Mönchengladbach Lebensverlängerung und Vergänglichkeit

Mönchengladbach · Die Künstlerin Verena Friedrich zeigt im Kunstverein MMIII Arbeiten an der Schnittstelle von Kunst, Physik, Biochemie und Informationstechnologie.

 Verena Friedrich mit ihrer Arbeit Vanitas Machine im Kunstverein MMIII.

Verena Friedrich mit ihrer Arbeit Vanitas Machine im Kunstverein MMIII.

Foto: Ilgner Detlef (ilg)

Eine außergewöhnliche Ausstellung erwartet die Besucher des Kunstvereins MMIII mit Arbeiten der 1981 in Hanau geborenen Künstlerin Verena Friedrich. Die Künstlerin, die in Offenbach und Köln studierte, bewegt sich mit ihren intelligenten Objekten an einer Schnittstelle zwischen den Bereichen Kunst, Kunstgeschichte, Physik, Biochemie und Informationstechnologie.

Im Eingangsbereich begegnet dem Besucher eine schwarze Box auf der Fußbodenfläche. Der Kunst erprobte Gast erwartet, dass aus dieser Box etwas herauskommt: Ton oder Licht. Zumal der schwarze Kasten in einer Art Aufführungssituation steht. Aber nichts dergleichen passiert. Dennoch sollte man „Endo“, so der Name des Objektes von 2007, nicht missachten. Denn dieses Gerät zeichnet alles auf, was ihm begegnet: Bilder, Töne, GPS- und andere Umgebungsdaten wie Licht, Luftdruck, Temperatur, Feuchtigkeit, ohne nur das kleinste Bisschen davon preiszugeben. Es ist wie im wahren Leben: Viele Schritte und Handlungen unseres Lebens werden verfolgt, aufgezeichnet und zu meist materiellen Zwecken eingesetzt. Was allerdings passiert, wenn die ein Terabyte (1000 Gigabyte) große Festplatte von „Endo“ voll ist, liegt im Dunkeln.

Im Dunkeln befindet sich auch die „Vanitas Machine“ von 2013/2014. Das kunsthistorisch vertraute Motiv der Kerze steht im Mittelpunkt der Arbeit. Die Kerze ist das haptische Symbol für das Vergehen der Zeit im Abbrennen des Wachses und letztlich dem Verlöschen. Diesen Prozess des Verbrennens und damit des Alterns verlangsamt Friedrich in ihrem wissenschaftlich anmutenden Versuchsaufbau mithilfe von Technik um die zweieinhalbfache Zeit. Steht man davor, stellt sich schnell die Assoziation zu menschlichem Atem beziehungsweise einer medizinischen Lungenmaschine ein. Und damit ist man bei der Idee der Lebensverlängerung des Menschen, was Angst ebenso auslösen kann wie Euphorie.

Mit der Vergänglichkeit befasst sich auch „The Long Now“ von 2015/2016. In einer Apparatur entsteht eine Seifenblase, die – auch hier wieder mit technischer Hilfe – eine relativ lange Weile existiert, bevor sie platzt.

Ganz neu ist die Installation „As above so below“, die Friedrich für den Kunstverein entwickelt hat. Seit der Antike existiert das Prinzip der Wasseruhr zur Zeitmessung. Darauf basiert Friedrichs Arbeit, in der sie „zyklische Prozesse in der Natur“ beobachtet und auf künstlerische Weise wiedergibt. Von einer glänzenden Halbkuppel unter der Decke, in der sich der gesamte Raum spiegelt, tropft kondensiertes Wasser auf einen Spiegel, erwärmt sich dort, bevor er wieder aufsteigt und sich in den Kreislauf zurück begibt. Abhängig ist der Rhythmus des Tropfens von der Umgebung, der Anzahl der Besucher. Der unten liegende Spiegel entwickelt zudem einen Unendlichkeitseffekt. Mag sein, da ist die Künstlerin sich noch nicht sicher, dass es lange dauert, bis es tropft – aber Entschleunigung in der Kunst ist ein nicht zu unterschätzendes Angebot an die Betrachter.

Man muss nicht unbedingt wissen, wie alles funktioniert – auch wenn die Künstlerin das gut und anschaulich erklären kann – die Anschauung und das Nachdenken darüber ist Genuss genug. Die Ausstellung „Matter Transform Sequence“ wird gefördert vom Kulturbüro Mönchengladbach sowie, darauf sind Klaus Schmitt vom Kunstverein sowie der Kurator Wilko Austermann besonders stolz, von der Stiftung Kunstfonds. Ohne eine solche Unterstützung wäre diese anspruchsvolle Ausstellung nicht realisierbar gewesen.

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