Mönchengladbach Schwerelos

Mönchengladbach · Robert North hat mit "Rhapsodie und Rumba" einen poetischen, auch aufwühlenden Ballettabend geschaffen, der dem Herzen wahrlich guttut. Und André Parfenov spielt Franz Liszt mit Leib und Seele - und ohne sich die Finger zu brechen.

 Foto: Matthias Stutte

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Es kann passieren, dass der Verstand sich verabschiedet, dass allein noch die Seele Anteil nimmt an dem Geschehen auf der Bühne. Und dann ist es durchaus möglich, dass die Fantasie Visionen erzeugt und Bilder erfindet. Etwa, wenn die Tänzerinnen im Ballett "Rhapsody und Rumba" sich scheinbar in farbschillernde, duftig-zarte Blütenblätter verwandeln, die vor dunklem Hintergrund verweht und von imaginären Winden in die Lüfte gehoben werden, um sanft wieder herabzuschweben. Schwerelos - das ist das richtige Wort dafür. Zu keiner Zeit lassen die Tänzerinnen und Tänzer die Anstrengung erkennen, die zweifelsohne nötig ist für das, was sie so perfekt tun.

Sportliche Höchstleistungen muss auch André Parfenov im ersten Teil des Ballettabends bringen. Die fordert die Musik von Franz Liszt dem Pianisten ab. Hans Christian Andersen hat über den großen Komponisten gesagt: "Er schien an das Instrument genagelt, aus dem die Töne strömten, sie kamen aus seinem Blut, aus seinen Gedanken; er war ein Dämon, der seine Seele freispielen musste." Auf die Frage, wie er es schaffe, den schwierigen Liszt so perfekt zu spielen, ohne sich die Finger zu brechen, hat Parfenov geantwortet: "Der Schlüssel zum Erfolg sind die von Liszt selbst angewandten und überlieferten Übungstechniken, die man konsequent und mit Ausdauer trainieren muss. Dazu gehören Tonleitern in allen Tonarten, Terzen und Sexten, um die schwierigen Doppelgriffe zu üben, Oktaven und Akkorde sowie Arpeggien. Diese Bereiche muss man täglich beim Üben kultivieren, man muss das System verstehen lernen." André Parfenov hat es verstanden. Er ist Liszt, wenn er Liszt spielt. Überwältigend!

Der dreiteilige Ballettabend ist voller Überraschungen und von angenehmster Abwechslung geprägt. Die romantische Musik von Franz Liszt veranlasst die Tänzer, kleine Geschichten zu "erzählen". Wie die von dem Paar, das der Klaviermusik zunächst gelangweilt lauscht, wie es die beiden dann nicht mehr auf ihren Stühlen hält, wie sie zueinander finden, um am Ende wieder auseinanderzugehen. Das ist poetisch, das weckt große Emotionen.

Aufwühlend, voller Temperament und Komik ist der zweite Teil des Abends, der den Titel "Boom Boom" trägt. Nach der Musik von John Lee Hooker, B.B. King, Sonny Boy Williamson, Big Maceo, Albert Ammons, Pete Johnson, The Persuasions und Little Walter wird das Geschehen auf der Bühne ausgesprochen lebhaft. Zwischenmenschliche Beziehungen, die ewige Jagd nach dem Abenteuer (oder der einen großen Liebe), Hass, Eifersucht, sogar Mord haben da ihren Platz.

Flamenco mit Jazz-Elementen, rasende Rhythmen und rasante Tänze, von Robert North raffiniert choreographiert, prägen den letzten Teil des Abends. Und da sind sie dann - die farbschillernden, duftig-zarten Blütenblätter, die vor dunklem Hintergrund verweht und von imaginären Winden in die Lüfte gehoben werden, um sanft wieder herabzuschweben.

(RP)
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