Mönchengladbach Liebe und die Sehnsucht nach Afrika

Mönchengladbach · Matthias Gehrt inszeniert das Psychodrama "African Moon" von Gabriel Gbadamosi im Studio des Theaters.

 Felix Banholzer als Journalist mit seinem Bike, hinten Marianne Kittel.

Felix Banholzer als Journalist mit seinem Bike, hinten Marianne Kittel.

Foto: Matthias Stutte

Bis man die Asche seiner Ideale im Land der Sehnsucht verstreuen kann, braucht es seine Zeit. Das erfährt die Nora in Gabriel Gbadamosis Theaterstück "African Moon" im Laufe der 90 Bühnenminuten: Im Studio des Theaters rieselt am Schluss Staub aus der Urne – die Überreste der Geliebten – auf eine große Rotkreuz-Plane. Wir ahnen ein Hospital, irgendwo in Afrika.

 Der korrupte Pfleger (Christopher Wintgens) mit Nora (Marianne Kittel).

Der korrupte Pfleger (Christopher Wintgens) mit Nora (Marianne Kittel).

Foto: Matthias Stutte (sieh

Matthias Gehrt entdeckt in dem von ihm selbst beauftragten Stück seines britischen Freundes mit afrikanischen Wurzeln die faszinierende Welt der Ambivalenz. Aus den Klischees der Handlung, der Typen, der gesellschaftlichen Umstände und dem Nebulösen, das in den Gesprächen der vier Personen Klarheit verhindert, schlägt die Regie spannende Funken. Und irgendwie entsprechen die Mittel der Inszenierung der Vorlage: Dunstschwaden durchwabern die Szene, die am Beginn im Halbdunkel vor sich hin schwitzt. Der Sound von Afrika schwirrt aus den vielen Lautsprechern, die an der Decke ein von unsichtbarer Hand bewegtes gespenstisches Eigenleben führen. Popmusik begleitet die Ankunft der weißen Frau (Marianne Kittel) im Urwald. Sonnenbrille, Fähnchenkleid, Pumps erscheinen so unangemessen wie attraktiv für die drei Männer, die hier, im Umfeld der Urwald-Krankenstation, in Schuld, Verbrechen und Abhängigkeit miteinander verstrickt sind. Der Journalist David (Felix Banholzer) und seine klapprige Yamaha; der Pfleger Martin (Christopher Wintgens), der mit gepanschten Medikamenten nicht nur die Kinder des Dorfes, sondern auch seinen eigenen Sohn mit "African Moon" infiziert hat; der Arzt Paul (Joachim Henschke), der den Skandal deckt, in einer Mischung aus Schwermut und Verzweiflung, die sich in der Geschichte begründet, für die Nora steht: Paul ist der uneheliche Vater ihrer verstorbenen Geliebten Amy, hat sich feige vor Jahrzehnten nach Afrika abgesetzt, als Urwalddoktor.

 Erschöpft von einem existenziellen, zehrenden Dialog in der Hitze Afrikas: Marianne Kittel als Nora und Joachim Henschke als Arzt Dr. Paul König, der eine Krankenstation im Busch leitet.

Erschöpft von einem existenziellen, zehrenden Dialog in der Hitze Afrikas: Marianne Kittel als Nora und Joachim Henschke als Arzt Dr. Paul König, der eine Krankenstation im Busch leitet.

Foto: Matthias Stutte

Gehrt regt in diesem Klischee-Sumpf ein intensives, sehr körperliches, dann wieder zeichenhaft distanziertes Spiel an, überhöht es in Licht und Sound-Effekten und führt es in den besten Momenten zu menschlichen Urgründen. Ein wenig mehr Zeit, ein genaueres Tempo täte der Inszenierung im Bühnenbild von Elissa Bier an mancher Stelle gut. Gerade aber die schauspielerische Dichte berührt. Henschke grantelt herzerweichend, Banholzer gibt tough den schmierigen Cowboy, Wintgens ist in seiner angepassten Weinerlichkeit ein haltloser Krimineller. Und die Kittel stakst, turnt und streitet, zeigt brutale wie laszive Züge und verlässt Afrika so fremd, wie sie kam. Zurück bleibt Paul, embryonal gekrümmt, mit der Nase in die Brautschuhe seiner Tochter versunken. – Alles ist anders und bleibt doch gleich.

(ark)
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