Mönchengladbach So jeck feiern Gladbachs Veedel

Mönchengladbach · So bunt, so laut, so jeck: In sieben Stadtteilen feierten am Sonntag die Narren bei den Veedel-Zügen. Tausende Teilnehmer und Zuschauer zeigten, wie kreativ die Gladbacher sind, wenn es um Kostüme und Karneval geht.

 Im Rheindahlener Zoch fährt die Nasa mit. Also nicht die aus Amerika, sondern die aus Kothausen - galaktisch gut.

Im Rheindahlener Zoch fährt die Nasa mit. Also nicht die aus Amerika, sondern die aus Kothausen - galaktisch gut.

Foto: Detlef Ilgner (3), Hans-Peter Reichartz (3), Thomas Grulke

Annemarie Johnen schwitzt in ihrem dicken Bärenkostüm. "Eigentlich gehört zu Karneval ja auch ein bisschen Kälte dazu", sagt die jecke Besucherin des Rheindahlener Karnevalszuges. "Aber so macht das alles natürlich noch mehr Spaß." So wie in Rheindahlen konnten die Jecken gestern bei jedem Veedelszoch Mütze und Handschuhe getrost zu Hause lassen. Die Karnevalsgesellschaft "Potz op" hatte zum traditionellen Veedelszoch im Herzen des Stadtteiles gebeten. Der internationale Kinderkarnevalszug, der pünktlich um 14.11 Uhr an der Broicherstraße begann, wurde von der ortsansässigen Prinzengarde mit viel Musik, Kamelle und Spaß angeführt. Neben Wikingern, Schlümpfen, Clowns und griechischen Gottheiten, nahmen an einem der familiärsten Züge der Stadt wieder rund 50 Vereine, Firmen und Kindertageseinrichtungen aus Rheindahlen teil. "Ich war schon in den letzten Jahren begeistert von dieser unsagbaren Liebe zum Detail. Die Jungs und Mädels hier haben echt ein Händchen was die Kostüme und die Dekorationen ihrer Wagen angeht. Das habe ich noch bei keinem anderen Zug in Mönchengladbach oder der Umgebung so empfunden", staunt Sabine Dohmen begeistert über die liebevoll gestalten Fußtruppen und deren einzigartigen Wagen.

Bei den Zuschauern am Rande des Zuges geht es nicht weniger amüsant her. Es wird wild getanzt, laut gesungen und fleißig Kamelle gefangen. "Mein Beutel ist fast schon voll, jetzt helfe ich meiner kleinen Schwester noch beim Sammeln", erzählt der kleine Niklas und strahlt als Pirat über beide Ohren beim Anblick der gesammelten Süßigkeiten. "Das muss jetzt aber auch bis zum nächsten Jahr reichen", ergänzt sein Vater lachend. Der größte Veedelszoch am Tulpensonntag Zug ende mit einem närrischen Treiben in der Aula des Schulzentrums Rheindahlen.

 Klein, aber richtig fein: Der Hardterbroicher Zug ist der kleinste Veedelszoch am Tulpensonntag.

Klein, aber richtig fein: Der Hardterbroicher Zug ist der kleinste Veedelszoch am Tulpensonntag.

Foto: Ilgner Detlef

Zeitgleich mit dem größten Zoch setzte sich auch der kleinste in Bewegung: Um 14.11 startet der Zug an der Bonifatius-Kirche in Hardterbroich. "Die meisten Leute kennen den Zug seit Jahren", sagt Günter Deckers, Ehrenvorsitzender der KG "Alles onger ene Hoot". Die Karnevalisten am Straßenrand wissen genau, wo der Zug entlang geht, und laufen von einem Standort zum nächsten, um doppelt so viele Süßigkeiten einzusammeln. Kleiner Zug ganz groß! Marita Hein kommt seit 14 Jahren zum Hardterbroicher Zoch. "Seit wir hier wohnen, schauen wir uns den Zug an. Heute sind unsere Enkelkinder mit", sagt sie.

Auch wenn es der kleinste Veedelszoch aus Mönchengladbach ist, sind dennoch hohe Gäste mit dabei. "Das Kinderprinzenpaar, unsere Tanzgarde und deren Eltern, sowie unsere Bruderschaft ziehen heute mit", sagt Hans-Joachim Brenneis, erster Vorsitzender der KG "Alles onger ene Hoot". Doch die Länge des Zuges spielt für die Zuschauer keine Rolle. "Der Zug ist klein und familiär", sagt Uschi Stahl. Gemeinsam mit ihrem Mann ist sie seit 1973 im Karnevalsverein. Ihr Mann Heinz Stahl war 32 Jahre lang der Betreuer der Tanzgarde in Hardterbroich. "Die tanzen unheimlich toll", sagt Uschi Stahl. Die Tanzgarde trat nicht nur am Sonntag auf, sondern auch am Veilchendienstagszug werden sie eine von vielen sein. "Hier sind zwar weniger Menschen, als beim Veilchendienstagszug, aber an der Stimmung merkt man keinen Unterschied", sagt Yvonne Krude, Tanzmariechen der Tanzgarde "Alles onger ene Hoot".

 In Eicken sind Rollstuhlfahrer aus dem Altenheim dabei.

In Eicken sind Rollstuhlfahrer aus dem Altenheim dabei.

Foto: Thomas Grulke

Obwohl der Zug schon nach 45 Minuten sein Ende findet, geht die Feier noch weiter. Auf dem Hinterhof der Kirche stellte die Karnevalsgesellschaft aus Hardterbroich drei Zelte für die Erwachsenen auf. "Hier kann man dann ohne seine Kinder weiter feiern. Die Kinder werden von der Show-Tanzgruppe unserer Garde beschäftigt", sagt Hans-Joachim Brenneis. Im Pfarrheim treffen sich alle Kinder. Neben einem Tanzauftritt der Garde und lustigen Spielen, gab es Waffeln und Getränke. "Wir mussten dieses Jahr sogar ein Zelt dazu holen, weil es sonst zu eng werden würde", sagt Günter Deckers.

Beide Prinzenpaare und der stellvertretende Vorsitzende des MKV als Burggraf der KG Ruet-Wiss Okerke: Mehr karnevalistische Prominenz ist kaum möglich. Im Odenkirchener Veedelszoch bekamen die Jecken am Straßenrand genau das geboten. Das Kinderprinzenpaar Cedric I. und Vanessa I. stand bei den Karnevalsfreunden Schwarz-Gold auf dem Wagen und das große Prinzenpaar Norbert I. und Niersia Barbara samt Hofstaat und MKV-Vize Markus Hardenack bei der KG Ruet-Wiss Okerke. Die Organisatoren begrüßten so viele Teilnehmer wie sie seit Jahren nicht. Das lag nicht zuletzt am Fußballverein 05/07 Odenkirchen, der mit rund 120 Sportlern mitzog und auf eine Spendensammlung für einen an Leukämie erkrankten Jungen hinwies. Mit dabei hatte der Verein auch sein Maskottchen, eine schwarz-gelbe Hummel. Der Käfer-Club nahm auf einem großen Banner das Geschehen in der Stadt auf. Zu lesen stand dort: "Mintos Eseln fehlt der Schwanz, alle Käfer sind noch ganz".

Die Tanz-AG der Hauptschule Kirschhecke kam als Außerirdische und grüßte auf einem Plakat die KG Blau-Weiß Eisenbahner. Dort stellt die Tanz-AG die Tanzgarde. Eine große Gruppe stellten die Pfadfinder. Alle Gruppen waren vertreten und zeigten das auf ihren Kostümen. Für einen Hingucker sorgte eine Fußgruppe, die als Sushi-Rollen im Veedelszoch mitging. In einem Auto sitzend zogen "De Rollmöps" mit und sorgten für Livegesang im Veedelszoch.

Pünktlich um 14.11 Uhr zieht der Zoch los, 18 große und kleine Wagen lassen sich von den jecken Zuschauern bestaunen. Eröffnet wird der Zug vom Wagen des Handballvereins ATV Biesel. Passend zum Thema "Gladbach umarmt die Welt" nennen sich die Jecken mit dem fröhlich bunten Wagen "Die Hippies vom ATV". Elke Köpp und Thomas Meisen sind zwei von ihnen und bereits seit 15 Jahren ein fester Bestandteil. "Hippies sind, genau wie wir Giesenkirchener, offene und fröhliche Menschen", so Elke Köpp.

Was macht den Karneval in Giesenkirchen so besonders? "Gerade die familiäre Atmosphäre ist hier außergewöhnlich, jeder kennt hier jeden", erzählt Thomas Meisen. "Es fühlt sich jedes Jahr so an, als wären wir eine kleine Familie." Neben Hippies waren auf dem Karnevalszug unter anderem Piraten, Kängurus, kleine Marsmenschen sowie klassische Funkemariechen zu sehen. Am Ende des Zuges fahren die Wagen des KG Waat-Parat und des Jägerzug "Lostige Jongens", deren Mitglieder in Flaggen verschiedenster Länder der ganzen Welt gehüllt sind - kleinere Flaggen werden an die großen und kleinen Zuschauer verteilt. Nachdem alle Jecken mit reichlich Süßigkeiten versorgt sind, zieht der Zug seinen Weg durch Giesenkirchen bis hin zur Sporthalle, wo der Familienabend stattfindet.

Der Veedelszoch in Eicken ist noch jung, doch er hat schon eine Größe erlangt, die sich sehen lassen kann. "Wir haben von Jahr zu Jahr mehr Teilnehmer, diesmal sind es wohl bis zu 400. Und auch die Eickener Bürger wissen Bescheid, dass wir wieder durchs Viertel ziehen", sagt Hans-Dieter Kirschen. Der Vorsitzende der Karnevalsgesellschaft "Hau Ruck" ist der Hauptorganisator des Veedelszochs, den seine Gesellschaft zum neunten Mal gemeinsam mit der KG Schöpp op veranstaltet. Der Aufwand hat sich wieder gelohnt. Mit dem Start an der Saumstraße ziehen die Jecken unter anderem über die Eickener Straße, das Aretzplätzke und die Eickener Fußgängerzone zur Festhalle zum Frühschoppen. Ein Stück des Weges werden die Teilnehmer vom Prinzenpaar begleitet, das im Wagen vor den Fußgruppen und Musikern herfährt.

"Besonders viel war am Marktplatz los. Und es war sehr schön, so viele junge Familien zu sehen, vor allem für die Kinder machen wir solch einen Zug", sagt Kirschen. Doch nicht nur am Straßenrand steht jecker Nachwuchs, er zieht zahlreich im Zug mit. So zum Beispiel bei der Nachbarschaftsgruppe Alte Weberei Eicken, die als Clowns die ganze Welt umarmen will. Auf ein wesentlich höheres Durchschnittsalter kommen die 20 Rollstuhlfahrer aus dem Eickener Altenheim, die in Begleitung und als Leuchttürme verkleidet teilnehmen. Das Alter spielt eben keine Rolle im jungen Eickener Zoch.

In vielen Hauseinfahrten standen die ersten Grills. Dazu gab es Glühwein gegen den Wind. Wenn die KG "Immer lustig" zum Umzug lädt, ist der ganze Stadtteil auf den Beinen. Rund 400 Teilnehmer machten mit und feierten anschließend mit den Zuschauern im Festzelt an der Immelmannstraße eine Party mit Stars des Kölner Karnevals. Das Motto "Gladbach umarmt die Welt" hatte die Gesellschaft auf ihrem Wagen perfekt umgesetzt. Präsident Wilbert Schwiers hatte eine Weltkarte gestaltet, die von einem Clown umarmt wird. Holt, Venedig, Rio und Trinidad waren als Landmarken zu sehen. Damit schloss der Wagen den Kreis zu einem Film, der während der Sitzung im November gezeigt wurde.

Die Fußgruppen sind in Holt stets sehr kreativ. "De hatte Kern" war die größte Gruppe. Die Mitglieder zogen als Zwerge mit blauen Hosen und roten Mützen mit. Zum ersten Mal dabei waren die Speicker Killekekse. Sie trugen Waffelröllchen als Kostüm. Die Speicker Lumpis fuhren auf der Ladefläche eines Kleintransporters mit. Die Stadtsparkasse ging als bunte Tintenfische mit. Die Damen der KG setzten das Motto um, indem sie einen Globus als Kostüm trugen. Ein schöner Hingucker war auch eine Gruppe Froschkönige. Um Gefühl auszudrücken, ging eine andere Gruppe als Herzen mit, auf die Kontinente zu sehen waren.

"Das Wetter spielt mit. Wolfgang meint es gut mit uns", begrüßte Frank Weber, der Vorsitzende der 1. Venner KG, die Zugteilnehmer. Mit Wolfgang meinte er den Gründer des Veedelszochs, den 2014 verstorbenen Wolfgang Pilates. Rund 300 Teilnehmer machten sich auf den Weg durch den Stadtteil.

Mit dabei waren auch 96 Panzerknacker, die im Rest des Jahres die Schützengruppe Duis sind. Sie zogen nicht nur als Fußgruppe mit, sondern hatten auch einen eigenen Wagen, den sie "Duiser Bank" tauften. Ganz neu gestaltet hat die KG Poether Poethäepel ihren Gesellschaftswagen. Er ist nun ein Kartoffelacker, auf dem Erdäpfel mit Hoppedizgesichtern wachsen. Die 1. Venner KG zeigt indes auf ihrem Wagen Figuren, deren Kleidung als Nationalflaggen gestaltet ist. Sie stehen mit dem Gesicht zum Wagen und umarmen die Gesellschaft.

Ähnlich wie die 1. Venner KG setzte auch eine Fußgruppe das Motto der Session um. Statt Kostümen trugen ihre Mitglieder Flaggen europäischer Staaten als Umhänge. Die Aktion Freizeit behinderter Jugendlicher ging in kuscheligen Tierkostümen im Veedelszoch mit. Unterstützung bekamen die Venner Jecken von der KG Wenkbülle. Die "Jecke uut alle Ecke" kamen als Mönche und Schafe.

(RP)
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