Von 1968 und Beethoven Der „Lächelnde Ludwig“ – ganz im Blömer-Stil

Mönchengladbach · Rüdiger Blömer ist ein musikalischer Universal-Künstler. Derzeit komponiert der 59-Jährige für das Jugendsinfonieorchester.

 Rüdiger Blömers Musik lebt vom Zusammenprall verschiedener Stile.

Rüdiger Blömers Musik lebt vom Zusammenprall verschiedener Stile.

Foto: Silke Schnettler/Rüdiger Blömer

So geht Komponieren, sagt Rüdiger Blömer: Erst summen die Töne in seinem Kopf. Dann beginnt die Arbeit, den Klang in die Zeit hinein zu gestalten. „Auf drei Sekunden Inspiration folgen drei Monate Transpiration.“ Blömers Musik ist extrem kraftvoll und kreativ, aber auch zwingend klar strukturiert.  Das sieht man zum Beispiel bei der „Wassermusik“ und der „ChaconniADE“, die er als Ensemblia-Projekte für das Jugendsinfonieorchester der Musikschule komponiert hat. Bei der Gladbacher Messe zu Ehren von St. Vitus. Oder bei dem Oratorium „Viderunt omnes fines terrae“ für die Niederrheinischen Symphoniker.

„Er ist ein musikalischer Homo Universale“, sagt Musikschulleiter Christian Malescov, der seit 30 Jahren mit Blömer zusammenarbeitet. Egal ob Barock, Romantik, Zwölftonmusik, Jazz, Pop, Rock oder Filmmusik: „Ich habe in meinem Leben keinen Musiker kennen gelernt, der so ein breites und gleichzeitig tiefes Wissen hat.“

Blömer stammt aus Windberg, heute lebt er in der Nähe von Aachen. Der 59-Jährige hat nicht nur Geige und Komposition studiert und war 16 Jahre Dozent für Musiktheorie an der Hochschule Aachen, sondern Blömer ist auch studierter Tontechniker.

Seine Musik lebt vom energievollen Zusammenprall der verschiedenen Stile. Sie ist keine warme Badewanne für das Publikum. Mal klingen seine Stücke sakral und apokalyptisch, mal wunderschön, dann wieder laut, roh und grell.  Nach fünf Takten weiß man: Das ist unverkennbar Blömer-Stil. Etwas Schönes leuchtet auf, aber es ist nie von Dauer. Lustvoll schlägt er mit dem Hammer zu. „Kunst hat die Pflicht zu verstören und uns im besten Falle zu verändern“, sagt er. Seine Frau ziehe ihn öfter auf, bei seinem Drang, die Menschen zu bewegen, wäre er besser Pfarrer geworden.

Wieviel Power der schmale, hochgewachsene Mann hat, merkt man ihm auf den ersten Blick nicht an. Er geht etwas gebeugt und meist in gemütlichem Tempo, tritt freundlich, aber zurückhaltend auf. Sein Blick ist offen, er reagiert extrem empfindlich auf Geräusche. Nach einem Unterrichtstag an der Musikschule sind seine zu einem Zopf gebundenen grauen Haare etwas strubbelig, er hat rote Wangen und erkennbar genug von den Reizen, die auf ihn eingeprasselt sind.

Wer Blömer eine Frage stellt, muss mit drei Gegenfragen rechnen, weil die Dinge für ihn komplexer sind. Wenn man sich dafür Zeit nimmt, hat man im Anschluss immer etwas gelernt. Seine Schüler im Musiktheorie-Unterricht lachen viel und mögen ihn sichtlich. Blömer, selbst Vater von zwei Söhnen, unterlegt alles, was er sagt, mit leisem Witz und starker Mimik. Er ist bekannt dafür, dass er jeden für die Hochschule fit macht. Aber das Wort „Theorie“ ist ihm ein Gräuel. Er lässt die Schüler Harmonien raten und Akkorde singen. Aber mehr noch lehrt er junge Menschen, Musik zu verstehen und zu hinterfragen.

„Er hat nichts einfach gefressen“, erinnert sich Blömers ehemalige Geigenprofessorin Eva Diller aus Mönchengladbach. Genau weiß sie noch, wie er sich gesträubt hat, im Unterricht aus seiner Sicht seichte Stücke zu spielen. Nur eines liege ihm nicht: Selbstmarketing. „Kämpfen macht mich aggressiv“, stellt Blömer in seiner gewohnt doppel- bis dreibödigen Art klar. Deshalb habe er zwar die große Karriere verpasst. Dafür macht er sein Ding, zusammen mit Menschen, mit denen für ihn die Chemie stimmt.

Begeistert erzählt er von dem neuen, von der Kritik sehr gelobten Album „1968“ seiner Progessive-Rockband „Flying Circus“, die schon seit 30 Jahren besteht. Am 27. März kommt das Album auch als Vinyl-Schallplatte heraus. Und er schwärmt von dem „Lächelnden Ludwig“, den er derzeit für das Jugendsinfonieorchester komponiert, einem lustvollen Spiel mit Beethovens Kompositions-Stil.

„Christian Malescov ist mein verlängerter Arm“, sagt er über den Dirigenten. „Er setzt genau das um, was ich meine.“ Dabei sind die Rollen klar verteilt: Malescov sagt: „Das wird!“ Blömers Aufgabe ist auch hier, „die Wenns und Abers zu liefern“.

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