Mönchengladbach Keine Bank finanziert der Borussia Spieler

Mönchengladbach · Interview mit Borussias Geschäftsführer Stephan Schippers über das Vertrauen in den Trainer Michael Frontzeck, die große wirtschaftliche Stärke des Vereins, die Schwierigkeit, einen Stadionnamen zu verkaufen und die Planungen in die Zukunft Borussias mit einem Hotel, einer Soccer-Halle und einem Museum.

 "Wir sind in der guten Situation, dass wir nichts verkaufen müssen, weder Spieler noch Anteile", sagte Stephan Schippers.

"Wir sind in der guten Situation, dass wir nichts verkaufen müssen, weder Spieler noch Anteile", sagte Stephan Schippers.

Foto: Dieter Wiechmann

Wie sieht Ihre Bilanz 2010 aus?

Schippers Wenn wir uns zurückbesinnen auf die Zeit vor der Saison und das, was wir vorhatten, und jetzt sehen, was passiert ist, dann entspricht das natürlich nicht unseren Erwartungen. Mit zehn Punkten auf Platz 18 zu stehen, ist eine ernste Situation, das muss man angehen. Aber wir sind der festen Überzeugung, mit diesem Trainer, den Verletzten, die zurückkommen und der einen oder anderen Verstärkung die Klasse zu halten.

Warum bleiben Sie bei Michael Frontzeck als Trainer?

Schippers Weil wir der Überzeugung sind, dass das richtig ist. Der Trainer kann nichts für die Verletzungen und die Dinge, die danach passiert sind. Die jungen Spieler brauchen Stützen, dafür ist beispielsweise ein Dante ganz wichtig und auch ein Brouwers. Der Mittelblock ist uns weggefallen. In einer solchen Situation muss man etwas verändern und einen entsprechenden Reiz setzen. Entweder macht das der Verein, oder der Trainer setzt einen Reiz in die Mannschaft hinein und zeigt ihr den Weg aus dieser ernsten Lage. Das heißt nicht, dass man automatisch alle Spiele gewinnt, wenn alle dabei sind. Es wird eine schwere Aufgabe, aber dieser Aufgabe stellen wir uns mit dem Trainer.

Um unter Umständen auch mit Frontzeck in der Zweiten Liga wieder den Aufstieg in Liga Eins zu schaffen?

Schippers Warum sollen wir uns Gedanken um solche Dinge machen? Lassen Sie uns doch erst einmal in die Rückrunde gehen. Wir wollen Kontinuität.

Aber dann wäre doch gerade das konsequent.

Schippers Das ist richtig. Aber lassen Sie uns doch erstmal den Abwärtstrend stoppen. Es ist der schwierigere Weg, ja. Aber wir sind der Überzeugung, dass wir mit einem anderen Trainer nicht die größere Wahrscheinlichkeit des Klassenerhalts hätten. Man sieht es aktuell bei anderen Vereinen in unserer Situation, dass ein Trainerwechsel nicht die beste Lösung sein muss.

Es gibt Ansätze, den Verein zu verändern. Wie sehr hängen diese Veränderungen vom sportlichen Fortkommen ab?

Schippers Es ist doch klar, dass der Unmut dann hochkommt, wenn es schlecht läuft. Aber es ist die Frage, ob Borussia Dortmund Herbstmeister aufgrund seiner Vereinsstruktur geworden ist. Oder hat sich die Struktur von Werder Bremen in den letzten fünf Jahren geändert? Wir sind sehr gut aufgestellt. Die Mitglieder haben ein großes Mitwirkungsrecht. 2002 haben wir unsere Kapitalgesellschaft, die GmbH, ausgegliedert und dabei das Mitspracherecht der Mitglieder festgeschrieben. Denn die Mitglieder wählen den Aufsichtsrat des Vereins und personenidentisch auch den der Kapitalgesellschaft mit dem Lizenzspielbetrieb. Unsere Mitglieder haben also ein großes Mitspracherecht.

Der Vorwurf lautet, der Präsident habe zu viel Entscheidungsgewalt und der Aufsichtsrat sei zu schwach.

Schippers Dieses Präsidium hat 1999 die Aufgabe angenommen, den am Boden liegenden Verein zu sanieren, hat umstrukturiert, konsolidiert und mit dem Stadionbau ein gehöriges Stück Zukunft geschaffen. Nun zu sagen, die Strukturen stimmen nicht und die Personen sind die falschen, ist eine gewagte Aussage. Und zu behaupten, der Aufsichtsrat ist ein zu schwaches Kontrollgremium, ist schwer nachzuvollziehen. Wenn der Aufsichtsrat sich in der Öffentlichkeit bewegen würde, wäre er dann stärker oder schwächer? Für die Ruhe, die dieser Verein ausstrahlt, werden wir in Fußball-Deutschland beneidet, und dafür braucht es einen starken Aufsichtsrat.

Trotzdem kommt es auf der Mitgliederversammlung zur Abstimmung.

Schippers Ja. Unsere Aufgabe ist es, die Mitglieder über die Auswirkungen der Satzungsänderungsanträge zu informieren. Es gibt auch Antragsteller, die keine Pressekonferenz gebraucht haben, um sich zu präsentieren. Ich bin mir sicher, dass die Mitglieder das für den Verein richtige entscheiden werden. Dass es Unmut gibt in unserer sportlichen Situation, ist etwas ganz anderes. Das muss man sauber trennen. Die Mitglieder sehen aber erstmal das Sportliche.

Wie kann man das trennen?

Schippers Wir sind doch auch nicht glücklich über Platz 18. Wir hinterfragen uns Tag und Nacht, und zwar in mehreren Köpfen und in allen Gremien. Fakt ist aber: Die Mitglieder müssen diese beiden Ebenen trennen. Einmal den Unmut über den Sport, und auf der anderen Seite die Frage, wie sich dieser Verein nachhaltig entwickeln muss. Wir haben vor elf Jahren sämtliche Rechte, die veräußert waren, zurück erworben und dem Verein eine schlanke Struktur gegeben: Den Verein, die Kapitalgesellschaft, in der der Spielbetrieb steckt, und die beiden Tochtergesellschaften Medicoreha und PPG, die Parkplatzgesellschaft. Und mit dieser Struktur stehen wir sehr gut da. Nur stehen wir sportlich aktuell auf Platz 18. Nun müssen die Mitglieder entscheiden: Wollen sie einen anderen Weg gehen? Wollen sie es zulassen, Rechte zu veräußern, um Gelder zu generieren, um diese Gelder in den Sport zu stecken? Das muss nicht zwangsläufig zu Erfolg führen, aber kann zu finanziellen Schwierigkeiten führen. Wir haben 1999 am seidenen Faden gehangen, und das haben unsere Mitglieder nicht vergessen.

Wenn es 2011 zu einem erneuten Abstieg kommt…

Schippers … ist dieser Verein aufgestellt und wird keine finanziellen Probleme bekommen. Wir stecken das Maximum in die Mannschaft, werden aber niemals die Existenz des Vereins aufs Spiel setzen. Wir veräußern nichts Zukunftsweisendes.

Welche Möglichkeiten hat man, den Verein nach vorne zu bringen? Ist dieser Weg, Gelder zu generieren derjenige, mit dem man schneller vorankommt?

Schippers Es ist eine Glaubensfrage, ob man Anteile veräußert, um auf automatischen Erfolg zu hoffen. Nein: Wir haben den Verein auf eine finanzielle Basis gestellt, er ist autark, und steckt das Maximum in den Sport. Das nennen wir solides Wirtschaften. Wenn das dem einen oder anderen zu langsam geht, dann ist das so. Wir haben letztes Jahr eine respektable Saison gespielt. Jetzt stecken wir in einer Situation, in der eine Verletzungsserie der Auslöser für unsere Situation war. Wenn man Hannover in der vergangenen Saison sieht, haben sie den Abstieg verhindert und spielen jetzt eine respektable Hinrunde. Diese Kontinuität ist das, was wir uns bei Borussia wünschen. Gerade in schwierigen Zeiten.

Ein Weiterkommen im Pokal hätte 1,5 Millionen Euro gebracht. Also kann man das Sportliche nicht ganz vom Wirtschaftlichen trennen.

Schippers Die kaufmännische Kalkulation folgt dem Sport. Insofern war das Aus sehr ärgerlich.

Das Geld für Zugänge muss man jetzt aus Rücklagen nehmen?

Schippers Ja.

Die sind aber vorhanden?

Schippers Wir haben im Januar 2009 massiv investiert, weil wir der Meinung waren, nur so die Klasse halten zu können. Heute sind wir der Meinung, dass wir wegen der Verletzten nachlegen müssen, was nicht geplant war. Wenn der Kader komplett ist, sind wir der Meinung, dass er die Klasse halten kann. Aber man kann nicht nur mit guter Hoffnung und gutem Glauben in den Kader in die Rückrunde gehen.

Leute wie Raúl Bobadilla und Logan Bailly waren sehr große Investitionen. Schippers Und wir haben beide nicht abgeschrieben.Aber in der Bilanz wirken sich beide nicht gut aus.

Schippers Und was ist mit Marco Reus? Und mit Dante? Man darf sich nicht nur die negativen Beispiele herauspicken. Diesem Kader wird Qualität attestiert, und das lassen wir uns auch nicht zerreden. Wenn alle gesund sind, werden wir mit dem einen oder anderen Reiz in die Mannschaft die Klasse halten.

Es gibt den Vorwurf, dass ein ehrenamtliches Präsidium die Geschäftsführung bestimmt. Können Sie das nachvollziehen?

Schippers Für das operative Tagesgeschäft sind Max Eberl und ich zuständig. Wir haben einmal in der Woche eine Präsidiumssitzung, die dauert in der Regel eine Stunde. Das Tagesgeschäft ist aber mehr als eine Stunde, das dürfte jedem einleuchten. Aber grundlegende strategische Entscheidungen werden mit Präsidium und Aufsichtsrat gefällt. Hier entscheiden nicht zwei Leute alles. Wir sind mehr als professionell aufgestellt. Wir debattieren nach innen auch mal heftig, aber Entscheidungen müssen nach außen von allen vertreten werden. Was wir 1999 hatten, dass jeder eine Meinung in der Öffentlichkeit vertreten hat, das ist nicht gut für einen Verein.

Bei den Vorwürfen, die von außen kommen, geht es doch eher um Köpfe als um Strukturen. Ist Fußball zu öffentlich geworden?

Schippers Nein, davon lebt ein Verein. Es muss aber ein gesundes Miteinander sein. Die Initiative spricht davon, Borussia müsse wieder das werden, was es einmal war.

Ist es ein Problem, dass die meisten Fans Borussia noch immer in der Region um Bayern München ansiedeln?

Schippers Wir wissen um unsere Tradition, und darauf sind wir auch stolz. Aber wir wissen auch, wie die Bundesliga heutzutage ist: eine der härtesten Ligen der Welt. Da sollte man Träumereien ausschließen.

Gibt es einen Dialog mit der Initiative Borussia?

Schippers Das ist ein Satzungsänderungs-Antrag wie jeder andere. Und genauso gehen wir damit auch um. Wir haben von den Antragstellern einen Brief bekommen, und der Ehrenrat hat ganz normal geantwortet.

Was macht die wirtschaftliche Kraft Borussias aus?

Schippers Erstens: Borussia ist unabhängig. Der Verein ist aus dem operativen Geschäft nicht verschuldet. Es gibt nur die planmäßigen Kreditrückzahlungen für das Stadion. 2017 sind die Bankdarlehen zurückgezahlt, danach folgen die städtischen Darlehen. Dieses Stadion arbeitet wirtschaftlich solide. Zweitens: Wir sind Eigentümer sämtlicher Rechte wie Catering, Merchandising, Marketing und TV-Vermarktung. Das hat nur ein ganz kleiner Teil der Klubs in der Liga. Im schlimmsten Fall des Abstiegs, so schlimm er sportlich wäre, ist der Verein in der Lage, sich zu helfen. Das ist eine der Stärken Borussias. Der sportliche Abstieg führt nicht zu finanziellen Problemen. Borussia bleibt Borussia. Und darauf sind die Fans zurecht stolz. Das ist die Basis für das Sportliche.

Also ganz anders als vor elf Jahren.

Schippers 1999 hatte der Verein kein Stadion, hohe operative Schulden und verschiedene Rechte veräußert. Borussia war ein Torso.

In der letzten Bilanz wurde Gewinn ausgewiesen.

Schippers Borussia macht seit Jahren Gewinn. Im Geschäftsjahr 2009 haben wir im operativen Geschäft rund 900 000 Euro plus gemacht.

Wann wird der Stadionname verkauft?

Schippers Wir haben unsere Vorstellungen bislang am Markt nicht durchsetzen können. Wir wollen zwei Millionen Euro im Jahr bei einer Laufzeit von zehn Jahren unter Wahrung der Identität Borussias und der Beibehaltung des Namens Borussia-Park für das gesamte Areal. Das ist der wichtigste Punkt, denn das Stadion ist das Zuhause von Borussia Mönchengladbach. Diese Spielregeln haben wir mit den Fans erarbeitet. Wir hatten zum Beispiel einen Namenssponsor, der das Stadion abends blau illuminieren wollte. Da war die Diskussion für uns beendet. Man darf nicht für den kurzfristigen Vermarktungserfolg an seine Identität gehen.

Braucht Borussia ein Hotel?

Schippers Nein, nicht unbedingt. Genauso wie beim Stadionbau muss eine solche Investition Mittel zum Zweck sein. Das Stadion war Mittel zum Zweck, kein Selbstzweck. Ein Hotel, eine Soccer-Halle, ein Museum, ein Fanshop sind Mittel zum Zweck. Und zwar zum Zweck Fußball. Wir wollen die Einnahmesituation nachhaltig entwickeln durch neue Geschäftsfelder. Wir haben die Grundstücke gekauft, um nicht einkaserniert zu werden und befinden uns in der Planungsphase. Nur wenn wir da einen Strich drunter ziehen und das Ergebnis positiv ist, können wir den Aufsichtsrat überzeugen, Banken überzeugen und die Landesregierung als Bürge davon überzeugen, von ihrem Einspruchsrecht nicht Gebrauch zu machen und uns diese Investition zu erlauben.

Es wird argumentiert, der Verein sollte lieber Spieler kaufen statt ein Hotel zu bauen.

Schippers Aber genau das ist zu kurz gesprungen. Wir können nicht zu unserer Bank gehen und uns einen Kredit für Spieler geben lassen. Das ist purer Populismus. Fakt ist: Wir brauchen kein Hotel. Aber wenn es uns Geld bringt, also Mittel zum Zweck ist, dann denken wir darüber nach. Wir bauen doch kein Hotel, um Beton zu haben, sondern um Geld für die Mannschaft zu verdienen. Wann kann das Hotel stehen?

Schippers Darüber mache ich mir überhaupt keine Gedanken. Mich interessieren Zahlen.

Wie wird es finanziert?

Schippers Borussia hat die Grundstücke gekauft, das ist unsere Kapital-Einlage. Das Hotel wird kreditiert und muss sich am Ende eigenständig rechnen. Die Handball-Abteilung hat beispielsweise in der Vergangenheit vorgeschlagen: Lasst uns eine Halle für Handball bauen mit Zuschauerrängen. Aber jedes einzelne Investment muss sich selbst refinanzieren. Das funktioniert bei einer solchen Halle nicht. Genauso kann bei einer Fußball-Halle der Ausschlag für den Bau nur sein, dass sie sich selber refinanziert. Genauso war es bei unserem Rehazentrum Medicoreha. Unten drunter steht immer: Geld verdienen für die Mannschaft. Jedes Investment ist Mittel zum Zweck.

Ist Borussia zukunftsfähig?

Schippers Ja.

Auch sportlich?

Schippers Ja.

Hätten Sie Berti Vogts und Günter Netzer auf diesem Weg besser mitnehmen können?

Schippers Beide sind ganz verdiente ehemalige Spieler. Wir wünschten uns ja, sie wären näher am Verein.

Wissen die beiden, was im Verein läuft?

Schippers Ich wüsste nicht wie. Sie sind beide in ihre Aufgaben im Ausland stark eingebunden.

Ihr Dortmunder Kollege Hans-Joachim Watzke tritt sehr entschieden für einen neuen Verteilungsschlüssel der TV-Gelder ein.

Schippers Es gibt zwei wichtige Fragen in der DFL: Bei der "50 plus eins-Regel" sind wir relativ stringent aufgestellt. Das darf nicht aufgeweicht werden. Und 2013 steht ein neuer TV-Vertrag an. Die Verteilung der TV-Gelder ist sicherlich zu diskutieren. Wir sollten das Solidar- und das Leistungsprinzip beibehalten, aber es muss ein Regulativ geben, das das Zuschauerinteresse berücksichtigt. Man kann ja messen, von welchem Verein welcher Zuschauer kommt. So wird es zwar komplizierter, aber gerechter.

Das Interview führten Andreas Gruhn, Karsten Kellermann und Dieter Weber. Das vollständige Interview lesen Sie bei rp-online.de/moenchengladbach

(RP)
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