Konzert in Mönchengladbach Beethoven im Schinkel-Sound

Mönchengladbach · Das Marcus Schinkel Trio setzte mit seinem Programm „Crossover Beethoven“ im Kamillus Kolumbarium ganz eigene Akzente. Selbst große Symphonien des Komponisten funktionieren auch als Jazz-Improvisationen.

 Pianist Marcus Schinkel, Bassist und Gitarrist Lucien Matheeuwsen und Schlagzeuger André Spajic bei „Jazz in der Kirche“.

Pianist Marcus Schinkel, Bassist und Gitarrist Lucien Matheeuwsen und Schlagzeuger André Spajic bei „Jazz in der Kirche“.

Foto: Jürgen Körting

Im Jahr 1999, als der Umzug der Ministerien und Bundesbehörden von Bonn nach Berlin begann, konzipierte der Pianist Marcus Schinkel sein Programm „Crossover Beethoven“, das  – als Veranstaltung von „Jazz in der Kirche“( in Verantwortung des neu gegründeten Jazzclubs) – die Zuhörer im dezent illuminierten St. Kamillus Kolumbarium faszinierte. Schinkel, der sowohl im klassischen als auch im Jazzbereich ausgebildet ist und über stupende pianistische Fähigkeiten verfügt, legte seinen Vorträgen originale Beethoven-Werke zugrunde, improvisierte darüber oder verfremdete sie mit einem innovativen Sound zwischen Konzertflügel und Synthesizer. Mit von der Partie waren der niederländische Kontrabassist Lucien Matheeuwsen, der außerdem die E-Gitarre meisterlich beherrscht, und – zum allerersten Mal dabei und nur kurz vor dem Konzert eingewiesen – der großartige Mönchengladbacher Schlagzeuger André Spajic.

Die Beethoven-Vorlage des ersten Vortrags war der g-Moll Klaviersonate op.49 entnommen, und schon hier erlebten die offenbar sachkundigen Zuhörer ein Trio, das sich blind verstand, bestens harmonierte und sich mit fesselnder Musizierlust die musikalischen Bälle zuwarf. Dreh- und Angelpunkt war stets der nach eigenen Worten sich immer zwischen Klassik, Jazz und Rock bewegende Marcus Schinkel, der nicht nur brillant Klavier spielte, sondern auf dem in Höhe des Flügel-Notenpultes positionierten Synthesizer zusätzlich klangliche Raffinesse zauberte.

Das beliebte Beethoven-Klavierstück „Die Wuth über den verlorenen Groschen“ hatte das Trio in „Die Wut über den verlorenen Euro“ umbenannt und entsprechend musikalisch modifiziert. Es durfte sogar einmal – so erzählte es Schinkel in seiner anregenden Moderation – während der Finanzkrise beim Konzert in einem vom Bankencrash gebeutelten Geldinstitut gespielt werden. Aus der berühmten Sonate „Pathetique“ erklangen im Schinkel-Sound die „Ballade“ und das „Rondo“, wobei der Pianist über Letzteres solistisch improvisierte. „Das ist jedes Mal anders, ich weiß jetzt noch nicht, was mir gleich einfällt“, meinte er vielversprechend. Beachtliches fiel ihm dann ein.

Ein Höhepunkt des Abends war die  virtuose Behandlung (im Stil von George Gershwin) des Schluss-Satzes von Beethovens Symphonie Nr. 4 – hier vor allem zeigte sich, dass Schinkel klassisch ausgebildet ist. „Mit Ludwig van in Halong“ ist der Titel einer Eigenkomposition, die der Trio-Chef in Vietnam kreierte. Lucien Matheeuwsen mit der E-Gitarre und André Spajic konnten hier in meisterlichen Soli glänzen.

Mit der phantasievoll durch die Tonarten gejagten „Ode an die Freude“ aus dem letzten Satz von Beethovens Neunter Symphonie beschworen die Gäste zum Abschluss den Frieden und die Verbrüderung aller Menschen.

Ausdauernd applaudierte das Auditorium – es wurde belohnt mit dem ein wenig augenzwinkernd verjazzten „Albumblatt für Elise“, mit dem wohl jeder Klavierschüler irgendwann einmal Bekanntschaft gemacht hat.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort