Mönchengladbach So familiär kann der Karneval sein

Mönchengladbach · Das verrückteste Geschwisterpaar des Mönchengladbacher Karnevals ist nur eins der Lebenselixiere von Schwarz-Gold Rheydt. Die traditionsreiche KG hat weder Nachwuchssorgen noch leere Ränge. Und das aus gutem Grunde.

 Die Kindergarde – eines der Aushängeschilder der KG Schwarz-Gold Rheydt.

Die Kindergarde – eines der Aushängeschilder der KG Schwarz-Gold Rheydt.

Foto: Detlef Ilgner

Es ist schon viel über Thomas Schmitz und Ruth Ahrweiler geschrieben worden, und jede Zeile zu Recht. Denn dürfte ich in einer Session nur eine einzige Nummer von den zig Stunden Programm in all den Sälen und Zelten ansehen, wüsste ich sofort, was ich wählen würde. Warum das so ist, kann man mit zwei kleinen Beobachtungen von der jüngsten Großen Rheydter Narrensitzung der KG Schwarz-Gold erzählen.

Damit die beiden bei ihrer großartig albernen Tanz- und Parodienummer im Minutentakt Musikstil, Kostüm und Perücke wechseln können, haben sie einen großen schwarzen Paravent auf der Bühne aufgebaut, hinter dem sie immer wieder kurz verschwinden können. Der Elferrat reckt dann die Hälse, um als allererstes sehen zu können, wer denn nun wieder auftauchen mag: Cindy von Marzahn, Shakira, Helene Fischer oder die No Angels. An dem Gesichtsausdruck des KG-Vorstands kann man immer schon ein paar Sekunden eher ablesen, was da wieder auf einen zukommen mag. Meistens changiert er zwischen purer Fassungslosigkeit, Bewunderung und schweren Zuckungen infolge unkontrollierbarer Lachsalven. Die Kleider, in die sich etwa Thomas Schmitz zwängt und unter denen dann — auf offener Bühne entblättert — auch noch ein Badeanzug oder eine SM-Montur für den nächsten Teil der Nummer steckt, wären schon für sich der Hammer. Wenn dann noch ein ausladender Hüftschwung dazukommt, wird aus "Spiel noch einmal für mich, Habanero" eine unwiderstehliche Parodie.

Die "Geschwister Schmitz" vergreifen sich gerne an den übleren Sünden der jüngeren Musikgeschichte, die sie unerbittlich auf die Bühne der Rheydter Stadthalle zerren. Wie Ruth Ahrweiler beim schmalzigen "Lied von Manuel" den Mund aufreißt, wird jeden Zahnarzt von Amts wegen schwer beeindrucken. Die beiden jagen in 20 Minuten sicher ebenso viele Stücke durch den Parodiemixer und betreiben damit gleichermaßen Raubbau an ihrer Kondition und der der Zuschauer, von denen mancher vor Lachen bedenklich nach Luft schnappt. Und dann, ganz am Ende, und das ist die zweite kleine Beobachtung, stehen statt zweier plötzlich vier "No Angels" im Minirock auf der Bühne und singen "Daylight": Erich Reuch und Thomas Gerresheim unterstützen die Geschwister Schmitz.

Als der letzte Ton vorbei ist — und man dankbar ist, dass die Stadthalle vor kurzem renoviert worden ist, also gewiss vom rasenden Publikum nicht ohne weiteres abgerissen werden kann — da aalt sich Thomas Schmitz nicht in den verdienten Ovationen, sondern grinst seinen Vize-Präsidenten Erich Reuch an wie ein Lausejunge, der sich über seinen jüngsten Streich diebisch freut: "Mann, sind wir bekloppt", sagt dieser Blick. Und genau das ist es: Was die Geschwister Schmitz da tun, handwerklich an der obersten Grenze von dem, was Laien noch stemmen können, verrückt bis dorthinaus und zurück, ist schwer ansteckend.

So ist das mit der ganzen KG Schwarz-Gold Rheydt und der ganzen Narrenparade. Der Präsident parodiert ja nicht nur mit seiner Schwester und moderiert, er ist auch der einzige Mann in der Showtanzgruppe. Auch der schaut man sehr gerne zu. Genau wie der Kindergarde, die jedes Jahr um Mitglieder wächst, wobei die Jüngsten aussehen, als hätten sie erst vor kurzem das Laufen gelernt. Das Familiäre spüren die Zuschauer an jeder Ecke. Nur eines ändert sich am Charakter von Schwarz-Gold-Sitzungen zunehmend: All das lässt sich nicht verheimlichen. Und so ist die Narrensitzung lange kein Geheimtipp mehr. Längst muss auch der Oberrang aufgeschlossen werden. Die Stadthalle war ausverkauft. Der im besten Sinne familiäre Karneval hat Zukunft.

(RP)
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