Mönchengladbach Leben im Drei-Fenster-Haus

Mönchengladbach · Das Museum Schloss Rheydt zeigt, wie Familien in der Stadt in den vergangenen 140 Jahren wohnten. Waschzuber und Puppenstuben gehören dazu. Gefördert wird die stadtgeschichtliche Ausstellung vom Land NRW.

Diese Ausstellung mit dem lakonischen Titel "3 Zi. KB" macht demütig. Zeigt sie doch, wie gewaltig sich die Erwartungen an Standards des Wohnens heute von denen um 1900 unterscheiden. Selbst der nachgebaute Salon einer Fabrikanten-Familie aus Mülfort, deren Villa Goertz heute Monfortaner Patres bewohnen, weist kaum mehr als den Anhauch von Luxus auf. Das Porträt einer jungen Frau, klassisch Öl auf Leinwand, springt ins Auge — ein paar Schritte entfernt an der Museumswand begegnet sie in demselben Kleid auf einer privaten Schwarzweiß-Fotografie.

Es bleibt nicht der einzige Aha-Effekt, den der Besucher erlebt, besucht er die von Eva Uebe zusammengestellte Schau, die das Museum Schloss Rheydt im Rahmen der Ausstellungsreihe "Niederrheinische Familiengeschichte(n)" ab Sonntag präsentiert. Wer älter als 50 ist, wird sich wohl noch an die Messing-Wärmflasche erinnern, die Oma immer dann dem Enkel auf den Bauch legte, wenn es dort Schmerzen zu lindern galt, oder unter die kalten Füße.

Wärmflaschen gehörten zum festen Energiespende-Inventar jeder Familie, da Schlafzimmer in der Regel bis in die 1950er-Jahre nicht beheizbar waren. Noch Ältere mögen auch den zinkenen Waschzuber noch in Erinnerung behalten haben. Etwas feiner die Porzellan-Waschschüssel und die Petroleumlampe, die das Faktum spiegeln, dass es vor 120 Jahren in den meisten Häusern weder Strom noch fließendes Wasser gab. Vom WC gar nicht zu reden.

Gladbacher Haus

"Wir widmen uns dem Thema Familien und Wohnen", umreißt Museumsdirektor Dr. Karlheinz Wiegmann das Konzept. Dazu gehört auch ein Blick auf die Architekturgeschichte Mönchengladbachs. "In unserer Stadt haben sich ganz typische Hausformen herausgebildet", sagt Volontärin Eva Uebe, die als Kuratorin für die sehenswerte Ausstellung verantwortlich zeichnet. Charakteristisch für das Straßenbild sei seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das "Rheinische Dreifenster-Haus". Zum Beispiel in Eicken und Rheydt begegnen solche Bauten, die drei Fenster im Hochformat nebeneinander an der stuckverzierten Fassade haben, noch in nennenswerter Anzahl. "Es war die Wohnform des Kleinbürgertums", stellt Uebe fest. Die Innenausstattung war sehr schlicht.

Waren die Dreifenster-Häuser zu mieten, konnten Arbeiter, für welche spezielle Doppelhaushälften mit Garten, die "Gladbacher Häuser", seit der Gründerzeit gebaut wurden, diese durch Ratenzahlung erwerben. Die Idee dahinter, so Wiegmann: "Die Arbeiter sollten vor Verelendung bewahrt werden — dazu war es politisches Ziel, sie so davon abzuhalten, sich jenseits des sozialkatholischen Milieus anderen Arbeiterbewegungen anzuschließen." Gladbacher Häuser für den Gladbacher Weg. Heute stehen, so Uebe, noch gut 700 solcher Häuser in der Stadt.

Die Brücke zur Lage der Familien heute schlagen abhörbare Texte sowie Zeichnungen von Schülern des Hugo-Junkers-Gymnasiums.

(RP/rl)
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