Mönchengladbach Vier Jahreszeiten: Schauer und Andacht

Mönchengladbach · Beim 3. Sinfoniekonzert leitete der ukrainische Geiger Andrej Bielow die Streicher der Niederrheinischen Sinfoniker mit Temperament durch die vier Jahreszeiten von Vivaldi und Piazzolla.

In Buenos Aires neigen die Menschen im Herbst zur Fröhlichkeit. Während sich hierzulande Sturm und Melancholie die Hand reichen, singen die Bewohner von Argentiniens Hauptstadt kitschige Liebeslieder und kommen auf Ideen, die voller Lebensfreude und Humor sind. Kein Wunder, das konnten jetzt die Besucher des 3. Sinfoniekonzerts in der Kaiser-Friedrich-Halle erfahren, schließlich ist auf der Südhalbkugel vieles anders. Nicht nur die Jahreszeiten.

Um die aber geht es bei der diesmal in Gladbachs "guter Stube" beginnenden Reihe der vier städtischen Sinfoniekonzerte, und zwar in den Vertonungen von Antonio Vivaldi und Astor Piazzolla. Vivaldis vier Violinkonzerte sind ein Hit, sie dürften auch einem wenig Klassik-affinen Publikum bestens vertraut sein. Die klirrenden Eiskristallakkorde des "Winter", das Vogelgezwitscher und das dramatische Gewitter im "Sommer" - sie stellen entzückende Höhepunkte frühester Programmmusik dar. Nun ist mit dem aus der Ukraine stammenden Geiger Andrey Bielow ein Könner seines Fachs kurzfristig für den erkrankten Kirill Troussov nach Gladbach gereist, um diese Werke mit den Streichern des Orchesters und Karsten Seefing am Cembalo einzustudieren. Bielov wirbelt mitten unter den Kollegen auf der Bühne, wendet sich voller Impulse den einzelnen Gruppen zu, wirft sich mit dem Cello-Continuo musikalische Bälle zu und geigt ganz vorzüglich dabei. Dabei fußt der Stil seines Vivaldi-Verständnisses auf klassisch-romantischer Tradition, Bielow weiß aber sehr wohl, welch tollen Effekt unvibrierte oder nah am Steg erzeugte Klänge haben können. Schön.

Weniger bekannt, aber nicht weniger interessant sind die "Vier Jahreszeiten von Buenos Aires", die der Altmeister des Tango, Astor Piazzolla, der Nachwelt hinterlassen hat. Die Bearbeitung für die Vivaldi-Besetzung von Leonid Desyatnikov entführt nicht nur in die von Rhythmus und Leidenschaft geprägte Welt des "Tango argentino", sondern schmuggelt geschickt Vivaldi-Zitate in die Musik hinein. Solist und Orchester stehen hier vor gänzlich anderen Herausforderungen. Piazzolla geht unmittelbar in Bein und Brust, dabei ist die Partitur zumindest rhythmisch recht anspruchsvoll. Außerdem haben einige Streicher anspruchsvolle solistische Aufgaben, Solo-Cellist Raffaele Franchini darf fast den halben Herbst (ortono porteno) in schönsten Tönen schwelgen.

Das alles verwebt sich gefällig in abwechslungsreichen Wohlklang, wiewohl die Programmmacher je ein Vivadi-Konzert mit einem Piazzolla-Satz kombinierten. Das Publikum war so fasziniert, dass es erst vor der Pause und am Schluss auf die Idee kam zu applaudieren. Dann aber heftig und mit gleich zwei Zugaben belohnt.

(ark)
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