Sommermusik Schloss Rheydt Herbert Knebel außer Rand und Band

Mönchengladbach · Ihr Wohnzimmer hatten sie mitgebracht – mit Sesselchen, spitzengeklöppelter Tischdecke und Omma-Stehlampe. In diesem Ambiente spielte sich das fast zügellose Affentheater ab, das die vielen Fans sich genauso gewünscht hatten.

Herbert Knebel sang und tanzte nicht nur. Er machte auch gewagte Sachen. So ließ er das Mikrofon wie ein Lasso kreisen. Kompliment, der Mann traut sich was!

Herbert Knebel sang und tanzte nicht nur. Er machte auch gewagte Sachen. So ließ er das Mikrofon wie ein Lasso kreisen. Kompliment, der Mann traut sich was!

Foto: Bauch, Jana (jaba)

Der Häberrt hat ganz schön Glück gehabt. Wäre er einen Tag früher aufgetreten, als die unsägliche Schwüle einen schier um den Verstand brachte, wäre er wahrscheinlich auf der Bühne umgekippt. Oder schlimmer noch: von der Bühne ’runtergeknallt. Am Donnerstagabend waren die Temperaturen moderat. Da war es dann Herbert Knebel, der das Publikum mit seiner Band um den Verstand sang, radebrechte und kalauerte. Und tanzte. Wenn man das so nennen darf. Sicher, ein beachtliches Rhythmusgefühl ist ihm nicht abzusprechen, aber sonst. Wie er mit dem Hinterteil wackelte, wie ein Ping-Pong-Ball hüpfte und irgendwie total unkoordinierte Schlenker mit seinen Armen vollführte, das war schon abenteuerlich.

Seine Stimme? Ja, aber hallo. Der Mann, der in Wirklichkeit Uwe Lyko heißt, kann tatsächlich richtig gut singen. Und Gitarre spielen. Seine Kumpels auf der Bühne – gemeinsam sind sie Herbert Knebels Affentheater – stehen ihm diesbezüglich in nichts nach. Ernst Pichl handhabt den Bass aufs feinste. Der herrlich proletenhaft auftretende Ozzy Ostermann spielt auch nicht erst seit gestern Gitarre. Und seine Stimme! Toll, toll, toll. Und dann der Schlagzeuger, genannt der Trainer. Er ist nur minimal beweglicher an seinem Instrument als Charly Watts bei den Stones. Aber als Bongo-Spieler blüht er regelrecht auf. Da wird er zum King of the Bongo.

Von der ersten Minute an war die verrückte Truppe um Herbert Knebel außer Rand und Band (so heißt auch die neue CD). Und das Publikum gern auch. Die Band begeisterte mit ziemlich abgedrehten deutschen „Übersetzungen“ weltberühmter Hits von namhaften Interpreten. Schlag auf Schlag ging das so. Zu „Let’s Dance“ (David Bowie) legte Knebel die gewagtesten Tanzschritte hin. „My Generation“ (The Who) – klar, da ging’s ums Älterwerden. Als Bußgeld-Opfer flehten die vier vom Affentheater Politessen und Richter an, Milde walten zu lassen. Sie seien ja schließlich auch nur Steine in der Mauer. Erkannt? Klar: Da stand „Another Brick in the Wall“ von Pink Floyd Pate.

Und zwischendurch wurde geplaudert. In herrlichem Ruhrpott-Slang und im wunderbar bieder-verstaubten Wohnzimmer-Ambiente mit Häkel-Tischdeckchen, behussten Sesseln und mit Omma-Stehlampe. Das zunehmende Alter war auch Thema. Immerhin ist Herbert Knebel inzwischen jenseits der 60, seine Mitstreiter auf der Bühne wahrscheinlich nicht minder. Der Vergleich zwischen dem Saugroboter Erwin und Knebels Ehegattin Guste war zweifellos frauenfeindlich, aber irgendwie auch saukomisch. Und immerhin blieb die liebe Guste so etwas wie die Siegerin im Staubsauger-Wettbewerb.

Das Publikum hatte einen Heidenspaß. Die Fans wedelten mit ihren Leuchtstäben, und viele konnten absolut textsicher mitsingen. Viele waren aus dem Pott angereist, wie der Blick auf die Kennzeichen der geparkten Autos zeigte. Knebel ist Kult, das ist sicher. Und da reist man auch gern mal mitten in der Woche hinterher, um sich tatsächlich köstlich zu amüsieren. Es ist herrlicher Klamauk, den die vier vom Affentheater verbreiten. Nach einem anstrengenden Arbeitstag kann genau diese Art von Humor dazu führen, dass man völlig entspannt in die Nacht geht.

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