchengladbach sowie ihr kritisches Verhältnis zum deutschen Literaturmarkt. Und sie verrät, welches ihrer Bücher bald verfilmt werden könnte.

Sie veröffentlichen wöchentlich eine "Geschichtszahl der Woche" in Ihrem Facebook-Profil und lassen Fans über das Netzwerk an Ihrer Arbeit teilhaben. Wie passt das zusammen mit dem englischen Mittelalter in Ihren Romanen?

Rebecca Gablé Es ist ein eigenartiges Klischee, dass Leute, die sich mit dem Mittelalter beschäftigen, rückwärtsgewand sind. Das eine berührt das andere nicht. Ich halte Facebook für eine großartige Möglichkeit, mit den Lesern in einen Dialog zu treten.

Sie haben im Internet sogar Ihren Titelvorschlag des neuen Romans diskutieren lassen. "Tochter der Zeit" sollte er heißen. . .

Gablé . . .und der ist total durchgefallen. Ich fand ihn ganz toll, denn die Hauptfigur handelt nach ihrem Motto "Die Wahrheit ist die Tochter der Zeit" war das Motto Mary Tudors, der historischen Hauptfigur. Der Verlag war schon nicht begeistert, und als er auch bei den Fans durchfiel, musste ich nach Alternativen suchen.

Gibt es schon einen neuen Titel?

Gablé Nein.

Gab es denn brauchbare Vorschläge von den Fans?

Gablé Nein. Entweder gab es den Titel schon oder er war eine Allerweltssache.

Ist die Titelsuche denn immer so schwierig?

Gablé Ja. Außer bei "Siedler von Catan". Ich finde es viel einfacher, ein Buch zu schreiben, als einen Titel zu finden.

Warum verzichten Sie außerhalb von Mönchengladbach auf Lesereisen?

Gablé Aus Zeitgründen. Wenn ein neues Buch von mir erscheint, arbeite ich schon seit einem Jahr am nächsten Buch. Eine Lesereise würde mich aus der Arbeit herausreißen. Und da ich die klassische Dichterlesung ohnehin zurecht für aussterbend halte. . .

Warum?

Gablé Ich habe es lieber interaktiv. Nicht so altbacken wie eine Lesung. Frank Schätzung finde ich zum Beispiel großartig mit seinem multimedialen Elementen.

Lässt Ihnen der Verlag eigentlich freie Hand, wann Sie den nächsten Roman vorlegen müssen?

Gablé Es gibt einen Vertrag, und darin ist der Abgabetermin 30. November festgelegt. Ich habe ja auch selbst ein Interesse daran, alle zwei Jahre einen Roman zu veröffentlichen.

Man wird aber nicht erschossen, wenn man den Termin nicht genau einhält. Wie viele Leute kennen denn Ihr Manuskript vor der Abgabe?

Gablé Fünf. Mein Mann ist der wichtigste Kritiker. Meine Schwester ist Ärztin und richtet ihr Augenmerk auf Wunden oder den Verlauf der Pest oder ähnliches. Mein Vater ist eine Art "Universalgelehrter" und schaut auf alles. Außerdem sind mein 21-jähriges Patenkind und eine Freundin meine Testleser.

Wie umfassend ist denn die Kritik? Wird auch mal die ganze Handlung in Frage gestellt?

Gablé Das zum Glück noch nicht. Aber wenn etwas durchaus nicht schlüssig ist, wird es kritisiert. In einer Szene in "Hiobs Bruder" zum Beispiel betritt die Figur einen dunklen Keller voller Ratten. Ich fand das sehr stimmungsvoll. Mein Patenkind fragte mich aber: Warum nimmt der nicht einfach eine Fackel mit? Darauf bin ich gar nicht gekommen. Damit ist die Stimmung in der Szene zwar ein bisschen zusammengefallen, aber besser das, als wenn etwas unschlüssig wäre.

Wie geht es dann mit dem Manuskript weiter?

Gablé Ich schicke es per Email an meine Lektorin. Die liest es, wir telefonieren oder treffen uns auch mal. Das machen wir seit 15 Jahren miteinander. Eine so langjährige Zusammenarbeit ist in der Branche ganz selten geworden.

Wer hat das letzte Wort?

Gablé Ich. Dann gestaltet die Kreativabteilung des Verlags das Cover. Bisher sind wir uns darüber immer einig geworden. Dann wird die erste Ausgabe als Leseausgabe für den Buchhandel gedruckt. Es ist teilweise interessant, was von dort wieder zurückkommt.

Würden Sie Ihre Leser in den Schaffungsprozss mehr einbinden?

Gablé Nein, nicht in der Entwicklungsphase. Viele Köche verderben den Brei. Das ist so etwas wie die embryonale Phase.

Wann ist für Sie dann die Geburt? Bei Erscheinen oder wenn Sie das Manuskript abgeben?

Gablé Der Abgabetermin ist eine Art Abnabelung. Bis dahin ist es meins.

Verraten Sie inzwischen mehr über die Handlung des neuen historischen Romans?

Gablé Es wird der vierte Teil der Waringham-Reihe, die ja eigentlich nur eine Trilogie sein sollte. Der letzte Band endete im Jahr 1485, der neue beginnt mit der Renaissance im Jahr 1529, als Heinrich VIII. intensiv darum bemüht war, sich von seiner ersten Frau scheiden zu lassen. Ich habe mich auf Mary Tudor, die älteste Tochter Heinrichs konzentriert, die Schwester der späteren Königin Elizabeth. Mary, die Schwester ist die historische Hauptfigur. Der Roman versucht zu erklären, warum sie so geworden ist, wie sie war. Dazu gibt es wieder eine fiktive Hauptfigur.

Arbeiten Sie sich langsam in die Neuzeit vor?

Gablé Wahrscheinlich nicht. Es ist zu früh, um über den Nachfolger zu reden. Aber es wird wieder im Mittelalter sein. Vielleicht verlasse ich England.

Haben Sie zu jedem Buch eine eigene Bindung?

Gablé Nein. Zu jeder Hauptfigur habe ich aber ein sehr persönliches Verhältnis. Andere Autoren legen da Wert auf Distanz, bei mir funktioniert das aber nicht.

Gibt es bei Hauptfiguren schon mal Tränen während des Schreibens?

Gablé Ganz selten, es kommt aber vor. Das schwere Schicksal von Mary Tudor Elizabeth' Schwester hat mich sehr berührt. Mit 13 wird sie plötzlich politisch unbequem. Bis dahin war sie der Augenstern ihres Vaters Heinrich VIII. gewesen. Dann wird sie mit einem Male vom Hof verstoßen, mit 17 wird sie in den Haushalt der kleinen Schwester — der späteren Königin — versetzt geschickt, wo sie nur Feindseligkeiten ausgesetzt ist. Das muss einen berühren.

Würden Sie Ihre Romane gerne ins Englische übersetzen lassen?

Gablé Da tun sich gerade mit E-Books durchaus interessante Möglichkeit auf. In den USA hat Amazon zum Beispiel einen eigenen Verlag nur für Übersetzungen gegründet.

Vielleicht bewerten Engländer oder Schotten Ihre Bücher etwas anders.

Gablé Das kann durchaus sein. Fachlich bin ich da aber unbesorgt.

Wie lange dauert Ihre Recherche vor Ort?

Gablé Für diesen Roman war es gar nicht so lang. Der Hauptteil der Recherche passiert beim Lesen am Schreibtisch. Auf Reisen frische ich dann Eindrücke auf und mache Fotostrecken. Für diesen Roman war ich zwei bis drei Wochen unterwegs.

Geht es darum, den Ort noch einmal zu atmen?

Gablé Ja. Für diesen Roman war ich in Hampton Court, einem der Paläste Heinrichs des VIII. Wenn ich durch die Höfe laufe, kann ich mir ganz leicht vorstellen, wie es im 16. Jahrhundert dort aussah.

Würde das auch hier funktionieren?

Gablé Ich denk schon. Der Assoziationsprozess funktioniert in jedem alten Gemäuer.

Sie bleiben in Mönchengladbach verwurzelt?

Gablé Ich ziehe nicht nach England und auch nicht nach Düsseldorf. Ich finde Mönchengladbach eine schöne Stadt und wohne gerne hier.

Können Sie Kollegen selbstbewusst sagen, dass Sie aus Mönchengladbach kommen?

Gablé Ja. Wir haben allen Grund dazu, unsere Stadt viel mehr zu mögen, als wir es tun. Mönchengladbach sollte selbstbewusster sein.

Sie sind eine Autorin, die sich auch kritisch mit dem deutschen Literaturmarkt auseinandersetzt. Wenn Sie den Buchmarkt verändern könnten, wo würden Sie ansetzen?

Gablé Der deutsche Buchmarkt ist gar nicht so reformbedürftig. Aber es gibt die Tendenz, dass zwei bis drei Ketten die Macht übernehmen. Dann wird es schwer für Verlage und kleinere Buchhandlungen. Das wird noch schlimmer, wenn die Buchpreisbindung fällt, und das wird kommen. Die Bindung bietet eine Art Schutzraum für kleine Händler. Und ich finde, dass die klassische Buchhandlung eine wichtige Lebensader im Literaturbetrieb ist. ich habe allerdings auch nichts gegen die Großen, für Bestseller-Autoren sind bieten sie große Chancen.

Wo kaufen Sie Ihre Bücher? Im Internet, in der großen Filiale, im kleinen Buchladen, oder auf dem Trödelmarkt?

Gablé Auf dem Trödelmarkt ganz selten. Einen Großteil beziehe ich über das Internet, weil es für englisch-sprachige Literatur konkurrenzlos ist. Ansonsten verteile ich meine Buchkäufe ganz gut.

Was halten Sie denn von E-Books und elektronischen Lesegeräten?

Gablé Ich kann mir das gut vorstellen, auch wenn so ein Gerät nie ein echtes Buch ersetzen wird. Ein Buch spricht alle Sinne an, die Seiten knistern, wenn es neu ist, riecht es ganz anders. Das hat etwas Haptisches, und das ist unersetzbar. Der Vorteil für mich wäre bei einem Reader, dass ich im Urlaub nicht den Koffer voller Bücher hätte und trotzdem damit nicht auskäme.

Wie wichtig ist für Sie die Zahl der verkauften Bücher?

Gablé Es ist schon eine Erfolgskennziffer. Ich würde mich bei rückläufigen Zahlen schon fragen, was schief gelaufen ist und die Gründe bei mir und beim Buch suchen.

Es gab Gerüchte über Filmpläne.

Gablé Ich kümmere mich nicht aktiv darum. Dafür habe ich keine Zeit und versteh davon auch nicht genug. Manchmal kommen Anfragen.

Woran liegt das?

Gablé Vielleicht daran, dass ich relativ visuell schreibe. Abgeneigt bin ich jedenfalls nicht.

Für welchen Roman liegen Anfragen vor?

Gablé Bei "Siedler von Catan" ist es relativ konkret, was das Verfassen eines Drehbuches angeht das Drehbuch liegt vor. Aber ich möchte nicht die Luft anhalten müssen, bis der Film zu sehen ist.

Dann gibt es aber andere Bilder als die, die Sie beim Schreiben im Kopf hatten.

Gablé Natürlich. Und man wird darüber immer enttäuscht sein. Aber es ist wichtig, loszulassen und zu akzeptieren, dass Fernsehen und Kino ganz anders funktionieren.

Hätten Sie gerne ein Mitspracherecht?

Gablé Das gibt Ihnen keiner.

Auch nicht der Harry-Potter-Autorin Joanne K. Rowling?

Gablé Auch da hatte Warner immer das letzte Wort.

Richten Sie sich feste Schreibzeiten ein?

Gablé Nicht so wie Ken Follett, der von 8.30 Uhr bis 16.30 Uhr schreibt. Das kann ich nicht. Ich schreibe schon jeden Tag. Morgens recherchiere ich eher, und nachmittags schreibe ich eher. Dann habe ich meine kreative Phase.

Haben Sie einen Lieblingsort zum Schreiben?

Gablé Meinen Schreibtisch.

Aber es geht auch woanders.

Gablé Ja. Im Ferienhaus-Urlaub nehme ich auch immer mein Laptop mit, muss aber nicht schreiben. Wenn ich schreibe, könnte ich aber auch vor einer Betonwand sitzen. Ich mache den Computer an, lese die letzten fünf bis zehn Seiten und bin im Fluss.

Tauschen Sie sich mit anderen Autoren aus?

Gablé Intensiv, da ist Facebook auch eine tolle Möglichkeit. Morgens mache ich das ganz kurz. Genauso wie andere ins Büro gehen und den Kollegen "Hallo" sagen. Intensiven Austausch habe ich dann über Korrespondenz.

Sie singen noch in einer Rockband.

Gablé Ach ja. Das war eher in den 80ern. Unsere Sternstunde war ein Konzert zur Rettung von Schloss Rheydt 1987. Die Band gibt's auch heute noch, aber wir covern nur und spielen auch nur noch Auftritte, wenn einer 50 wird wenn ein Bandmitglied Geburtstag feiert.

Zum Schluss bitte noch Ihre aktuellen Krimitipps an unsere Leser.

Gablé Die historischen Krimis von C. J. Sansom über die Zeit Heinrichs des VIII., "Sprengkraft" von Horst Eckert fand ich grandios und der neue von Elizabeth George. und immer Jutta Profijt — wenn man heitere Krimis mag.

(RP)
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