Mönchengladbach Liebender Schurke und Freiheitsheld

Mönchengladbach · Tschaikowskys Oper "Mazeppa" hat Sonntag Premiere. Die Musik erzählt von Schlachtenlärm und zarten Gefühlen.

 Izabela Matula (Sopran) spielt Maria, die Geliebte des Kosakenhauptmanns Mazeppa in der gleichnamigen Oper von Pjotr Tschaikowsky. Hier eine Szene mit dem Theaterchor.

Izabela Matula (Sopran) spielt Maria, die Geliebte des Kosakenhauptmanns Mazeppa in der gleichnamigen Oper von Pjotr Tschaikowsky. Hier eine Szene mit dem Theaterchor.

Foto: Matthias Stutte

Naja, sonderlich sympathisch hat Tschaikowsky den Titelhelden seiner Oper "Mazeppa" nicht gerade gezeichnet. Die historische Figur des ukrainischen Separatisten-Anführers, der vom Zaren-Intimus zum erbitterten Feind Russlands wurde, nimmt am Ende der Oper Reißaus. Allerdings hat der ausgemachte Macho auch zärtliche, geradezu liebenswerte Seiten, auch wenn die rund 40 Jahre jüngere Herzdame sein Patenkind ist und nicht ganz freiwillig seinem Zugriff folgt. Die Liebesarien der beiden erwärmen auch heute noch das Gemüt der Opernfreunde. Die müssen aber normalerweise sehr weit reisen, wenn sie in den Genuss der Oper kommen wollen. Sie wird sehr selten gespielt, ist in Russland heute noch verpönt. Am Gemeinschaftstheater aber steht "Mazeppa" auf der Bühne, am Sonntag ist in Rheydt Premiere. Und mit Johannes Schwärsky steht ein dunkler Bariton in der Titelrolle, der seine Freude an der vielschichtigen Partie trotz Bösewicht-Malus freimütig bekennt.

Tschaikowsky ging es besonders um die psychologischen Extreme, die er in dunkel gefärbte Musik gegossen hat. Musikdirektor Mihkel Kütson findet die Partitur fast noch ausgereifter, zumindest interessanter als die bereits in diesem Jahrtausend in Gladbach aufgeführten Nachbarwerke "Eugen Onegin" und "Pique Dame". Viele der Sänger-Solisten gehören den tiefen Registern an, lediglich die jungen Liebenden — Marie und Andrej - dürfen sopranös bzw. tenoral glänzen. Und dass am Ende Marie dem Wahnsinn verfällt, werden Liebhaber russischer Oper besonders schätzen, singt sie doch ihrem sterbenden Jugendfreund ein wunderschönes Wiegenlied.

Regisseurin Helen Malkowsky verbindet in ihrer Inszenierung auf der Bühne von Kathrin-Susann Brose die Zeit des historischen Mazeppa mit heute. Der erste Akt ist eine Art albtraumhafter Rückblick des im Kerker schmachtenden Kotschubej, Marias Vater und Mazeppas Widersacher. Das trägt schon die Saat des tragischen Schicksals in sich, das am Ende alle Figuren heimsucht. Danach sind wir in einem gespenstischen Heute, dem Schlachtfeld der ukrainischen Befreiungsgeschichte, die in aktuellen Vorfällen ihre Entsprechung hat. Orange ist die bedeutungsschwangere Farbe der Bühne, Orange die Farbe der gegenwärtigen ukrainischen Aufstände. Besonders ist in Tschaikowskys "Mazeppa" der Kunstgriff, die historische Schlacht bei Poltawa, bei der Mazeppa dem Zaren unterliegt, als großes Gemetzel ins Orchester zu verlegen. Da krachen die Kanonen und verraucht der Pulverdampf aus dem Graben. Und weil man das Ergebnis auf der Bühne sehen soll, ist vor diesem 3. Akt eine zweite Pause nötig. Damit dauert der Opernabend knapp über drei Stunden, das Bühnenbild ist aber dementsprechend opulent.

(ark)
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