Mensch Gladbach Krieg, Flucht und Not verträgt kein Parteiengezänk

Mönchengladbach · Ein dickes Lob an Stadt und NEW mitsamt ihrer Sponsoren: Sie bringen gemeinsam 250 Kindern das Schwimmen bei. Diese Aktion verdient einen Sonderpreis. Verantwortung zeigten Stadt und Bürger auch bei der notwendigen Unterbringung von 150 Flüchtlingen über Nacht. Nur die anschließenden Schuldzuweisungen stören sehr.

Wenn ich einen Preis für die besten Aktionen des Jahres vergeben könnte, dürfte diese mit einem Platz auf dem Treppchen rechnen: die Initiative von Stadt, Stadtsportbund, Schwimmverein, NEW und Stadtsparkasse, 250 Kindern in den Sommerferien das Schwimmen beizubringen. Hier geht es nicht nur um Sport, um Freizeitspaß, um Freude an der Bewegung - es ist eine wichtige, lebensrettende Fähigkeit, schwimmen zu können.

Dass 400 Gladbacher Viertklässler dies nicht können, ist alarmierend. Dass es Eltern nicht wichtig ist, ihren Kindern dies zu vermitteln, ist schlimm und zeigt auch, wie sehr sich Mütter und Väter aus dem Erziehungsprozess zurückziehen. Dass Schulen für sie nicht überall in die Bresche springen können, ist auch klar. Schwimmunterricht ist oft nur ein schulisches Feigenblatt, weil nur ein Planschen übrigbleibt, wenn man die Zeit für Hin- und Rückfahrt samt Umziehen abzieht.

Es gibt noch etwas, was ich gerne gelesen habe. Und zwar ein Zitat. "Wir stellen uns der Verantwortung, dass Menschen, die vor Krieg und Not zu uns flüchten, untergebracht und versorgt werden." Diese Aussage machte ein Oberbürgermeister. Und zwar der Wuppertaler Peter Jung von der CDU. So äußerte er sich, als ihn die Bezirksregierung in dieser Woche bat, kurzfristig 150 zusätzliche Flüchtlinge aufzunehmen. Auch Mönchengladbach nahm 150 weitere Menschen auf. Ebenfalls über Nacht. Und selbstverständlich sind soziales Gewissen und Verantwortungsgefühl in dieser Stadt ebenfalls groß. Hier gibt es viele, die helfen. Auch Verwaltung und Politik darf man nicht absprechen, das Beste für die Betroffenen zu wollen und sich dafür auch einzusetzen.

Was mich störte, waren - bei allem Verständnis für die Mühen, die mit diesem plötzlichen Unterbringungsproblem verbunden sind - die reflexhaften Reaktionen, die darauf folgten. Der OB und Dezernent Gert Fischer schimpften deswegen aufs Land, der Grünen-Fraktionschef schoss sich deswegen auf beide ein, warf ihnen vor, verlängerter Arm der CDU-Landtagsfraktion zu sein. Vielleicht erinnern Sie sich an das Foto auf dem Titelblatt der Rheinischen Post am Mittwoch: Wie würden Sie der Mutter, die auf der Flucht ihr Kind auf dem Arm trägt und es vor Krieg, Hunger, Elend und Terror retten will, erklären, dass wir uns im reichen Deutschland darüber zanken, wer die Verantwortung für ihre Unterbringung trägt? Wie würden Sie dem daneben gehenden Mädchen mit dem traurigen Gesicht sagen, dass das Boot bei uns voll ist? Das Kind hat in seinem kurzen Leben vermutlich so viel Schlimmes gesehen wie unsere Väter, Mütter und Großeltern, die den Zweiten Weltkrieg mit allen seinen schlimmen Folgen miterlebt haben.

Wir brauchen den Schulterschluss aller Demokraten. Denn das, was auf uns zurollt, verträgt kein parteipolitisches Gezänk, keine Schuldzuweisungen. Es ist nicht einmal zwei Jahre her, als der ehemalige OB Norbert Bude erstmals von der geplanten Erstaufnahme-Einrichtung im JHQ berichtete. Damals mit 500 Plätzen. Mittlerweile steuern wir die dreifache Zahl an. Und eines ist auch klar: Würde das Land heute über das JHQ als Aufnahmeeinrichtung entscheiden, nähme es das Hauptquartier vermutlich ganz. So groß ist der Druck.

(RP)
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