Kommunalwahl in Mönchengladbach Die Bilanz der Groko

Mönchengladbach · Faktencheck Vor sechs Jahren unterzeichneten CDU und SPD ihre Kooperationsvereinbarung „Gemeinsam mehr für Mönchengladbach bewegen“. Was ist aus den Versprechen geworden? Eine Übersicht zu den Bereichen Verkehr, Wohnen, Wirtschaft und Stadtentwicklung.

 Die Roermonder Höfe als Beispiel für neuen Wohnraum. 

Die Roermonder Höfe als Beispiel für neuen Wohnraum. 

Foto: Andreas Gruhn

Es ist drei Jahre her, als es das erste Mal krachte in einer Zweckehe im Mönchengladbacher Stadtrat. CDU und SPD, kurz Groko (Große Koalition) genannt, stritten sich erstmals seit Beginn ihrer Zusammenarbeit im Jahr 2014 über die städtische Beteiligung an der Gay*Com in Mönchengladbach, einer Art Städtetag von Lesben, Schwulen, Bi- und Transsexuellen.

Es war einer von wenigen auf offener Bühne ausgetragenen Streitigkeiten zwischen beiden Fraktionen, denen man zu Beginn der Wahlperiode noch ganz andere Krisen vorausgesagt hatte. Schließlich hätten CDU und FDP zusammen mit OB Hans Wilhelm Reiners auch eine eigene, wenn auch hauchdünne Mehrheit gehabt. Und schließlich hatten CDU und Grünen vor Beginn der Groko auch lange über eine Kooperation verhandelt. Schwarz-Gelb und Schwarz-Grün sind im Nachhinein fast undenkbar geworden, jedenfalls wurden die Auseinandersetzungen zwischen Mehrheit und Opposition im Rat über die Jahre immer heftiger. Und gipfelten im Streit um das „Sven“-Debakel der NEW, jenem missglückten und auf Geheiß der Bezirksregierung rückabgewickelten Investment in ein Elektroauto, dem die Fraktionschefs Hans Peter Schlegelmilch (CDU) und Felix Heinrichs (SPD) als NEW-Aufsichtsräte zugestimmt hatten. FDP, Grüne und Linke arbeiteten eng zusammen, und das schweißte auch oberflächlich zumindest CDU und SPD zusammen, wenn es auch innerhalb der Fraktionen kräftig brodelte.

Über die Zusammenarbeit in der Groko verliert Schlegelmilch heute kein schlechtes Wort. „Wir haben das vernünftig miteinander geschafft“, sagt der CDU-Politiker. „Wir haben gute Arbeitsbeziehungen ausgeprägt, wir sind fit dafür, das weiter zu machen.“ Sicher, die Groko im Stadtrat hat vieles bewegt. Aber nicht für alles gab’s Applaus. Über die Jahre wuchs der Eigensinn, die Entscheider haben immer mehr vergessen, die Menschen mitzunehmen. Und die begannen sich zu wehren, etwa beim Protest gegen den Verkauf von Haus Erholung mit erfolgreichem Bürgerbegehren.

Das haben die CDU und SPD in ihrem Kooperationsvertrag 2014 versprochen, und das ist dabei herausgekommen.

 Das Busnetz in Mönchengladbach wurde modernisiert.

Das Busnetz in Mönchengladbach wurde modernisiert.

Foto: Detlef Ilgner/Detlef ilgner

Verkehr

„Ein neues Mobilitätskonzept zur Vernetzung aller Verkehrsformen ist mit externer Begleitung zeitnah zu erarbeiten. (...) Das Mobilitätskonzept ist mit den Bürgern in offenen Foren zu diskutieren.“

 Im Nordpark haben sich neue Unternehmen angesiedelt.

Im Nordpark haben sich neue Unternehmen angesiedelt.

Foto: Bauch, Jana (jaba)

Eine vage Formulierung. Tatsächlich gibt es einen Mobilitätsplan, wiewohl es viele Pläne gibt. Einen Nahverkehrsplan etwa und einen Masterplan Nahmobiltät (für Fußgänger- und Radfahrer). Wenn viel Papier bewegt worden ist, dann heißt das noch lange nicht, dass damit auch wirklich viel bewegt worden ist. Auf Mönchengladbachs Straßen herrscht ein munteres Wechselspiel des Tempolimits (mal 30, mal 40, mal 50 km/h), wobei dies unter anderem auch dem Lärmaktionsplan geschuldet ist. Bisher ist es nicht zu einem flächendeckenden Tempolimit von 30 abseits der Hauptverkehrsstraßen gekommen. Immerhin die sind inzwischen definiert.

Der Radverkehr wurde in der Stadt spürbar ernster genommen als all die Jahrzehnte zuvor, die Bemühungen sind aber noch frisch. Eine Blaue Route, zwei Radstationen an den Bahnhöfen, mehr Fahrradbügel sind sichtbare Veränderungen, viele Verbesserungen wie Radschnellwege, weitere Fahrradstraßen und mehr wird es erst in den kommenden Jahren geben. Die Groko hat den Nahverkehr ausgebaut, das Busnetz und die Taktzeiten wurden moderat erweitert. Heftig umstritten war die Herausnahme des Busverkehrs auf der Hindenburgstraße bergab. Die Busse fahren dort nur noch bergauf. Ein neuer Busbahnhof soll gebaut werden auf kleinerer Fläche. Aber das ist Zukunftsmusik.

 Für Radfahrer hat sich einiges in Mönchengladbach getan.

Für Radfahrer hat sich einiges in Mönchengladbach getan.

Foto: Christian Albustin

Wirtschaft

„Hochschule und Wirtschaft müssen Akzente setzen und Impulse für neue Entwicklungen geben, um Potentiale zu nutzen. Dabei wollen wir sie unterstützen. Strategische Partnerschaften, die ein neues Gründungsklima schaffen, sind anzustreben.“

Mönchengladbach hat einen immensen Jobboom erlebt in den vergangenen Jahren. Durch die Fokussierung auf Logistik und die Ansiedlung neuer Unternehmen, etwa im Regiopark und im Nordpark, sind viele neue Arbeitsplätze entstanden, inzwischen gibt es mehr als 100.000 sozialversicherungspflichtige Stellen. Besonders die Ansiedlung von Amazon in Rheindahlen und Zalando im Regiopark hat viele Langzeitarbeitslosen einen Job gebracht. Problematisch ist allerdings, dass die Stadt viele hochqualifizierte Arbeitsplätze gerade in der Industrie verloren hat. Gladbach ist ein Dienstleistungsstandort geworden.

Die Wirtschaft übt stellenweise harsche Kritik an der Stadt. Vor allem Straßen und Breitbandausbau wurden in einer Studie der IHK 2018 von den Unternehmen bemängelt – neben der Erhöhung der Gewerbesteuer Anfang 2016. Glasfaser gibt es bisher nur in Randbezirken, aber auch bei Gewerbegebieten. Dabei hatte die Groko in ihrer Vereinbarung genau das als Grundvoraussetzung bezeichnet und gleichzeitig freies W-Lan in der Innenstadt versprochen. Das gibt es auch tatsächlich, wenn auch nur für zwei Stunden am Tag.

Die Groko wollte den Flughafen weiter als Geschäftsflieger- und Werftenstandort profilieren. Gegen Ende der Wahlperiode, mit der Übernahme der Anteile aus Düsseldorf, wurde es ernst damit. Es gibt inzwischen eine Strategie, die genau das verfolgt. Von einem Gründungscampus ist die Rede: Legt man zugrunde, was in den vergangenen Jahren rund um die Hochschule passiert ist mit Textilakademie, NEW-Blauhaus und dem entstehenden Hochschulquartier, aber auch etwa dem Coworking-Space im Westend, lässt sich sagen: Es tut sich einiges, um die Stadt als Wissensstandort zu etablieren. Und genau das hat als Wirtschaftsförderungsstrategie die Fokussierung auf Logistik abgelöst.

Wohnen

„Das Handlungskonzept Wohnen gibt eine klare Richtung für die kommenden Jahre vor. Dieses Konzept wollen wir als Richtschnur nehmen und gezielt auf Förderangebote hinweisen. Diese Angebote werden wir darüber hinaus ausweiten.“

Wenn es um geförderten Wohnungsbau geht, dann hat die Groko über weite Strecken versagt. In vielen Jahren ist noch nicht einmal ansatzweise die zur Verfügung stehende Fördersumme des Landes in voller Höhe abgerufen worden. Erst 2019 und 2020 änderte sich das, für dieses Jahr ist sogar eine Überzeichnung zu erwarten. Das liegt vor allem daran, dass Seestadt-Investor Catella 45 geförderte Wohnungen baut. Es hat Jahre gedauert, bis die Stadt einen Wohnungsmarktbericht aufgelegt hat, der eine neue Grundlage für die Wohnungspolitik der kommenden Jahre sein wird. Wovon in der Kooperationsvereinbarung nicht die Rede ist, ist eine Stadtentwicklungsstrategie mit Namen „mg+“, die Planungsdezernent Gregor Bonin (CDU) entworfen hat. Der Fokus lag klar darauf, Familien und gut ausgebildete junge Leute mit besserem Wohnungsangebot in die Stadt zu locken. Das ist gelungen mit zahlreichen Wohnungsprojekten und einigen Neubaugebieten. Dabei spielte der Stadt in die Karten, dass anderswo die Preise ins Nirwana drifteten und die Investoren bereit waren, nach Mönchengladbach zu kommen. Ob nun großes Kapital oder kleine Hausbauer. Dennoch bleibt die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum gerade bei der Sozialstruktur Mönchengladbachs das größte Problem.

Stadtentwicklung

„Die Ideen des Masterplanes begreifen wir als stadtplanerische Neuausrichtung, die nicht nur das Gesicht Mönchengladbachs verändern wird.“

In keinem anderen Bereich ist in Mönchengladbach in den vergangenen Jahren so viel passiert wie im Bereich Planen und Bauen. Millionenprojekte am Hauptbahnhof („19 Häuser“ und Busbahnhof), das Integrierte Handlungs- und Entwicklungskonzept in Alt-Gladbach mit Bibliotheksumbau und vielem mehr, die Seestadt in der ehemaligen City-Ost, die Maria-Hilf-Terrassen, auch der inzwischen abgeschlossene Umbau der Sozialen Stadt Rheydt, jetzt die Masterpläne für die Stadtbezirke und die IHEK-Programme für Wickrath und Rheydt – es ist erstaunlich, wie viel die Stadtspitze und Groko sich vorgenommen haben.

Umgesetzt ist davon bisher so gut wie nichts, aber manches steht kurz davor. Keine Frage, das Gesicht der Stadt wird in wenigen Jahren so stark verändert wie vorher in Jahrzehnten nicht. Planungsdezernent und Stadtdirektor Gregor Bonin forciert das in hohem Tempo und vergisst dabei auch an mancher Stelle, die Menschen mitzunehmen und sie genauso für die Visionen zu begeistern wie Investoren. An manchen Stellen wurde Übereifer sichtbar, etwa in dem Streit um Gestaltungssatzung und Blumenkübel, als man dem Rheydter Gastwirt die schmucken Pötte verbat und dafür eigene Plastikeimer mit Grün aufstellte. Das war zu viel, zu sehr überreguliert, was Bürger erzürnte. Für Planer eine Kleinigkeit, für Bürger nicht. Diese Art der Politik gefährdete sogar die Einführung der Rolltonne durch die ebenfalls neu eingerichtete Stadttochter Mags. Gegenwind wurde selbst geschaffen durch die politische Kultur.

Es scheint allerdings, als hätten Stadtspitze und Groko diese Lektion spät gelernt und gehen es etwa beim Thema Busbahnhof als Konsequenz daraus etwas vorsichtiger an.

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