Kultur in Mönchengladbach Wo Besucher zu Akteuren werden
Mönchengladbach · Zum 40. Jahrestag seiner Eröffnung wurde im Museum Abteiberg und im Abteigarten das Musikprojekt „Kunsthalle for Music Act I“ des US-amerikanischen Künstlers Ari Benjamin Meyers aufgeführt. Und das war nur der Auftakt eines Wochenendes der Kreativität.
Der Eindruck einer pantomimischen Darbietung trügt – am Dirigentenpult agiert ein gestandener Musik-Profi. Vor sich hat Yorgos Ziavras, Kapellmeister des Theaters Krefeld/Mönchengladbach, eine notierte Partitur. Einzig das Orchester ist keines. An seiner statt nehmen Besucher jene Plätze ein, auf denen üblicherweise Streicher, Schlagwerker, Blech- und Holzbläser ihrer Profession nachgehen. Das ungewöhnliche Arrangement auf der mittleren Ebene des terrassenförmig angelegten Abteigartens ist Teil der Klanginstallation „Kunsthalle for Music“ des US-amerikanischen Künstlers Ari Benjamin Meyers. Mit der Aufführung des vom Künstler selber als „nomadische Meta-Institution“ beschriebenen Werks feierte das Museum am Abteiberg am Jahrestag seiner Eröffnung, dem 23. Juni, seinen 40. Geburtstag. Zuvor war „Kunsthalle for Music“ in unterschiedlichen Formaten bereits in Rotterdam, Hongkong, Moskau und Philadelphia zur Aufführung gekommen.
Die Jubiläumsfeierlichkeiten bilden den Auftakt zum langen Musik- und Kulturwochenende „Pop Paradiso“ das noch bis einschließlich Sonntag, 26. Juni, das Areal am Abteiberg zum kreativen Experimentierfeld für Jugendkultur, Urban Art, Musik, Nachhaltigkeit und Diversität werden lässt. Besucher können an diesen Tagen bis 20 Uhr auch das Innere des Museums kostenfrei in Augenschein nehmen. Das lohnt sich aktuell besonders, findet doch mit dem runden Geburtstag ein im vergangenen Jahr begonnenes Konzept seine Fortsetzung: Nachdem 2021, zu dessen 100. Geburtstag, Joseph Beuys das Thema war, präsentiert das Schaumagazin des Museums aktuell im „Feldversuch #2: Brecht – Filliou“ die Kunstsammlung, das Archiv und die Bibliothek des im vergangenen Jahr verstorbenen Düsseldorfer Kunstsammlers Erik Andersch. Dem interessierten Betrachter eröffnet sich hier eine wahre Fundgrube mit Zeitzeugnissen bedeutender Akteure der Fluxus-Bewegung, die seit den frühen 1960er-Jahren den bis dahin geltenden Kunstbegriff um radikale soziale, gesellschaftliche und politische Bezüge erweiterte. Unbedingt sehenswert!
Künstlerische Grenzen sprengen, den Platz für Musik außerhalb der gängigen Vermittlungswege Konzert, Tonträger, Download oder Streaming auszuloten, das ist das erklärte Ziel von Ari Benjamin Meyers. Er sagt: „Musik kann so viel mehr. Das gemeinsame Proben, Menschen, die zusammenkommen. Austausch.“ Mit den sieben Stücken seines Projekts „Kunsthalle for Music Act I“ lässt Meyers die Grenzen zwischen Musikkonsumenten und -produzenten verschwimmen. Wer ist Akteur, wer Publikum? Lässt man sich auf den Raum und die Situation ein, weicht die anfängliche Irritation über den Dirigenten, der mit Leidenschaft und Verve ein imaginäres Orchester leitet. Dann fügen sich die einzelnen Bestandteile zu einem stimmigen Ganzen: Die Pianoklänge der Komposition „Vexations 2“, die von der Plattenebene des Museums herunter schallen, verbinden sich mit den menschlichen Stimmen der gleich neunfach über das gesamte Areal verteilten Station „Duet“. Die besteht aus zwei einander gegenüber stehenden Notenständern, von denen jeweils einer der anleitenden Sängerin zugewandt ist.
Der zweite Ständer ist für diejenigen mutigen Besucher gedacht, die sich einen Ruck geben um selbst zum Akteur zu werden. Und siehe da: Auch den Ungeübten gelingt es unter fachlicher Anleitung, die notierte Komposition zunächst einzuüben und schließlich gemeinsam zweistimmig vorzutragen. Zurzeit bereitet Ari Benjamin Meyers Act II und Act III vor: eine Ausstellung im Museum Abteiberg und eine große Produktion, die sich, ausgehend vom Museum, in die Stadt hinein ausweitet.
Oberbürgermeister Felix Heinrichs formulierte in seinem Grußwort einen Wunsch: Das Museum Abteiberg müsse zukünftig wieder stärker in die Köpfe der Menschen zurückgebracht werden. Schließlich habe schon Architekt Hollein die Idee vom Museum als Eingang zur Stadt vertreten. Projekte wie „Kunsthalle for Music“, in Verbindung mit ebenfalls die Grenzen des Museums erweiternden Projekten wie dem Pop Paradiso, könnten dabei helfen.