Ausstellung in Mönchengladbach Besucher werden im Museum jetzt überwacht
Mönchengladbach · Die US-Amerikanerin Julia Scher benannte früh die Macht digitaler Medien und der dadurch perfektionierten Überwachungsgesellschaft. Ab Sonntag zeigt das Museum Abteiberg eine Überblicksschau ihrer Arbeiten von den Anfängen bis heute.
Im Windfang des Museumseingangs fängt alles an: Die Stimme aus dem Off bereitet vor auf einen überwachten Ort. Das klingt nett. Dennoch stellt sich die Frage, ob das beschwichtigende „Don‘t worry“ tatsächlich beruhigend wirkt. Wenige Schritte weiter ergibt sich die nächste Überwachsungssituation. Der untere von zwei übereinander postierten Monitoren zeigt zeitlich versetzt Aufzeichnungen aus dem Windfang – gegenüber der Kontrollstelle Kasse. Tatsächlich kann der gefilmte Museumsbesucher unbesorgt sein. Aus Datenschutzgründen wird nichts aufgezeichnet, wie Museumsleiterin Susanne Titz zusichert. Dennoch ist ein Jeder – kaum im Museum angekommen – mit Daten und Datenschutz konfrontiert.
„Hochsicherheitsgesellschaft“ ist die umfangreiche Ausstellung mit rund 39 Werkgruppen und Einzelwerken der US-amerikanischen Künstlerin Julia Scher überschrieben. Bereits in den 1980er Jahren begann ihre Auseinandersetzung mit der Macht digitaler Medien und einer dadurch perfektionierten Überwachungsgesellschaft. Scher habe in den 1990er Jahren mit der Installation von Kamera- und Audioüberwachungssystemen in den Kunsträumen den Anfang der heutigen Gesellschaft vorweggenommen, sagt Titz. Für die Ausstellung habe sich die Frage ergeben, wie sich die älteren, „extrem aktuell“ wirkenden Arbeiten einer jungen, mit digitalen Medien aufgewachsenen Generation vermitteln lassen, so die Museumsleiterin. Sie hat die Präsentation gemeinsam mit Gian Marco Hölk kuratiert, der nach eigenen Worten zu Schers Ausstellung im Kölner Kunstverein 1994 noch nicht geboren war.
Die Museumsleiterin betont froh zu sein, dass Schers Schaffen international derzeit große Aufmerksamkeit genießt. Zu den jüngsten Ausstellungen zählen „Planet Greyhound“ in Gießen (2022) und Maximum Securita Society“ Zürich (2022/23). Scher hat ein Atelier in Köln.
Mit Blick auf deren künstlerische Entwicklung hebt Titz hervor: Die 1954 in Kalifornien geborene Künstlerin widmete sich der Technologie zunächst in Malerei, Skulptur und Grafik, ehe sich „der Dreh“ ergab und die Technologie selbst zum Medium wurde. In Zeiten drahtloser Kommunikation fällt häufig ein betonter „Kabelsalat“ älterer Arbeiten auf. So etwa in der Installation „Wonderland“, eine Sicherheitszentrale der Kinder, die erstmals 1997 in Chicago gezeigt wurde. Im vierzehnminütigen Programm aus Licht, Stimmen und Geräuschen übernehmen Kinder in der technisierten Landschaft aus Monitoren und Schaltzentrale verbal die Kontrolle. Hohlspiegel kippen optisch Größenverhältnisse, wenn sie das Konterfei von Besuchern reflektieren, die somit in die Installation einbezogen sind.
Eine Installation mit Videos aus dem Museumsbereich stellt an anderer Stelle im verwirrenden Miteinander von realen und fiktiven Szenen Fragen nach Wahrheit und Täuschung hinter den Kulissen des Hauses. Die Grundidee zur mehrfach variierten Installation wurde erstmals 1993 realisiert. Unheimlich ist die symbolisch dicht aufgeladene Überwachungssituation mit Kameras und Monitoren zur Werkgruppe „Embedded“, die verstörend voyeuristisch Hinweise auf familiäre Strukturen einbezieht. Die Technologie verändere sich, doch die DNA ihrer Arbeit bleibe gleich, sagt die Künstlerin über die Verquickung von technischer Entwicklung und künstlerischer Reaktion.
Im Vorführraum beim Eingang zeigt sie die fast vierstündige Video-Arbeit „Discipline Masters“ in durchgehend frontaler Kopfaufnahme und damit ihren autobiografischen Einstieg aus dem Jahr 1988. Die Arbeit nimmt Ausdrucksvariationen von heute vorweg. Das Video Lip Sinc‘d zeigt die noch junge Julia Scher als Karaoke-Sängerin im Gestus der Selbstbefreiung. Die Synchronisation sei bewusst nicht perfekt, da das vorgeblich Gesungene nicht dem eigenen Ausdruck entspreche, sagt Scher. Das Video zählt zu den Werken, die die menschliche Seite ihrer Kunst zeigen und beispielhaft stehen für die Einbeziehung der eigenen Person.