Landwirtschaft in Mönchengladbach „Der Verzicht auf Fleisch ist eine Scheinlösung“

Interview · Bio- und konventionelle Betriebe liegen laut dem Vorsitzenden der Kreisbauernschaft Neuss-Mönchengladbach nah beieinander. Der Preis sei immer noch das wichtigste Kaufkriterium.

Wolfgang Wappenschmidt, Vorsitzender der Kreisbauernschaft Neuss-Mönchengladbach, ist der Ansicht, dass Nachhaltigkeit angesichts von Umweltproblemen und Klimawandel stets neu definiert und erarbeitet werden müsse.

Wolfgang Wappenschmidt, Vorsitzender der Kreisbauernschaft Neuss-Mönchengladbach, ist der Ansicht, dass Nachhaltigkeit angesichts von Umweltproblemen und Klimawandel stets neu definiert und erarbeitet werden müsse.

Foto: Ilgner Detlef (ilg)

Herr Wappenschmidt, wie geht es den Landwirten in Mönchengladbach aktuell?

Wolfgang Wappenschmidt Laut einer aktuellen Umfrage hat sich die Stimmungslage unter den deutschen Landwirten, und hier machen die Berufskollegen in Möchengladbach sicher keine Ausnahme, in den letzten Wochen deutlich verschlechtert. Ursache sind vor allem unklare politische und gesetzgeberische Rahmenbedingungen, fehlende Planungssicherheit und eine schwierige Marktlage.

Gab es dieses Jahr Pandemie-bedingt erneut Probleme mit Erntehelfern wie es 2020 zu beobachten war?

Wappenschmidt Die Corona-Pandemie hinterlässt ihre Spuren natürlich auch in der Landwirtschaft, wobei die Infektionsgefahr bei Arbeiten auf dem Acker oder im Stall sicher weniger groß ist als bei Arbeiten in geschlossenen Räumen. Während in 2020 viele Erntehelfer aus Sorge vor einer Corona-Ansteckung nicht nach Deutschland kommen wollten hat sich die Situation in diesem Jahr wieder normalisiert.

Wie verändert das extreme Wetter  die Arbeit der Bauern?

Wappenschmidt Unsere Arbeit und auch unsere jährlichen Anbauentscheidungen werden durch viele Faktoren, etwa veränderte Nachfrage, politische Vorgaben, Beratung der Landwirtschaftskammer und natürlich auch die Folgen der Klimaveränderung, beeinflusst. Die Anpassung an diese Veränderungen findet ständig statt durch neue Sorten, geänderte Anbauverfahren und auch andere Pflanzenarten, wobei letztere zum Beispiel Soja erst auf kleineren Flächen erprobt werden. Aber gerade wegen der Zunahme von Wetterextremen mit Spätfrösten, Starkregen und Trockenheit können einzelbetriebliche Maßnahmen hier aber nur bedingt Abhilfe schaffen. Der Bauernverband fordert daher die einzelbetriebliche Risikovorsorge durch staatlich unterstützte Versicherungslösungen zu stärken.

Sind Verbraucher bereit, für regionale Produkte mehr zu zahlen?

Wappenschmidt Der Preis bleibt für viele Verbraucher, entgegen mancher Umfrageergebnisse, für Lebensmittel das wichtigste Kaufkriterium. Daneben spielen aber Geschmack, Gesundheitsaspekte und Regionalität eine zunehmende Rolle. Wobei Regionalität zu Recht für Frische, hohe Qualitätsstandards bei der Erzeugung und kurze Transportwege steht; dafür zahlen manche Verbraucher auch gerne etwas mehr.

Klappt die Vermarktung im eigenen Hofladen besser?

Wappenschmidt Der Hofladen bietet das, was wir gerade besprochen haben, am besten: Den kürzesten Weg vom Feld oder Stall zum Verbraucher und den direkten Einblick in die Herkunft und Erzeugung der Produkte. Grundlage des Geschäfts ist eine transparente und vertrauensvolle Partnerschaft zwischen Kunde und Landwirt.

Wie stark ist die Konkurrenz zwischen Bio- und Nicht-Bio-Bauern?

Wappenschmidt Landwirte, vor allem wenn sie direkt an den Endverbraucher verkaufen, sind natürlich auch Konkurrenten. Da Bio-Betriebe und konventionelle Betriebe weitestgehend andere Käufergruppen ansprechen, sehe ich die Konkurrenz zwischen diesen vor Ort eher als gering an. In der medialen Diskussion erscheinen die Unterschiede oft sehr groß, sind in der Praxis aber schon viel näher beieinander, als das wahrgenommen wird.

Wie nachhaltig kann moderne Landwirtschaft sein?

Wappenschmidt Nachhaltigkeit bedeutet ja Nutzung unserer natürlichen Lebensgrundlagen, ohne sie für nachfolgende Generationen zu zerstören. Das war und ist das Ziel einer bäuerlichen Landwirtschaft, die nicht kurzfristig, sondern in Generationen denkt. Nachhaltigkeit muss jedoch gerade angesichts von aktuellen Umweltproblemen und Klimawandel stets neu definiert und erarbeitet werden. Das funktioniert nicht mit Instrumenten von gestern, sondern nur durch Nutzung neuster wissenschaftlicher Erkenntnisse und Einsatz modernster technischer Möglichkeiten. Für mich kann daher vor allem eine moderne Landwirtschaft auch nachhaltig sein.

Die NRW-Landesregierung will den Öko-Landbau weiter voranbringen. Bis 2030 sollen 20 Prozent der in NRW landwirtschaftlich genutzten Fläche ökologisch bewirtschaftet werden. Dazu sollen in drei Modellregionen (unter anderem den Niederrhein) Fördergelder fließen. Was halten Sie davon?

Wappenschmidt Nicht nur NRW sondern auch die Bundesregierung und die europäische Kommission wollen den Öko-Landbau deutlich ausdehnen. Die ökologische Wirtschaftsweise gilt als gesünder, umweltfreundlicher, klimafreundlicher, was wissenschaftlich so nicht haltbar ist. Aufgrund niedrigerer Erträge hat die ökologische Wirtschaftsform einen deutlich höheren Flächenbedarf und damit bezogen auf das erzeugte Produkt keinen Umweltvorteil und wirkt sich aufs Klima eher nachteilig aus. Für mich ist daher diese großflächige Extensivierung, angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung, nicht nachvollziehbar. Der als Lösung immer wieder vorgeschlagene Verzicht auf Fleisch ist eine Scheinlösung, da die Viehhaltung weltweit überwiegend auf Flächen stattfindet, die nicht ackerfähig sind und damit auch nicht zur Erzeugung pflanzlicher Nahrungsmittel genutzt werden können. Auch in Deutschland bringt uns eine Extensivierung nicht weiter, zumal wir täglich landwirtschaftliche Flächen für Bebauung, Straßen, Waldvermehrung, Gewässerschutz, Umweltschutz verlieren. Der noch hohe Selbstversorgungsgrad mit Nahrungsmitteln, den wir uns unbedingt erhalten sollten, und eine regionale Erzeugung, sind mit einer Öko-Landwirtschaft nicht sicherzustellen und würden alle Lebensmittel deutlich teurer machen.

Anneli Goebels und Carsten Pfarr stellten die Fragen.
Das komplette Interview ist unter www.rp-online.de/moenchengladbach zu lesen.

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