Abschluss des Festivals in Mönchengladbach So war die Ensemblia

Mönchengladbach · Am Wochenende ging das Kulturfestival zu Ende. Drei Autoren widmen sich in Kurzkritiken drei Höhepunkten: einer besonderen Lesung von Anja Kampmann, einem musikalischen Abend mit Alphörnern und Miniatur-Konzerten der Musikschule im Schlosspark.

 Anja Kampmann und Sophia Scheifler bei der Veranstaltung „Rauhe Linien - Worte u. Kontrabass“

Anja Kampmann und Sophia Scheifler bei der Veranstaltung „Rauhe Linien - Worte u. Kontrabass“

Foto: bauch, jana (jaba)

Zum ersten Mal in seiner über 40-jährigen Geschichte war das Festival diesmal zu Gast in Wickrath und Umfeld. Drei Kurzkritiken zum Abschluss der Ensemblia:

„Rauhe Linien“ - Anja Kampmann und Sophia Scheifler im Bunker Güdderath Es ist kalt und feucht im Bunker Güdderath, Bernhard Petz‘ Galgen-Rindertorso erbricht neuerdings schwarze Film- und DVD-Bänder. Und Anja Kampmanns Gedichten ist das Heimelige ebenfalls unvertraut, gewichen einem kühlen, dabei durchaus empathischen Blick auf eine Welt, wie sie besser so nicht sein sollte. Vielleicht. Denn sie ist, wie sie ist. Und die Bilder, die die in Leipzig lebende Autorin in rhythmisch-melodiöse Beziehungen setzt, rühren durchaus an. Indem sie über sich hinausweisen, Assoziationsräume öffnen, die unser aller Existenz betreffen. Die Ensemblia, einst überregional für aktuelle Musik im spartenübergreifenden Kontext berühmt und inzwischen im südsüdwestlichen Niemandsland der Stadt angekommen, gewinnt immerhin mit dem Bunker und dem Förderverein der Stadtbibliothek profilierte Partner für eine Autorenlesung, die zugleich Musikperformance ist.

Denn Anja Kampmann, die ihren ausgezeichneten Roman „Wie hoch die Wasser steigen“ schon 2018 in Gladbach las, hat zur Vorstellung des aktuellen Gedichtbandes „Der Hund ist immer hungrig“ die Kontrabassistin Sophia Scheifler mitgebracht. Die improvisiert mit Barockbogen und auf Darmsaiten eine Art Soundtrack zur Szenerie, den die Autorin in fröstelnd-echauffiertem, skrupulös-ironischem Ton aufnimmt, sich in den Puls der Musik wiegt und ihre Texte eine in fast theatrale Diktion kleidet. Kampmann und Scheifler sind Vertraute dieser Kunstform, ihre Harmonie geht unter die Haut. Die Texte spiegeln geklonte Polopferde, den Schachcomputer Deep Blue, Chinesen auf dem Mond und immer wieder Menschen – im Dunst industrieller Ödnis. Ein Liebesgedicht verwirbelt sich in literarische Formen und jazzigem Groove. Heiß.
„Was geht Alp“ - Trio Alpcologne in der Alten Schule Wanlo Musikalisch sind Victoria Riccio, US-Sängerin mit italienischen Wurzeln, und die Alphornbläser ebasa Pallada und Martin Thüringer irre kreativ. Vielleicht auch aus Not: Denn ihre meisterlich beherrschten, bis zu vier Meter langen Instrumente, die sonst von Sennern im Hochgebirge angestimmt werden, verfügen über einen arg begrenzten Tonvorrat. Dies machen Pallada und Thüringer mit zweierlei Maßnahmen wett: Sie haben sich zu wahren Virtuosen am Alphorn entwickelt. Und konnten mit pfiffigen, kreativen Ideen ein stilistisch vielseitiges Repertoire aufbauen, das anzuhören großen Spaß bringt.

 Das Trio Alpcologne mit Alphörnmusik und der Sängerin Victoria Riccio

Das Trio Alpcologne mit Alphörnmusik und der Sängerin Victoria Riccio

Foto: Neomania Design

So am Samstag auf dem Hof der Alten Schule Wanlo, den der junge, ebenfalls hochkreative Verein Dorf Campus Wanlo als Kooperationspartner der Ensemblia zur Verfügung stellte. Gediegen und solide der Auftakt, bei dem die rund 30 Zuschauenden Thüringer und Pallada im Duett mit „Das Echo von Wanlo“ vernahmen. Doch schon der folgende Alphorn-Tango zeigte, dass der für die Basslage zuständige Neuzugang des Kölner Trios Alpcologne, Martin Thüringer, und sein erfahrener Kollege, der mit brillanten Kabinettstückchen glänzende Pallada, unterschiedlichste Stilrichtungen drauf haben. Zwei Tausendsassas mit fesselnder Unterhaltungsgabe! Und dann war sie zur Stelle, Victoria Riccio, die den riesigen Holzröhren die eigene Stimmröhre zur Seite stellte. Mal folkloresanft, mal durch Tonranken girrend, mit markantem Rock-Biss oder mit einer famosen Version des Cajun-Songs „Jambalaya“ – die seit 33 Jahren in Köln lebende Riccio war das stärkste Pfund von Alpcologne. Besonders gefiel ihre schräge Version von „La Paloma“. Allein die unruhige Performance mit Kazoo und Megafon bei der Parodie von Nancy Sinatras „These Boots are made for Walking“ geriet ästhetisch ins Abseits.


„Musikalische Schlosspark-Miniaturen“ - Konzerte der Musikschule  Ungewöhnliche Orte, an denen Unvorhergesehenes passiert – auch dafür steht die Ensemblia. So bei den „Musikalischen Schlosspark Miniaturen“: Als das Querflöten-Quartett „Klatschmohn“ in wunderschön fließendem Rhythmus Smetanas „Die Moldau“ spielt, fangen auch die Vögel im Schlosspark Wickrath lautstark an zu zwitschern. Nach dem letzten Stück des Ensembles schweigen sie schlagartig. Eigentlich sollten Spaziergänger am Samstagabend durch den Schlosspark flanieren und an verschiedenen Stationen auf Ensembles der Musikschule treffen. Doch das Ordnungsamt fand das zu gefährlich, daher wurde das Programm auf eine große Bühne verlegt. Das Ambiente ist trotzdem traumhaft: lauer Sommerabend, romantische Schlosskulisse und blühende, duftende Natur. Angesichts der langen Proben- und Konzertpause wirken die Gruppen erstaunlich gut eingespielt.

 Im Schlosspark traten Musikschüler bei kleinen Konzerten mit Streichquartett, Akkordeon oder Gesangsensemble auf.

Im Schlosspark traten Musikschüler bei kleinen Konzerten mit Streichquartett, Akkordeon oder Gesangsensemble auf.

Foto: Ilgner,Detlef (ilg)/Ilgner Detlef (ilg)

Das Akkordeon-Ensemble macht virtuos Gute-Laune-Musik. Durch seine lebendigen Bewegungen tanzt Felix Elsenbruch dem technisch fitten Percussionensemble „treffsicher“ den Rhythmus vor. Bläserquartett und Brass-Ensemble klingen passend zum Schloss königlich-erhaben bis beschwingt. Das Vokalensemble bringt ruhige, romantische Klänge ein. Humorvoll-entspannt moderiert wird der Abend von Musikschulleiter Christian Malescov. Kulturdezernent Gert Fischer ist mit modisch-coolem Käppi auf dem Kopf ein Hingucker. Sein knackiges Fazit: „Toll!“ Also alles sehr gelungen – nur leider scheinen auch Mücken und piksende Käfer die Musik zu lieben. Statt Desinfektionsmittel, das auf Stehtischen bereitsteht, hätte man sich Anti-Brumm oder Autan zum Einsprühen gewünscht. 

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