Ein-Frau-Musical in Mönchengladbach „Lola Blau“ mit melancholischem Humor und Biss

Mönchengladbach · Das Mönchengladbacher Theater zeigte Kreislers Musical in einer halbszenischen Kurzfassung. Gabriela Kuhn bewegte in der Rolle der singenden Schauspielerin. Pianist Karsten Seefing überzeugte als einfühlsamer Begleiter.

 Gabriele Kuhn interpretiert die Lola ganz im Sinne von Georg Kreisler.

Gabriele Kuhn interpretiert die Lola ganz im Sinne von Georg Kreisler.

Foto: Matthias Stutte

Klein, fast ein wenig verloren wirkt Gabriela Kuhn im ersten Moment auf der großen Bühne des Theaters. Doch die Darstellerin der Lola Blau hat Power, gepaart mit Einfühlungsvermögen. Die Sopranistin füllt den betont spärlich ausgestatteten Raum mit der Lebensgeschichte einer jüdischen Künstlerin, die ihre österreichische Heimat 1938 verlassen muss.

In Helena Jacksons szenischer Einrichtung zu Georg Kreislers Musical „Heute Abend: Lola Blau“ entfaltet Kuhn mit wandlungsreicher Gesangsstimme und im wechselvollen Spiel berührende Momente von Traurigkeit, melancholischen Humor und bissigen Sarkasmus. Karsten Seefing ist ihr ein kongenialer Partner am Flügel – fast bis zum letzten Ton. Am Ende aber steht der Pianist auf und verlässt still sein Instrument. Zurück bleibt die Sängerin, im Lied ausschließlich auf sich selbst zurückgeworfen und allein auf großer Bühne. Unbegleitet lässt Kuhn in berührender Intensität die abschließenden Takte sanft resignierend verhallen.  Das Publikum dankt mit langem Applaus, die meisten stehend in Anerkennung der Leistung in der Umsetzung von Georg Kreislers Musical für eine Darstellerin.

Nach dem Wiedereinstieg ins analoge Theaterleben sind deutlich mehr Besucher gekommen als noch vor einer Woche. Auch dieses Mal haben die Zuschauer das Theater mit Masken betreten und sitzen mit Ausnahme der Angehörigen eines Hausstands auf Abstand. Später, beim Heimweg danken die meisten den Theatermitarbeitern für die umsichtige Begleitung vor und nach dem Bühnenstück.

Auf 65 Minuten komprimiert, kommt die halbszenische Kurzfassung ohne Pause aus. Der österreichische Autor und Komponist Georg Kreisler ließ in das „Ein-Frau-Musical“ autobiografische Züge einfließen. Wie die von ihm erschaffende Bühnenfigur Lola Blau flüchtete auch Kreisler während der nationalsozialistischen Diktatur in die USA. Die meisten Lieder des Musicals sind vertraut, wie etwa „Ich bin ja nur die Frau Schmidt“, „Sie ist ein herrliches Weib“ und „Im Theater ist nichts los“. Gabriela Kuhn trifft den bissigen, hintergründigen Humor auf den Punkt. Sie gibt sich keck, sie ist wandlungsfähig. Sie balanciert mit einer Mischung von Sprache und Gesang, die sie anmutig fließenden Melodiebögen gegenüberstellt. Im nahezu halsbrecherischen Monolog des sarkastischen Theaterliedes variiert sie das in Grundzügen gleiche Liedthema temperamentvoll und wandlungsreich mit mondänen, glamourösen, berlinerisch frechen und schmachtenden Zügen. Zu Liedern voller Traurigkeit und nachdenklicher Betrachtung lässt sie ihre Stimme zerbrechlich weich schwingen.

Zum Swing symbolisieren Seefing und Kuhn Lolas Gastspiel in der Unterhaltungsbranche der USA. Geräusche aus dem Off deuten Szenen- und Situationswechsel an, wie das Dröhnen von Flugzeugen, das Knistern eines alten Radios. Immer wieder dringt Kreislers Österreich-Bild durch. Der Pianist bindet den Dreivierteltakt des Wiener Walzers ein, ebenso die Melodie von blühenden Rosen im Prater. Leicht anmutende Mozart-Musik wird in diesem Szenarium über den darüber gelegten Text zum Menetekel einer Verdrängungskultur in der Nachkriegszeit.

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