Mönchengladbach Deutschland klingt nach Beethoven

Mönchengladbach · Als Heimat empfindet Chisato Yamamoto immer noch Japan. Ein bisschen auch Deutschland, und vor allem die Musik. Seit 2000 ist die Geigerin Konzertmeisterin bei den Niederrheinischen Sinfonikern am Gemeinschaftstheater.

 Chisato Yamamoto kam aus Liebe zu Bach nach Deutschland. In zwei Kulturen zuhause zu sein, empfindet sie als Luxus. Ihr deutsches Lieblingsessen ist Sauerkraut. "Aber beim Fußball halte ich zu Japan", sagt sie. Seit 2000 spielt sie bei den Niederrheinischen Sinfonikern.

Chisato Yamamoto kam aus Liebe zu Bach nach Deutschland. In zwei Kulturen zuhause zu sein, empfindet sie als Luxus. Ihr deutsches Lieblingsessen ist Sauerkraut. "Aber beim Fußball halte ich zu Japan", sagt sie. Seit 2000 spielt sie bei den Niederrheinischen Sinfonikern.

Foto: T. lammertz

Als Chisato Yamamoto noch ganz klein war und wenig über die Welt außerhalb Japans wusste, hatte sie schon eine Vorstellung von Deutschland: Es war der Klang von Beethovens Neunter. Zum Jahresende erklingt in Japan traditionell die Beethoven-Sinfonie. "Bis zu 10.000 Leute kommen zusammen", sagt Yamamoto. Es werden sogar eigens Sprach- und Phonetikkurse angeboten, damit die Zuhörer "Freude schöner Götterfunken" klangrein mitschmettern können. "Ich glaube, es ist der Bombast, der so beeindruckt." Sie ist in Kyoto geboren, in Tokio aufgewachsen - mit deutscher Musik. Im musikalischen Elternhaus lief Klassik-Radio. "Sonntags um 9 Uhr war immer Bach". Er sei immer noch ihr Lieblingskomponist. "Seine Musik ist klar, aber sehr tief, darin sind so viele Emotionen. Sie ist schwierig zu spielen, rein technisch. Aber für mich gibt es keine andere Musik, bei der ich so in mich gehen kann."

Die Heimat der klassischen Musik wollte sie entdecken, deshalb machte sie sich mit 22 Jahren auf ins Ausland. Seit ihrem fünften Lebensjahr hat sie Geigenunterricht. In Tokio hat sie klassische Musik studiert. "Aber es geht nicht nur um die Noten. Ich wollte an das heran, was dahinter steckt. Dazu musste ich die Sprache verstehen." So kam sie nach Deutschland. "Ich habe vor der Abreise einen Monat lang intensiv Deutsch gelernt. Aber in Stuttgart, wo meine Schwester schon lebte, verstand ich gar nichts. Die sprachen dort ganz anderes Deutsch." Und es kam noch dicker. "Das Essen. Nicht einmal, weil es so deftig war: Aber diese riesigen Portionen und das Salz." Beim Studium in Freiburg war die Mensa also nur Notlösung. Gemeinsam mit japanischen Kommilitoninnen hieß es: selber kochen. Vor gut 20 Jahren eine hehre Aufgabe, japanische Lebensmittel waren nicht im Supermarkt zu haben. Auf der Suche nach dem Geschmack der Heimat sei sie in Ermangelung echter Sojasoße bei Maggi angelangt. Und da ist wieder ihr glockenhelles Lachen.

Humor und der optimistische Blick auf die Gegenwart haben das Leben in der anfangs fremden Welt erleichtert. "Im ersten Jahr habe ich oft Heimweh gehabt. Aber ich wollte durchhalten", erzählt die Musikerin.

Je tiefer sie in die Sprache ihrer Lieblingskomponisten eintauchte, desto mehr hörte sie in deren Musik, erschloss sich auch Literatur und Philosophie. "Es war ein Aha-Erlebnis, dass Schumann und Schubert auch Gedichte vertont haben. Man muss die Sprache kennen, aus der heraus sie komponiert haben." An die vier Jahre Freiburg hängte sie ein zweijähriges Stipendium an der Kammerakademie Neuss. Dann lernte sie einen jungen deutschen Musiker kennen - und blieb. Nach 4,5 Jahren im Orchester Osnabrück kam sie 2000 ans Gemeinschaftstheater. Mit 35 bekam sie die Stelle als 2. Konzertmeisterin bei den Niederrheinischen Sinfonikern, wo auch Ehemann Holger Saßmannshaus als Kontrabassist angestellt ist. Tokio, sagt sie, ist immer noch Heimat: "Dort gehe ich anders und bin von der Größe her mit allen auf Augenhöhe. Vielleicht liegt es daran, dass ich dort erst mit 22 Jahren weggegangen bin."

(RP)
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