Mönchengladbach Kirchenaustritte nehmen zu

Mönchengladbach · Die Entscheidungen des Papstes und steuerliche Gründe führen dazu, dass immer mehr Katholiken sich von der Kirche abwenden. Andere versuchen – jetzt erst recht – ihre Gemeinschaft kritisch und konstruktiv zu gestalten.

Die Zahl der Kirchenaustritte steigt. Im Januar haben in Mönchengladbach 32 Katholiken ihrer Kirche den Rücken gekehrt, in der ersten Hälfte Februar waren es 22. Im Vergleich zum Vorjahr (2008: Januar 24 Austritte, erste Hälfte Februar 15) ist das keine eklatante Steigerung, aber ein deutlicher Hinweis. Annette Weiß ist Justizhauptsekretärin. Sie sitzt im Mönchengladbacher Amtsgericht an dem Schreibtisch, an dem die Menschen ihren Austritt beantragen. "Manchmal frage ich aus Interesse nach den Gründen", sagt sie. "Viele geben unumwunden zu, dass sie die Kirchensteuer einsparen wollen. In letzter Zeit kommt aber auch der Papst ins Spiel." Das, was das Oberhaupt der Kirche da in Rom tue, sei nicht in Ordnung. Deshalb der Austritt jetzt.

Viele Diskussionen

Ralf Arnolds leitet die Jugendfreizeitstätte in Holt. Er hat in den letzten Wochen viele Diskussionen mit jungen Menschen geführt. "Die aktuellen Entscheidungen des Papstes werden sehr genau beobachtet und analysiert." Die jungen Katholiken seien entsetzt über die Aussagen des Holocaust-Leugners Bischof Richard Williamson und des Linzer Weihbischofs Gerhard Maria Wagner, der inzwischen wegen des enormen öffentlichen Drucks sein neues Amt schon wieder abgegeben hat. "Unsere Diskussionen führen aber nicht dazu, dass die Jungen und Mädchen sich von der Katholischen Kirche abwenden", sagt Arnolds. "Im Gegenteil, sie sind entschlossen, die Gemeinschaft, in der sie leben, kritisch und konstruktiv mitzugestalten."

Beim Bistum Aachen hält man sich bedeckt, was die Zahl der Kirchenaustritte betrifft. "Wir kennen die genauen Zahlen nicht. Allerdings haben wir in den letzten Wochen sehr viele Briefe und Mails bekommen", sagt Pressesprecher Franz Kretschmann. Es gebe deutliche Kommentare zu den Entscheidungen des Papstes. "Und viele fragen nach, wie sie aus der Kirche austreten können." Der Handlungsspielraum des Bistums sei eingeschränkt. "Aber wir können die Entscheidungen, die im Vatikan getroffen wurden, nicht einfach hinnehmen." Die Bischöfe seien intensiv um Klärungen bemüht.

Kretschmann ist der Überzeugung, dass in vielen Fällen die umstrittenen Taten des Papstes "das Fass zum Überlaufen bringen". Katholiken, die schon vorher Enttäuschungen hinnehmen mussten, seien jetzt zum Austritt entschlossen. "Das ist dann nur noch der letzte Schritt", sagt er. "Diese Menschen sehen keinen Nutzen mehr in der Pfarrzugehörigkeit."

Regionaldekan Ulrich Clancett konstatiert einen Unterschied zwischen Großstädten und eher ländlichen Gebieten. "In den Ballungszentren gibt es deutlich mehr Kirchenaustritte als in den Dörfern." Er ist sicher: "Die Auswirkungen werden wir erst später zu spüren bekommen."

(RP)
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