Professor an Hochschule Niederrhein Ein Neu-Imker mit Forschungsauftrag

Kreis Viersen · Seit zehn Jahren steigt die Zahl der Imker in der Stadt. Claus Brell, Professor für Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Niederrhein, ist einer von ihnen. Er untersucht den Zusammenhang von Alltag im Bienenstock und Wetter.

 Claus Brell, Professor für Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Niederrhein, hat einen Bienenstock platziert.

Claus Brell, Professor für Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Niederrhein, hat einen Bienenstock platziert.

Foto: Hochschule Niederrhein

Immer mehr Menschen interessieren sich für Bienen und werden Imker. Das gewachsene Interesse kann Leo Dörenkamp, Vorsitzender des Imkervereins Viersen-Stadt, bestätigen: „Seit zehn Jahren haben wir einen regen Zulauf zu verzeichnen.“ Inzwischen zählt der Verein 84 Mitglieder, davon sind 15 passiv dabei. Einer der 14 Neugänge ist Claus Brell.

Der Willicher ist Professor für Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach und ein außergewöhnlicher Neu-Imker. Brell nutzt sein Hobby für wissenschaftliche Forschungen, will daraus neue Erkenntnisse gewinnen und perspektivisch auch Fördergelder generieren. Unter dem Namen „biene4.0“ will Brell mit seinen Studenten herausfinden, ob es einen Zusammenhang zwischen der Beobachtung der Bienen und Umweltdaten, zum Beispiel dem Wetter, gibt. Deshalb stehen seit Dienstag Bienenstöcke auf dem Dach der Hochschule in Mönchengladbach.

Claus Brell beschäftigt sich seit 2018 mit Honigbienen. Zunächst hatte er einen Stock im eigenen Garten. Diesen stattete er mit Temperatursensoren aus. So wollte er herausfinden, ob zwischen den Aktivitäten im Bienenstock und der gemessenen Temperatur ein Zusammenhang besteht und ob sich daraus Erkenntnisse über den Bienenstock gewinnen lassen. Der praktische Nutzen: Hobbyimker müssten seltener nach ihrer Tieren schauen und könnten so schonender imkern.

„Als ich angefangen habe, hatte ich ein schwaches Volk, einen hohen Milben-Befall und keine Ahnung“, schildert der Wirtschaftsinformatiker. Er wollte zunächst seine Bienen durch den Winter bringen – da half nur reichlich Futter. Und dies gelang. Aus diesem Volk gibt es inzwischen kleinere Ableger in Beuten für die Königinnenzucht. Diese sogenannte Mini-Plus-Beute besteht nur aus sechs Waben in einer Zarge, ist für den Hobby-Imker also einfacher zu betreuen. „Insbesondere für die Menschen, die in der Stadt leben und auf ihrem Balkon Bienenzucht betreiben wollen“, meint Claus Brell. Für sie sei oft weniger der Honig interessant als zu beobachten, wie es im Bienenstock summt und brummt.

Dass Bienen Menschen faszinieren, hat Brell nicht nur selbst erfahren. Er will diese Faszination auch nutzen, um den künftigen Wirtschaftsinformatikern durch solche lebensnahen Projekte eher abstrakte Themen wie Künstliche Intelligenz (KI) näherzubringen. Dazu stattet er seine Bienen mit intelligenten Videokameras und Sensoren zur Temperaturmessung aus.

 Mit diesem Aufbau sollten zum einen die Bienen erkannt werden. Zum anderen sollte aber auch festgestellt werden, ob die Tiere Pollen gesammelt haben oder nicht. Dies ist daran zu erkennen, dass sie ein „Pollenhöschen“ tragen – oder eben nicht.

Im Juni konnte Brell mit seinem Bienen-Team Erfolge vermelden. Dabei gelang es dem Masterstudenten Dennis Maus mit neuronalen Netzen auf der intelligenten Kamera, Honigbienen zu identifizieren und zu zählen. Dabei war auch die gewünschte Unterscheidung nach Bienen mit und ohne Pollen möglich. „Für eine Bildanalyse werden 29 Sekunden benötigt“, erläutert der Professor. „Alle zwei Minuten wird ein Bild aufgenommen, archiviert und analysiert; dann wird die Anzahl der Bienen ins Netz übermittelt.“

Die Messung der Temperatur soll Informationen darüber liefern, wie es im Stock aussieht – ohne dass der Imker einen Blick hineinwerfen muss. So kann er an der Temperatur ablesen, ob das Volk überhaupt noch lebt, ob es im Bienenstock eine Störung gegeben hat oder ob die Bienen das hinzugegebene Futter annehmen. „Die Ausstattung mit Sensoren ist nicht teuer, kostet den Hobbyimker rund 35 Euro“, sagt Brell. Dies sei eine neue, einfache und preiswerte Art, um Daten zu erhalten und mehr über seine Tiere zu erfahren.

Auf dem Dach der Hochschule hat Claus Brell jetzt eine leere Mini-plus-Beute aufgestellt; direkt daneben steht kommende Woche die Beute aus seinem Garten in Willich. Beide sollen jetzt beobachtet werden, und die Ergebnisse sollen miteinander verglichen werden.

Kreis Viersen: Ein Neu-Imker mit Forschungsauftrag
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Doch Imkern ist für Brell mehr als Bienenbeobachtung im Forschungsauftrag. „Unverzichtbar ist der Austausch mit anderen“, sagt der Professor. Als er sich entschieden habe, unter die Bienenzüchter zu gehen, habe er sich auch auf die Suche nach einem Imkerverein gemacht. Er habe sich unterschiedliche Vereine angeschaut, entschieden hat er sich für einen Traditionsverein: den 1903 gegründeten Verein Viersen-Stadt. Dort erhielten Neu-Imker wertvolle Hinweise im Umgang mit Behörden und Hilfen, wenn sich die Bienen nicht so verhalten, wie es im Lehrbuch steht oder auf Youtube dargestellt wird; zudem gibt es regelmäßige Treffen. Und der schnelle Austausch funktioniert per Kurznachricht.

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