Medizin in Mönchengladbach Wenn ein Roboter zum OP-Team gehört

Mönchengladbach · Roboter-Arme ersetzen bei modernen Operationssystemen das Skalpell in Chirurgen-Hand. Die Kliniken Maria Hilf haben sich als zweites Krankenhaus in Mönchengladbach ein solches Gerät zugelegt. Wie es funktioniert und was es leistet.

 Sieht futuristisch aus, hält aber in immer mehr Krankenhäusern Einzug: der Op-Roboter da Vinci.

Sieht futuristisch aus, hält aber in immer mehr Krankenhäusern Einzug: der Op-Roboter da Vinci.

Foto: Ilgner,Detlef (ilg)/Ilgner Detlef (ilg)

Okay, „Pille“, der Doktor an Bord des Raumschiffs Enterprise, kam meist mit kleineren Geräten aus. Aber der Weltraum-Doc operierte in der Serie ja auch im 23. Jahrhundert. Daher dürfen gewöhnliche Sterbliche des 21. Jahrhunderts schon an die Enterprise und andere Science-Fiction-Streifen denken, wenn sie vor da Vinci stehen: Vier armdicke Tentakel mit Gelenken, an jedem Arm ein Andock-Platz für ein medizinisches Instrument – das Ganze aufgehängt an einem Korpus, in dessen Mitte ein Kreuz von einem Kreis umgeben in bläulichem Licht schimmert. Faszinierend!

Vor allem, wenn man weiß, dass es sich nicht um einen Roboter handelt, der am Fließband immer gleiche Teile an die gleiche Stelle eines Autos schraubt, sondern um Gerätschaft, mit dem Prof. Andreas Kirschniak in den Kliniken Maria Hilf Patienten operiert. Und zwar minimal-invasiv, was dem Laien beim Anblick eines solchen 1,5 Tonnen schweren Apparats zunächst nicht in den Kopf will.

Ist aber so. Denn an den Tentakeln werden für Operationen Instrumente angebracht, die durch kleine Einschnitt-Löcher in der Bauchdecke in den Körper des Patienten eindringen, nach allen Seiten drehbar ihre Arbeit verrichten – überwacht von einer Kamera, die das Innenleben und das Geschehen dreidimensional in Full-HD  auf Bildschirme überträgt – und dem durch ein Binokular schauenden Operateur Bilder in zehnfacher Vergrößerung liefert.

 Andreas Kirschniak steuert da Vinci von diesem Cockpit aus.

Andreas Kirschniak steuert da Vinci von diesem Cockpit aus.

Foto: Ilgner,Detlef (ilg)/Ilgner Detlef (ilg)

Das soll auch und gerade bei komplizierteren Eingriffen in unzugänglicheren Körperregionen – etwa im Becken oder am Enddarm – präzisiere Schnitte erlauben, die für weniger Narben sorgen, Nervenstränge stärker schonen, weniger infektionsanfällige Wunden hinterlassen und die Erholungszeit nach der OP verkürzen. Der Operateur ist nicht mit einem Skalpell in der Hand über den – womöglich weit geöffneten – Bauchraum eines Patienten gebeugt, sondern steuert die vier Tentakel da Vincis von einem Cockpit am Rand des OP-Tisch. Und zwar mit Fußschaltern, aber vor allem mit beiden Händen: Kirschniaks Daumen und Mittelfinger liegen in Schlaufen, der Zeigefinger ruht auf einer Art Maus-Rad – und mit der nötigen Übung und viel Fingerspitzengefühl wird da Vinci so  gelenkt.

 Schwester Ursula Esser kümmert sich die um die Instrumente und die sterile Verpackung der Tentakel des Geräts.

Schwester Ursula Esser kümmert sich die um die Instrumente und die sterile Verpackung der Tentakel des Geräts.

Foto: Ilgner,Detlef (ilg)/Ilgner Detlef (ilg)

Eine allzu futuristisch anmutende Methode für den ein oder anderen Patienten? „Eigentlich  nicht. Wenn ich den Patienten erkläre, wie das funktioniert, sind sie in der Regel angetan“, sagt Kirschniak. Beruhigend ist womöglich auch: Der Operateur hat das Sagen und die Kontrolle – und nicht der Roboter. Sollte der Technik-Knecht einmal streiken, könnte Kirschniak auch das Skalpell ansetzen. Auch das hat er gelernt, obwohl er sich schon vor mehr als zehn Jahren an der Uniklinik Tübingen mit roboter-assistierter Chirurgie beschäftigte.

Brandneu und unerprobt ist das OP-System auch nicht mehr. Ende der 1990er Jahre entstand ein Prototyp in den USA, wo solche Geräte nach der Zulassung seit 2000 schon Tausendfach in Kliniken installiert wurden. Das erste Gerät in Mönchengladbach legte sich 2018 das Elisabeth-Krankenhaus zu.

In den Kliniken Maria Hilf soll Kirschniak den Einsatz des gut zwei Millionen Euro teuren Systems vorantreiben. Der Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie brachte viel Erfahrung mit da Vinci aus Tübingen mit. Nach und nach soll der Einsatz nun auf Fachgebiete wie Urologie und Thoraxchirurgie und  diverse OP-Arten ausgedehnt werden. Eingriffe bei Darmkrebs sind beispielsweise möglich, ebenso an Magen, Speiseröhre, Nebennieren, Milz und Leber.

 Das ist die Hand- und Fußsteuerung des Roboters.

Das ist die Hand- und Fußsteuerung des Roboters.

Foto: Ilgner,Detlef (ilg)/Ilgner Detlef (ilg)
 Durch dieses Okular schaut Kirschniak auf einen Bildschirm.

Durch dieses Okular schaut Kirschniak auf einen Bildschirm.

Foto: Ilgner,Detlef (ilg)/Ilgner Detlef (ilg)

Der ein oder andere vor dem Ruhestand stehende Chirurg mag das Skalpell vielleicht nicht gerne aus der Hand legen oder nicht auf noch etabliertere minimalinvasive OP-Techniken verzichten zugunsten von so viel High-Tech. Doch Kirschniak (45) ist überzeugt, dass solcher Technik die Zukunft gehört. Zumal bei Chirurgen seiner Generation, die mit Computern, Bildschirmen und Joysticks aufgewachsen sind.

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