Kunstaktion in Mönchengladbach Stadtbäume – Deko oder Natur?

Mönchengladbach · Mehr Schein als Sein: Christiane B. Bethke setzt sich mit Hilfe einer künstlerischen Intervention mit dem bedauernswerten Zustand der Rheydter Kirschbäume auseinander.

 Christiane B. Bethke möchte mit ihrer Aktion aufrütteln.

Christiane B. Bethke möchte mit ihrer Aktion aufrütteln.

Foto: Ilgner,Detlef (ilg)/Ilgner Detlef (ilg)

Der erste Eindruck ist verwirrend. Da sind diese Stämme, die umwickelt sind. Offenkundig Baumstämme, doch ihre Kronen sind kaum zu entdecken. Tritt man ein wenig zurück und schaut über und zwischen die breiten Sonnenschirme, sieht man die recht mickrigen Blätterdächer der Kirschbäume.

„Dieser Ort hat mich inspiriert“, erklärt die Mönchengladbacher Künstlerin Christiane B. Bethke. „Dieser Ort“, das ist die Empore des Rheydter Marktplatzes. Cafés und Restaurants säumen den Platz, die Kirche dominiert die Mitte, Geschäfte reihen sich an den anderen Straßenseiten aneinander. Ein belebter Ort, der bei gutem Wetter von vielen Menschen genutzt wird, um unter den weit ausladendend Sonnenschirmen auszuruhen, einen Kaffee zu trinken, ein Eis zu essen.

  Einer der 22 Kirschbäume in Rheydt.

Einer der 22 Kirschbäume in Rheydt.

Foto: Ilgner,Detlef (ilg)/Ilgner Detlef (ilg)

22 Kirschbäume in zwei Achsen wurden 2014 dort zur Aufwertung des Platzes gepflanzt. Mit einem eigenen Hydranten und einer speziellen Bewässerung versehen, sollten sie blühen, gedeihen und zu einer veritablen Kirschblütenallee heranwachsen. Acht Jahre später sieht es so aus, als seien sie zum Ausreißen verdammt, wie die Künstlerin feststellt. Dieser Zustand machte sie nachdenklich und sie stellte sich die Frage, was diese Bäume tatsächlich seien: Dekoration oder Natur?

Der Gedanke, mit einer Kunstaktion auf die Bäume und ihren schlechten Zustand aufmerksam zu machen, nahm Gestalt an. Wobei ihr klar war: „Ich kann sie nicht mehr retten.“ Aber sie ins Bewusstsein rufen, auf sie aufmerksam machen, das kann sie. Sie bedruckte 200 Meter lange, schmale Stoffbinden mit magentaroten floralen Mustern und begann, die 22 Bäume zu umwickeln. „In der Woche, in der ich hier an den Bäumen gearbeitet habe, haben mich viele Menschen angesprochen. Die Aktion fand großes Interesse und es entwickelten sich gute Gespräche“, erzählt Bethke. Die Binden wurden dann noch mit Piktogrammen bedruckt: einem Wasserhahn, einem Infusionsbeutel, einem Pflaster, einer Hand.

Bethke nahm weitere Kreative ins Boot des Baum-Projektes mit dem Titel „ScheinSein“. Der Kunsthistoriker Rainer Schnettler schrieb Texte zu der Aktion, in denen er zum Beispiel auf den Titel der Aktion näher eingeht: „Diese jungen Kirschbäume sind eigentlich eher Baumdarsteller und es scheint nur so, als ob sie eigenständig lebten. Dieses Leben ist nur ein ScheinSein…“ Die Texte sind in der Vitrine am Ende der Empore zu lesen. Dort hängen auch die Beiträge des dritten im Bunde: Detlef Ilgner. Der Fotograf begleitete Bethke bei ihrer Aktion und nahm die Bäume aus zum Teil ungewöhnlichen Perspektiven auf. Seine Bilder laden zu einem neuen Blick auf urbane Bäume ein. Die Baumwollbahnen, die an Verbände erinnern, der Infusionsbeutel, das Pflaster – die Assoziation an Versuche, heilend einzuwirken, liegt nahe. Aber ob dem Patienten noch zu helfen ist?

Info Die Bäume auf der Empore auf der Markstraße bleiben bis Mitte August umwickelt, die Fotografien und Texte sind ebenso lange und 24 Stunden am Tag zu sehen.

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