Denkanstoß Spurensuche an der Heiligen Pforte

Mönchengladbach · Pfarrer Klaus Hurtz erfuhr in Rom, warum offene Türen die Menschen seit Jahrhunderten verbinden.

 Im vergangenen Jahr öffnete Papst Franziskus anlässlich des Heiligen Jahres die Heilige Pforte im Petersdom.

Im vergangenen Jahr öffnete Papst Franziskus anlässlich des Heiligen Jahres die Heilige Pforte im Petersdom.

Foto: kna

Manchmal ist man von sich selbst überrascht. So widerfuhr es mir, als ich in der vergangenen Woche für einige Tage in Rom sein durfte, um im "Heiligen Jahr der Barmherzigkeit" auf alten Pilgerwegen zu gehen; besonders das Durchschreiten der Heiligen Pforte im Petersdom berührte mich tief. Natürlich weil dabei Erinnerungen an frühere Besuche geweckt wurden, denn ich sah die größte Kirche der Christenheit nicht zum ersten Mal. Natürlich weil mir bewusst war, dass ich damit einem uralten Pilgerstrom folgte, denn seit mehr als 700 Jahren sind in unterschiedlichen Abständen unzählige Menschen in die Ewige Stadt aufgebrochen, um ein Heiliges Jahr zu feiern. Aber erklärt all dies das Tief-Bewegende des Augenblicks?

Unser Wort "Pforte" trägt das lateinische "porta" in sich, was eben Tür, Tor meint. Es bezeichnet den Ort, an dem man ein Gebäude betreten oder verlassen kann; den Ort, der das Draußen und Drinnen sowohl voneinander scheidet, als auch füreinander öffnet. Es ist banal und doch von einer starken Symbolkraft: Man muss eine Türschwelle überschreiten, will man ins Innere gelangen. Hier findet sich die Antwort, was durch die Jahrhunderte die Pilger erfahren und bewegt. Geht man durch die Heilige Pforte, betritt man nicht nur eine Kirche, sondern man fühlt, dass die Größe des Raumes auf jenen Größeren verweist, der alles in seinen Händen hält. So weiß man sich im Inneren von Gott selbst umfangen und geborgen, unsere Sehnsucht hat ihr Ziel gefunden. Zudem spürt man, dass zwar jeder seinen Lebensweg zu finden und zu gehen hat, aber dass man immer gemeinsam unterwegs ist. "Wer glaubt, ist nie allein!" Dieser Zuruf von Papst em. Benedikt XVI. mag hier seinen Ursprung haben. Woher die Pilger auch kommen, die Wege laufen an der Schwelle zusammen. Man ist mit allen verbunden, und diese Gemeinschaft können selbst Kontinente und Jahrhunderte nicht trennen; das Ich erfährt Stärkung durch das Wir.

Diese Geborgenheit im Du Gottes und im Wir der Glaubenden rückt die Antwort des eigenen Lebens neu ins Blickfeld. Die Barmherzigkeit steht heute im Fokus des Heiligen Jahres, sie darf nicht nur empfangen, sondern sie will vor allem weitergegeben werden. Offene Türen laden ein, die eigenen Türen zu öffnen. Wenn wir auch wissen, dass selbst einschneidende Geschehnisse nicht verhindern, dass wir in alte Muster zurückfallen, dass wir immer in der Gefährdung leben, uns Gott, dem Nächsten und dem Guten zu verschließen, so bleibt doch die im Inneren gemachte Erfahrung.

Dies mag ein kleines Zeichen unterstreichen. In Goethes Faust lesen wir, dass Mephisto einen Raum auf dem Weg verlassen muss, auf dem er hineingelangt ist. Als ich durch die Heilige Pforte ging, kam mir gedankenverloren ein Pilger entgegen. Doch ehe er die Schwelle erreichte, erschien ein Helfer, der bedeutete, dass der Ausgang anderswo sei. Durch die Heilige Pforte tritt man ein, aber nicht wieder heraus. Ein schöner alter Brauch! Vielleicht zeigt er uns, dass wir uns wieder von Gott entfernen können, aber ihn letztlich nie ganz verlieren. Weil seine Liebe bis ins äußerste Außen mit uns geht.

(RP)
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