Interview mit Clownin Antoschka „Lachen ist gut gegen die Angst“

Mönchengladbach · Die Clownin Antoschka erklärt, warum sie Corona-Witze mag und warum Humor gerade jetzt wichtig ist.

Können Sie über Corona-Witze lachen?

 Clownin Antoschka ist für ihre roten Strubbelhaare und Sommersprossen bekannt. Die Vorlage ist die sowjetische Trickfilmfigur Antoschka.

Clownin Antoschka ist für ihre roten Strubbelhaare und Sommersprossen bekannt. Die Vorlage ist die sowjetische Trickfilmfigur Antoschka.

Foto: Antoschka

Antoschka Oh ja, das kann ich. Es bedeutet, dass die Leute anfangen, Dinge anders zu sehen, die Perspektive zu wechseln, ein wenig von außen auf die Situation schauen – ein bisschen wie ein Clown. Ein wenig auf den eigenen inneren Clown achten, das hilft.

Haben Sie einen Lieblingswitz?

Antoschka Es ist ein Witz, der eigentlich von der Pest handelt, aber das kann man auf das Coronavirus übertragen. Der Witz geht so: Ein Pilger trifft die Pest auf seinem Weg. Und die Pest fragt den Pilger: Wohin gehst Du? Der Pilger nennt einen Wallfahrtsort und fragt zurück: Und wohin gehst Du? Die Pest antwortet: 5000 Leute abholen. Auf dem Rückweg treffen sich die beiden wieder, und der Pilger sagt: Du hast mir nicht die ganze Wahrheit gesagt. Du hast nicht 5000, sondern 50.000 Menschen abgeholt. Doch, antwortet die Pest. 5000 habe ich abgeholt, doch 45.000 sind vor Angst gestorben.

Darf man denn über Corona-Witze lachen?

Antoschka Ja, Humor ist gut gegen die Angst und die Depression. Wenn man alles traurig findet, wird man auch eher krank. Das Lachen, auch das innere Schmunzeln, macht einen gesünder. Das ist auch wissenschaftlich erwiesen. Und nicht nur eine Clowns-Philosophie.

Aber ist Humor nicht etwas sehr Subjektives?

Antoschka Ich arbeite fast 50 Jahre als Clown überall in der Welt. Natürlich hat jeder seinen eigenen Humor. Jede Kultur hat auch einen eigenen Humor. Trotzdem können die Menschen gemeinsam lachen und das befreit. Es ist eine Seelenmassage. Lachen oder Lächeln ist ein subjektives und gleichzeitig kollektives Erlebnis.

Brauchen wir vielleicht gerade jetzt den Humor, um die Situation zu verarbeiten?

Antoschka Ja, er hilft uns, nicht verrückt zu werden, sich nicht von der Angst beherrschen zu lassen. Natürlich müssen wir die Situation ernst nehmen. Es sind Menschen erkrankt, Menschen sterben. Aber die Sicht des Clowns erlaubt uns, die Dinge anders zu sehen, das Positive zu erkennen und mutiger zu werden.

Worin sehen Sie das Positive dieser Zeit?

Antoschka Die Leute haben jetzt plötzlich mehr Zeit füreinander. Sie nehmen sich intensiver wahr, ihre Mitmenschen, ihre Kinder. Es ist, als wenn man fastet. Nach dem Fasten bekommt ein einfacher Apfel ein köstliches Aroma. Man findet wieder Geschmack an den einfachen Sachen.

Verändert sich der Humor in Krisenzeiten?

Antoschka Seuchen und Quarantänen hat es immer gegeben: die Spanische Grippe, die Cholera, die Pest. Sie kennen den russischen Dichter Alexander Sergejewitsch Puschkin. Er hat in seinem Dorf selbst eine Cholera-Quarantäne erlebt und ein zauberhaftes Gedicht geschrieben: In Stunden seelischer Qualen, von meinem Gefängnis aus, gratuliere ich euch zum Großen Frühlingsfest. Alles geht vorbei – die Traurigkeit und die Sorgen. Der Garten wird wieder blühen. Wir rufen unseren Verstand um Hilfe und wir fegen Krankheiten weg mit der Kraft unseres Wissens. In Tagen schwerer Prüfungen überleben wir als „eine Familie“. Wir werden reiner und weiser. Weil wir uns nicht aufgeben vor Dunkelheit und Angst. Unser Geist wieder aufsteht und wir uns näher kommen und gütiger werden. Dann sitzen wir am festlichen Tisch und freuen uns auf neues Leben. An diesem Tag schickt Gott uns ein Stückchen Glück in jedes Haus.

Wie erleben Sie die jetzige Zeit?

Antoschka Ich erlebe oft beim Spazierengehen, dass die Menschen den Abstand von zwei Metern einhalten, aber auch in den Gesichtern ist eine Distanz zu lesen. Angst und Schock. Ich lächle die Leute dann an, und sie lächeln meist zurück. Mit einem Lächeln und Freundlichkeit bei geforderten zwei Metern Abstand kann man doch ein soziales Miteinander kreieren. Mit einem einfachen Lächeln.

Für Künstler ist es jetzt gerade auch nicht einfach …

Antoschka Das stimmt. Wir alle haben finanzielle Einbußen, weil sehr viele Auftritte abgesagt wurden. Aber das ist es nicht, das Finanzielle allein. Wir Künstler brauchen die positive Energie unseres Publikums, das Feedback auf unsere künstlerische Leistung. Aber auch aus der aktuellen Situation entstehen neue kreative Projekte z.B. sind im Internet viele neue Lieder zum Thema Corona entstanden – z.B. ein südafrikanisches Corona-Lied mit einer singenden und tanzenden Jugendgruppe. Ich selbst bin im Gespräch mit Mönchengladbacher Künstlern, um ein Projekt ‚nach-Corona-Zeiten‘ zu starten und den Menschen wieder Lust auf Kultur zu machen.

Was machen Sie, wenn Sie schlechte Laune haben?

Antoschka Ich bin durchaus ein ernster, skeptischer Mensch. Wir Clowns sind Philosophen. Clowns sind nicht 24 Stunden am Tag fröhlich. Früher habe ich bis zum Umfallen gearbeitet, wenn es mir nicht so gut ging. Heute spreche ich mit meinem Mann und wir finden schnell wieder die positive Seite des Lebens.

In „Der Namen der Rose“ wird das Lachen von einem Mönch als Teufelswerk betrachtet. Sie sind da vermutlich anderer Ansicht…

Antoschka Humor ist ein kostbares Gut. Ich denke da an Till Eulenspiegel, der als Symbol die Eule und den Spiegel hat. Die Eule ist nicht nur Symbol von Weisheit, sondern auch Symbol des Teufels – und der Spiegel ist Teufelswerk, aber auch Privileg der Narren, die den Menschen den Spiegel vorhalten.

Was haben Sie vor, wenn die Corona-Zeit vorbei ist?

Antoschka Das Clown-Museum Leipzig hat eine Ausstellung über mein Leben vorbereitet, die natürlich auch abgesagt wurde – aber der Kurator will so schnell wie möglich nach Corona die Ausstellung zeigen. Und ich hoffe sehr, dass viele der aktuell abgesagten Projekte und Shows doch noch realisiert werden. Zum Beispiel meine Idee Shakespeares Sommernachtstraum mit einer inklusiven Theatergruppe zu spielen, das Jugendprojekt Welle im Westend umzusetzen oder zum KulturRucksack einzuladen. Ich hoffe, dass wir alle zusammen bald wieder loslegen können. Gute Energie dazu haben wir genug gesammelt – die können wir dann gemeinsam rauslassen.

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