Abschied der Briten aus Mönchengladbach Liebe Freunde, es war schön mit euch

Mönchengladbach · Emotional nahmen jetzt die Gladbacher Bürger Abschied von den britischen Soldaten. Zahlreiche Gäste verfolgten am Freitag die große Militär-Parade auf dem Kapuzinerplatz. Es sind auch Gladbacher Geschichten, die an diesem Wochenende zu Ende gehen.

Freitag, 10.25 Uhr auf dem Kapuzinerplatz: Englisches und deutsches Stimmengewirr mischt sich mit Dudelsack-Klängen. Kinder schwenken eifrig Fähnchen, und britische Soldaten schütteln Hände. Zahlreiche Gladbacher waren am Freitag in die Innenstadt gekommen, um sich persönlich von den englischen Gästen zu verabschieden. Die begehrten Plätze in der ersten Reihe waren rasch belegt. Vorausdenkende hatten leere Getränkekisten und kleine Treppchen mitgebracht. Echt militärische Klänge lieferten die preisgekrönten Dudelsackspieler der Crossed Sword Pipe Band und die Blaskapelle der Prince of Wales Division. Zusätzlich stellten 90 Soldaten unter Beweis, dass sie minutenlang regungslos ihre Position halten können. Abgenommen wurde die Formation von Oberbürgermeister Norbert Bude und Sir Stuart Peach, zweithöchster Soldat Großbritanniens.

In seiner Ansprache, die Sir Stuart Peach natürlich auf Deutsch hielt, verwies er auch auf seine ganz persönliche Verbindung zu Gladbach. "Meine Schwiegereltern leben hier, und auch meine beiden Kinder sind in Gladbach zur Welt gekommen. Heute ist ein trauriger Tag." Seine Ehefrau Brigitte Peach stammt gebürtig aus Hardt — stilecht mit großem schwarzen Hut verfolgte die Wahl-Engländerin die Rede ihres Mannes von der Tribüne aus. Im Namen aller Soldaten dankte der 57-jährige Vice-Chief of the Defence Staff den Gladbacher Familien für ihre jahrelange Gastfreundschaft. "Wir gehen, aber wir werden Freunde bleiben", betonte er.

Wehmut machte sich auch unter den Gladbacher Zuschauern breit. Verbinden doch viele schöne Erinnerungen mit dem ehemaligen NATO-Hauptquartier. So auch die 21-jährige Meike Zimmermann. 2008 absolvierte sie im JHQ ein zweiwöchiges Praktikum. "Das war in der zehnten Klasse. Ich wollte unbedingt etwas auf Englisch machen, da ich danach einen Auslandsaufenthalt geplant hatte", erzählt sie. Da habe sich das Praktikum in der englischen Grundschule angeboten. "Das war eine tolle Erfahrung", sagt die 21-Jährige rückblickend. Was sie nach dem Abzug der Soldaten vermissen wird? "Auf jeden Fall die Internationalität."

Extra aus dem benachbarten Wegberg zur Parade angereist ist Karin Praschma-Kox. "Ich war jahrelang Mitglied des JHQ-Theaters ,Cats'. Eine Freundin von mir hat mich damals auf die Idee gebracht, da mitzumachen", erzählt die Wegbergerin. Auf die Bühne habe sie sich zwar nicht getraut, aber hinter den Kulissen nähte Karin Praschma-Kox fleißig Kostüme für die Aufführungen. "Ich mochte die Atmosphäre in diesem Theater unglaublich gerne — es war alles so schön englisch", sagt sie und lacht. Um so trauriger sei sie, dass das alles nun ein Ende habe.

Erinnerungen der ganz anderen Art hat Marcel Renaux an die britischen Soldaten. "Jeep-Geräusche vor unserer Haustür, daran erinnere ich mich noch genau", sagt Renaux, der mit seinem kleinen Sohn auf den Schultern die Parade verfolgt. "Ich muss schon sagen, jetzt kommt wirklich Wehmut auf. Das JHQ hat das Bild von Gladbach über so viele Jahre geprägt", ergänzt er. Gerne denkt der gebürtige Gladbacher auch an seinen damaligen Ferienjob zurück: "Ich habe als Bierlieferant für das JHQ gearbeitet. Ich erinnere mich an große Mengen Bier, die ich durch die Kontrollposten geschleust habe", erzählt Renaux.

Siegfried Gruber wäre ohne das britische Hauptquartier vermutlich niemals in Gladbach gelandet. "Geboren wurde ich in einem Gefangenenlager in Kopenhagen, danach ging es für mich als kleiner Junge nach Brunsbüttel an die Nordsee und nach dem frühen Tod meiner Mutter zu meiner Halbschwester nach Remscheid", erzählt der 68-Jährige. Erst als er sich als junger Mann für die Bundeswehr verpflichtete, führte ihn sein Weg 1967 ins Gladbacher JHQ. "Ich war als stellvertretender Büroleiter bei der NATO tätig", berichtet Gruber, der noch immer nur 100 Meter vom Hardter Wald entfernt wohnt. Besonders die sportlichen Wettkämpfe mit den englischen Kollegen sind ihm in guter Erinnerung geblieben. "Ich war im Leichtathletik- und im Fußball-Team. Außerdem waren wir Sportkameraden Stammgäste in der Hardter Kneipe Onkel Gustav", sagt er und verschweigt auch das eine oder andere Bier nicht. Doch jetzt ist endgültig Schluss: Auch die englische Flagge in Grubers Garten wird am Sonntag abgehängt. "Zu besonderen Anlässen werde ich sie aber weiterhin hissen", versichert der gelernte Betriebswirt.

Heute findet von 13 bis 22 Uhr auf dem Gelände des JHQ ein großes Sommerfest statt. Wer beim Abschiedsfest dabei sein möchte, sollte jedoch nicht zu spät kommen. Wenn die vorgesehene Besucherzahl erreicht ist, wird es keinen Einlass mehr geben. Zu Ende gehen die Abschieds-Zeremonien am morgigen Sonntag mit einem feierlichen Gottesdienst in der St.-Bonifatius- Kirche auf dem JHQ-Gelände.

Weitere Bilder rund um den Abschied der britischen Soldaten gibt es auf www.rp-online.de/moenchengladbach.

(RP)
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