Eröffnung in Mönchengladbach Endlich eine Adresse für queere Menschen

Mönchengladbach · Der Andrang bei der Feier an der Wallstraße war groß. Viele queere Menschen nutzten die Gelegenheit zum Austausch untereinander, andere suchten Orientierung. Wie die Eröffnung war und was die Besucher zu sagen hatten.

 Das queere Zentrum liegt an der Wallstraße. Bei der Eröffnung war dort teilweise kein Durchkommen.

Das queere Zentrum liegt an der Wallstraße. Bei der Eröffnung war dort teilweise kein Durchkommen.

Foto: Dieter Mai

Bunt, fröhlich und – endlich – unübersehbar: Mönchengladbach hat seit diesem Wochenende ein erstes queeres Zentrum. Zur Eröffnung der Lokalität vom Verein „Queers an der Niers“ strömten zahlreiche Besucher an die Wallstraße 3. Zeitweise war dort kein Durchkommen mehr.

Mit so viel Zuspruch hatten wohl selbst die Organisatorinnen vom Verein LesLie nicht gerechnet. Neben Aktivisten der queeren Sache waren auch Vertreter aller demokratischen Parteien, Oberbürgermeister Felix Heinrichs sowie zahlreiche Gladbacher gekommen. Alle feierten gemeinsam, bei Sekt und Häppchen wurde eifrig „genetzwerkt“.

 Paul Breuer, zweiter Vorsitzender vom Verein CSD MG, und Heike Kivelitz vom Verein „Queers an der Niers“ sprachen bei der Eröffnungsfeier.

Paul Breuer, zweiter Vorsitzender vom Verein CSD MG, und Heike Kivelitz vom Verein „Queers an der Niers“ sprachen bei der Eröffnungsfeier.

Foto: Dieter Mai

Zu den Besuchern gehörte eine 19-Jährige, die ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen mag. Freimütig bekennt sie aber im Gespräch mit unserer Redaktion: „Ich befinde mich noch in der Orientierungsphase, bin mir noch nicht sicher, zu welchem Geschlecht ich mich mehr hingezogen fühle.“ Sie wolle mit ihrem Besuch erspüren, wie dazugehörig sie sich im Kreise lesbischer Aktivistinnen fühle. Abschließend stellt sie fröhlich lachend fest: „Vielleicht muss ich mich ja auch gar nicht festlegen.“

Der Begriff „queer“ ist eine Sammelbezeichnung für nicht-heterosexuelle Menschen beziehungsweise Menschen, die sich nicht mit dem traditionellen Rollenbild von Mann und Frau oder anderen gesellschaftlichen Normen rund um Geschlecht und Sexualität identifizieren. Viele, aber nicht alle dieser Menschen bezeichnen sich selbst als „queer“.

„Schreiben Sie ruhig ‚Sandkastenlesbe‘“, sagt Helga Gölitz (73). Für sie war „immer schon“ klar, dass sie Frauen liebt. Lebhaft und eloquent berichtet sie, wie sie Anfang der 1970er-Jahre einfach mit ihrer Freundin in Berlin eine gemeinsame Wohnung bezogen habe. „Das war für uns völlig natürlich. Wir hatten damals andere Probleme als unsere sexuellen Präferenzen zu hinterfragen.“ Heute freut sie sich über gesellschaftliche Errungenschaften wie die Ehe für alle. Sie engagiert sich bei den „Lesben gegen Rechts“, einem Netzwerk regionaler Gruppen ohne Vereinsstatus. Das sei notwendig, um aktuellen rechtspopulistischen Entwicklungen entgegenzuwirken, sagt sie. Kräfte wie die AfD versuchten derzeit, das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Kämpferisch sagt Helga Gölitz: „Zurück ist keine Option!“

Ini Janßen vom Verein LesLie erinnert sich: „Wir haben schon vor 20 Jahren versucht, ein Zentrum für die lesbische und schwule Community hier in Mönchengladbach zu gründen. In mehreren Anläufen sind wir damit gescheitert. Erst als wir uns mit unseren Freundinnen und Freunden vom Verein Christopher-Street-Day und der schwul-lesbischen Karnevalsgesellschaft ‚De Leckere Jecke‘ zusammengetan haben, gingen bei der Stadt für uns die Türen auf.“

In seinem Rollstuhl mit Radkappen in Regenbogenfarben fällt Peter Hölscher selbst in diesem bunten Treiben besonders auf: „Alt, schwul und Rollstuhlfahrer – damit bin ich gleich dreifach stigmatisiert“, sagt Hölscher. Er ist Mitglied im Vorstand des Queeren Netzwerks NRW sowie des Vereins Queer Handicap und sitzt als sachkundiger Bürger im Gleichstellungsausschuss der Stadt Düsseldorf. Eben hat er, wie eine Reihe weiterer Aktivisten zuvor, ein Grußwort gesprochen. Im Gespräch beschreibt er plastisch und mit einem verschmitzten Augenzwinkern die besonderen Herausforderungen als schwuler Aktivist mit körperlicher Beeinträchtigung: „Gehen Sie mal als Rollifahrer in eine schwule Szenebar.“

Als zur Mittagszeit Felix Heinrichs seine Aufwartung in Mönchengladbachs neuem queeren Treffpunkt macht, ist er sichtlich begeistert vom lebhaften Treiben und verlegt seine kurze Begrüßungsansprache spontan nach draußen. Unter großem Applaus spricht er allen Anwesenden aus der Seele: „Das ist ein Freudentag für Gladbach!“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort