„Hamlet“-Oper im Theater Mönchengladbach Blut im Pelz

Mönchengladbach · Die Premiere von Ambroise Thomas’ „Hamlet“-Oper im Theater offenbart die hohe Qualität des Musiktheater-Ensembles. Trotz einiger Längen entfaltete sich ein Theaterzauber. Es gab am Ende Beifall. Leider blieben zahlreiche Plätze leer.

 Detailgenau und über viele Passagen mitreißend inszeniert Helen Malkowsky das weitgehend unbekannte Stück aus der Mitte des 19. Jahrhunderts.

Detailgenau und über viele Passagen mitreißend inszeniert Helen Malkowsky das weitgehend unbekannte Stück aus der Mitte des 19. Jahrhunderts.

Foto: Theater Mönchengladbach/Matthias Stutte

Es ist zum Verzweifeln. Ja, auch, dass die Welt so schlecht ist, wie sie Shakespeare in seinem „Hamlet“ zeichnet. Aber auch, dass bei der Premiere der Opern-Adaption des berühmten Stoffs von Ambroise Thomas ganze Reihen im Parkett leer bleiben. Das muss man wohl Desinteresse seitens des (abwesenden) Publikums nennen. Oder stirbt in Mönchengladbach die Lust auf Unbekanntes, eventuell Anstrengendes in puncto Kultur aus?

Dabei ist diese „Hamlet“-Oper und gerade diese Inszenierung keineswegs zum Verzweifeln. Im Gegenteil. So detailgenau und über viele Passagen mitreißend wie Helen Malkowsky das weitgehend unbekannte Stück des weitgehend unbekannten Pariser Komponisten aus der Mitte des 19. Jahrhunderts inszeniert, so sehr lohnte sich ein Kennenlernen im Opernhaus an der Odenkirchener Straße. Die Regisseurin, die nach ihrer Sicht auf „Mazeppa“, „Stiffelio“ und „Katja Kabanowa“ im Kreis der Musiktheater-Begeisterten viele Fans gewinnen konnte, schaut wieder ganz genau hin bei diesem „Hamlet“. Und findet eine einleuchtende Lösung für ihren Ansatz, dass ja schließlich der Geist des ermordeten Königs, Hamlets Vater, die treibende Kraft im Shakespeare-Drama ist. Und damit auch in der weichgespülten Bühnenadaption, die Thomas’ Librettisten als Vorlage diente.

So hüpft unterm mit Hermelin besetzten Königsmantel, den sich der Mörder Claudius im ersten Akt umhängt, ein halbnackter Hofnarr mit roter Kappe hervor. Der wird von Andrew Nolen fast artistisch gespielt, erweist sich aber schon bald als Alter Ego des toten Königs, der im „Hamlet“ ja nur als Geist auftritt, hier als „Stimme“. Eine der ersten Handlungen des Narren ist es, in die Tasche des prächtigen Mantels zu fassen – und seine blutverschmierte Hand herauszuziehen.

Es wird viel mit den Möglichkeiten des Theaters gespielt, die Phantasie und das Denkzentrum der Zuschauer angeregt. Da darf das Parkett der Bühne auch mal senkrecht stehen, da reicht eine Bewegung der degenlosen Hand, damit zwei Meter entfernt jemand erstochen umfällt. Bühnenbildner Herrmann Feuchter ist viel Einleuchtendes eingefallen. Vor allem aber spielen und singen die Solisten, auch der mit viel Gold und Pluderhosen ausgestattete Chor, famos. Neben Sophie Witte, die die riesige Ophélie-Partie meistert, und ihrem Gegenpart aus dem Baritonfach, Rafael Buck als Hamlet, überzeugen Eva Maria Günschmann und Matthias Wippich als diabolisches König-Mörder-Paar Gertrude/Claudius. In den kleinen Partien beweisen Hayk Dèinyan (Polonius), Kairschan Scholdybajew (Marcellus), David Esteban (Laertes) und Gereon Grundmann (Horatio), dass das Musiktheaterensemble ausgewogen gut besetzt ist.

Im Graben waltet GMD Mihkel Kütson mit zu mancherlei bezaubernden Farben aufgelegten Niederrheinischen Sinfonikern, die trotz ihrer Klangpracht nie die Sänger in Schwierigkeiten bringen. So kann sich ein Theaterzauber entfalten, der trotz einiger Längen nachhaltig anregend wirkt.

(ark)
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