Neues Buch von Burkhard Spinnen Zwölf Essays zur neuen Heimatkunde

Mönchengladbach · Das neue Buch des Mönchengladbachers Burkhard Spinnen ist ein lesenswerter Beitrag zur Heimat in der Stadt, findet unser Gastautor.

 Autor Burkhard Spinnen beschäftigt sich in seinem Band „Neue Heimatkunde“ mit Architektur und dem Heimatbegriff.

Autor Burkhard Spinnen beschäftigt sich in seinem Band „Neue Heimatkunde“ mit Architektur und dem Heimatbegriff.

Foto: Ilgner Detlef (ilg)/Ilgner,Detlef (ilg)

Heimat ist in der Diskussion. Sogar Ministerien für Heimat wurden geschaffen. Doch niemand scheint in der Lage, genau sagen zu können, was denn Heimat genau meint. Eines dürfte aber klar sein: Wir brauchen ein neues Verständnis von Heimat. Es ist an der Zeit für einen neuen modernen, oder gar postmodernen, Begriff der Heimat, „der sich erst jetzt von seiner braunen Infektion zu erholen beginnt“ (Burkhard Spinnen).

Der in Mönchengladbach geborene Burkhard Spinnen unternimmt mit seinem neuen, gerade erschienenen Buch „Neue Heimatkunde“ zumindest ansatzweise hierzu einen lesenswerten essayistischen Versuch. Nicht nur für Mönchengladbach ist dies in mehrfacher Weise von aufklärerischem Interesse. In seinen zwölf Aufsätzen geht er auch direkt, aber meist indirekt auf die gegenwärtigen architektonischen beziehungsweise stadtplanerischen aber auch aktuellen sozialen und politischen Problemstellungen der Gesellschaft ein. Immer geht es um die Synthese von Architektur, Leben und Wohnen. Nur allzu deutlich wird, dass all dies nicht zu trennen ist, auch wenn es immer wieder versucht wird. Die wirtschaftliche Monogamie allein läuft nicht erst seit Mitscherlichs Klassiker „Die Unwirtlichkeit unserer Städte“ von 1965 ins Leere. Immer wieder ist für Spinnen Ausgangspunkt seine „extrem übersteigerte Reizbarkeit durch Architektur“.

Anschaulich vermittelt Spinnen im ersten Beitrag an verschieden historischen Stationen, dass Heimat ein dynamischer und sich stetig durch die geschichtlichen Umstände wandelnder Begriff ist. Wer Fremde und fremdsein nicht kennt, braucht keinen Begriff Heimat. Hier liegt die Quelle der augenblicklichen Begriffs-Konjunktur. Und wer sich mit aller Gewalt abgrenzen muss, stilisiert Heimat zur glückselig machenden Gartenzwergidylle.

In seinem bekannten, nun aktualisierten und erweiterten, Aufsatz über die Mönchengladbacher Hindenburgstraße stellt er nicht nur den geschichtlichen Abriss dieser Straße dar, sondern auch die individuelle emotionale Bezogenheit von Mensch (Spinnen) und gebauter Umwelt. In der Vergangenheit hat Stadtplanung hierauf wenig Bezug genommen. Das Ergebnis ist bekannt.

In weiteren Aufsätzen fügen sich Thematiken hinzu wie: Leben im Denkmal, Geisterstädte, Gentrifizierungsprozesse, Ruinenwerttheorie, Bedeutung von Grund und Boden, Wohnbauten als Technikmonster, Normalität im Zeitalter der Individualität oder nur die Liebe zu „alter“ Architektur. Immer geht es darum, dass „Bauen und Wohnen mehr sein sollten als Akte der Produktion und des Konsums“ (Spinnen).

Und nebenbei wird anschaulich vermittelt, dass nicht nur für alle zukünftigen baulichen Projekte die hergebrachte demokratische Legitimierung allein nicht mehr ausreicht. Bürger wollen überzeugt und mitgenommen werden und nicht vor vollendete politische Tatsachen gestellt werden. Vielleicht liegt darin die Schaffung neuer Identitäten und vor allem einer neuen zukunftweisenden Heimatverbundenheit beziehungsweise Heimatkunde durch das originär selbst Gestaltete, das politisch nicht instrumentalisierbar ist.

Ein insgesamt äußerst lesenswertes Buch, nicht nur für Architekten, Stadtplaner und Häuslebauer.

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