„Belons Traum“ in der Citykirche Mönchengladbach Tanz eines Vogel-Menschen

Mönchengladbach · In der Citykirche präsentierten Brigitte Zarm und Kai Welf Hoyme ihre multimediale Tanz-Performance „Belons Traum“. Die Aktion zeigt, wie lebendig Gladbachs Kulturszene ist.

 Miriam Röder tanzt im Knochenanzug „Belons Traum“.

Miriam Röder tanzt im Knochenanzug „Belons Traum“.

Foto: Rick, Markus (rick)/Markus Rick (rick)

Es ist das Privileg der Kunst, den Fragen nach der Bedingung des Menschseins Räume zu eröffnen, in der die Utopie von Freiheit wirken kann. Wenn nun Brigitte Zarm, die seit Jahrzehnten die Gladbacher Kunstszene befruchtet, in die Citykirche zur multimedialen Performance bittet, dann geht es einerseits um das „Verhältnis von Mensch und Tier in Zeiten der Erschütterung des abendländischen Humanitätsbegriffs“ – so formuliert sie es im Untertitel zu „Belons Traum“. Was sich jedoch darüber hinaus in dieser knappen Stunde im gut besuchten gotischen Bau ereignet, ist mindestens so bemerkenswert: die Erfahrung, dass der Geist spartenübergreifender Kunstaktionen, wie sie ihn das Festival „Ensemblia“ weit über die Stadtgrenzen hinaus verströmte, immer noch lebendig ist.

Denn sie sind wieder beisammen, die alten Kämpen und die jungen, im Publikum wie auf der Bühne. Zu einer solchen hat das ganze Gotteshaus sich anverwandelt. Zarms Vogel- und Mensch-Skelette blicken schattenhaft riesig einander in die Augenhöhlen, die Ähnlichkeit der Knochen-Ordnung ist so frappierend wie die damit verbundene Kritik an der Anmaßung des Menschen, sich als einzigartig, als Krone der Schöpfung aufzuspielen. Der Naturforscher Pierre Belon hatte schon vor fast 500 Jahren die Analogie beschrieben. Die überdimensionalen Scherenschnitte bereiten im Zusammenwirken mit der schattenhaften Videoprojektion von Kai Welf Hoyme die Szene von Miriam Röder.

Im schwarzen Knochenanzug schreitet, windet, tanzt sie als eine Art Vogel-Mensch in fließenden, gedrungenen, manchmal geschundenen, manchmal wie auffliegenden Bewegungen durch den Raum. Weitet die Arme und schließt sie zur innigen Umarmung, taumelt, wirbelt, schwingt sich durch die Besucherreihen. Mal erstrahlt ihr Tanz im Spot, mal wandelt sie schemenhaft im zunehmenden Dunkel der anbrechenden Nacht, das durch die farbigen Kirchenfenster quillt. Über, unter, in allem: die Musik von Sidney Corbett. „Knochentänze“ für Bratsche und Akkordeon, fragile, in den Flageoletts wie körperlose Klänge von stetig sich verändernder Dichte und Farbe, durch eine Renaissance-Melodie hervorscheint. Als das außerordentlich versierte „Duo 2 KW“ endet, verschwindet auch Miriam Röder wieder hinter der Gaze.

Zwischen den Rippen des Chorgewölbes begegnen sich derweil die Köpfe von Mensch und Vogel, wie sie zugleich über die beiden, die Bühne flankierenden Säulen zucken. Ein zartes Bild der Hoffnung auf Harmonie, im Bogen zwischen Gestern und Morgen.

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