Jeckes Mönchengladbach Die Veedel feiern mit und ohne Zoch

Mönchengladbach · Nur in Venn und Giesenkirchen zogen die Jecken am Sonntag, in fünf anderen Stadtteilen wird in Hallen und Zelten gefeiert.

Karneval 2020 in Mönchengladbach: Züge und Partys in Venn, Giesenkirchen, Holt und Co
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Die Karnevalspartys und Veedelszüge in Mönchengladbach

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Foto: Bauch, Jana (jaba)

Fünf abgesagte Veedelszüge – das ist die Bilanz von Sturmtief Yulia am Sonntag. Die Warnung vor den Böen hat die Karnevalsgesellschaften in fünf Stadtteilen dazu bewogen, die Züge vorsichtshalber abzusagen. Nur: Was wird aus dem Wurfmaterial, das tonnenweise bereitliegt? Die KG „Immer lustig“ in Holt möchte es beim Veilchendienstagszug (VDZ) verteilen; und auch deshalb zusätzliche 100 kostümierte Narren, bewaffnet mit reichlich Kamelle, Berliner und Mutzen, in den Zug aufnehmen. Ein Problem für Zugleiter Elmar Esser? „Was machbar ist, werden wir zulassen“, sagt er. „Wenn die Fußgruppen sich in ihre Gesellschaften integrieren, haben wir wenig Probleme. Es dürfen nur keine zusätzlichen Wagen und weitere unangemeldete Fußgruppen teilnehmen. Wir haben ein abgestimmtes Sicherheitskonzept, und auch versicherungstechnisch müssen wir uns an Regeln halten.“ Gefeiert wurde am Sonntag trotzdem in den Stadtteilen – nicht nur bei den beiden Zügen, die dem Sturm trotzten.

VENN „Wir sind hart im Nehmen“ – „Wir sind doch nicht aus Zucker“ – „Eigentlich kann nichts passieren!“ Durchhalteparolen dieser Art und mehr hörte man am Sonntagvormittag in Venn überall. Die Venner starteten ihren Zug mit zehn Minuten Verspätung. Mit Vogelscheuchen, Après-Skifahrern, Tieren, Kartoffeln und Cowboys. „In Absprache mit der Polizei und der Feuerwehr wurde entschieden, dass unser Zug stattfinden darf“, erklärte Ralf Gerrards von der Ersten Venner Karnevalsgesellschaft. Angemeldet waren acht Gruppen mit vier Wagen und etwa 330 Teilnehmern. Die geringe Anzahl von Wagen mit hohen Aufbauten war wohl Venns Glück. Und außerdem: „Die Wagen sind technisch geprüft, ob sie dem Wetter standhalten“, so Gerrards. Ein Wermutstropfen: Der Hardter Beitrag mit dem Kinderprinzenpaar war vorsichtshalber zu Hause geblieben. „Das ist alles aus Pappmaché und gut befestigt, da kann nichts passieren“, sagte René Wermelskirchen, Präsident der Poether. „Die Poether Kartoffel aus dem Narrennest“ lautete ihr Motto: Auf ihrem kartoffelgelben Wagen keimten die „Poethäepel“ und trugen Narrenkappen.

 Die Jecken wurden natürlich ordentlich nass. Aber das machte ihnen nichts aus. „Spaß macht es doch trotzdem! Die Kinder sind so aufgeregt, es wäre so schade gewesen, wenn der Zug abgesagt worden wäre“, sagte Meike Cenciarelli von den Poethern. Ein bisschen schade war es um die kreativ gestalteten Kostüme. Man konnte sie kaum unter den im Sturm flatternden Regenvorhängen erkennen: Da arbeiteten sich knapp 100 blau-weiß gestreifte Marinemänner und -frauen der „MS Duis“ mit voller Kraft durch Sturm und Regen voraus und verloren ihr Lachen nicht. Die Mitglieder der Ersten Venner Karnevalsgesellschaft hatten nach dem Motto „Die Venner spinnen“ den Wagen und sich selbst kunstvoll mit Spinnweben überzogen. Bei der Aktion Freizeit Behinderter Jugendlicher „war tierisch was los“ – jedem Wetter trotzend liefen die Marienkäfer und Bären los und schoben die Rollis.

GIESENKIRCHEN „Wir sind zwar alle klatschnass, doch haben wir heute Nachmittag ein Zeitfenster ohne Sturm erwischt, das es uns erlaubt, den Kinderkarnevalszug durchzuführen“, sagte Gudrun Gruhn, die Vorsitzende der Interessengemeinschaft Kinderkarneval Giesenkirchen. Nach Absprache mit Feuerwehr und Polizei ging es fast pünktlich gegen 14.11 Uhr an der Konstantinstraße los. Wegen der Sturmankündigung hatte die Zugleitung auf Motivwagen verzichtet, und so zog eine lange Reihe kostümierter Kinder an den Besuchern vorüber, besonders hinter dem Konstantinplatz, wo die Zuschauer doch in mehreren Reihen standen, hatte man Spaß an der bunten Kinderschar, die als Störche, Enten oder Pinguine verkleidet mutig Kamelle, Popcorn, und Schokolade in die Menge warf. Manch leichtes Wurfmaterial erreichte den Adressaten wegen des ab und zu doch einsetzenden, stärkeren Windes nicht. Egal, Hauptsache der Spaß stimmt. Das meinte auch Bezirksvorsteher Hermann-Josef Krichel-Mäurer: „Die Kinder aus den Kindergärten und Schulen und auch Jugendliche und Erwachsene aus Clubs und Vereinen haben sich so gefreut, an diesem närrischen Umzug teilzunehmen; und was jetzt auf der Straße passiert, kann man verantworten.“ Und so hallt es doch hier und da laut über den Lautsprecher: „Giesekerke vör-rop, Schelse hinge drop und Waat alaaf“. Bei dem bunten Trubel war es nur schade, dass die KG Botterbloom weder im Zug noch später in der Mehrfachhalle anzutreffen war.

HARDTERBROICH Beim Karneval sind Prinzessin Lea I. und Prinz Robin I. echte Profis. Sturm und Regen hatte die Vorfreude auf den Veedelszoch zerschlagen, doch nicht das Lächeln aus den Gesichtern des Hardterbroicher Kinderprinzenpaares vertrieben. „Das Beste an unserem Zug ist sonst immer, dass man so viele schöne Kostüme und Gesichter sieht, die lachen“, erzählte der Prinz im prachtvollen Ornat. Die Aussicht, zumindest zur Kinderfeier im Jugendheim Kamelle und Bälle zu werfen, werteten er und Lea als kleinen Trost. Im Biwak-Zelt feierten die „Großen“. Die Gladbacher Musikkameraden sowie Mini-Garde, Jugendgarde und Show Tanz-Garde „Surprise and Phantasy“ halfen, dass der Karneval am Tulpensonntag nicht komplett ausfallen musste. Seit den frühen Morgenstunden hatte Hans-Joachim Brenneis die Wetterkapriolen beobachtet und sich schließlich zur Absage des Umzugs durchgerungen: „Das ist natürlich für das Kinderprinzenpaar und alle anderen Beteiligten eine herbe Enttäuschung. Aber die Sicherheit geht vor“, begründete der Vorsitzende der KG „Alles onger ene Hoot“ die Entscheidung. So blieben der große Kinderprinzenwagen und der Mottowagen der Schützen ungenutzt. Das Defilee der bunten Fußgruppen vom DRK-Heim, Seniorenheim, Kindergarten, VfL Welfia und Gästen durch das Viertel fiel aus.

HOLT In Holt wurde der Veedelzoch am Vormittag abgesagt. „Schweren Herzens“, wie Günter Claßen, der Vorsitzende der KG „Immer lustig“, betonte, „aber die Sicherheit der Menschen geht hier vor; und das gilt für Zugteilnehmer und Zuschauer.“ Dafür gab es dann eine Party im Festzelt. Dafür erwarteten die Holter bis zu 1500 Jecke. Am Morgen zeigte der Windmesser auf dem Dach des Festzeltes eine Windstärke von fast 8 an. „Das geht gerade noch“, erklärte Günter Claßen. „Doch bei einer Windstärke ab 8 müssen wir das Zelt räumen.“

Claßen hatte noch ein weiteres Problem, das an diesem Sonntagmorgen aufkam: „Was ist mit dem Wurfmaterial, mit dem die Gruppen sich eingedeckt haben?“ Die Gesellschaft versucht nun über die Zugleitung des Veilchendienstagszuges zusätzlich bis zu 100 Teilnehmer einzubringen. „Wir haben ja tonnenwiese Material übrig“, erzählt Claßen. „Vor allen Dingen die noch frischen Berliner, Mutzen und auch Kamelle wollen wir unterbringen.“ Traurig über die Absage war die Fußgruppe „De hadde Kern“. Mehr als 50 Teilnehmer sind es, die seit 22 Jahren am Tulpensonntagszug in Holt teilnehmen, übrigens sind sie auch im VDZ am Dienstag in der Stadt dabei. Das Lieblingslied der Gruppen konnte jedenfalls am Sonntag im Zug nicht gesungen werden: „In unsrem Veedel, do hällt mer zesamme, ejaal wat och passert“ – und das seit 22 Jahren.

EICKEN Der ersten Zug, den Sturmtief Yulia wegfegte bevor er beginnen konnte, war der Veedelszug in Eicken. „Eigentlich war eine ,After-Zoch-Party‘ geplant. Jetzt wird es eben eine ,Anstatt-Zoch-Party‘“, erklärte Präsident Klaus Simons auf der Bühne der Eickener Mehrzweckhalle. Wenige Meter entfernt im Saal parkte der Wagen der Weberei Clowns, ein geschmücktes Kettcar. Alle anderen Festwagen, die sonst durch den Stadtteil gerollt wären, hätten aus anderen Veedeln gestammt, deren eigene Züge später geplant waren. Den Zug der Eickener KG „Schöpp op“ prägen vor allem Fußgruppen. Während draußen der Sturm an Fahrt aufnahm, flogen die Kamelle in der Festhalle beim Einzug der Karnevalisten. Die Eickener feierten ausgelassen vor und auf der Bühne, wo zu Beginn das Gladbacher Prinzenpaar Niersius Thorsten und Axel I. zum Mikrofon griff. Ihr Vorschlag: „Mottet den Wagen von den Weberei Clowns ein Jahr ein, und dann ziehen wir damit nächstes Jahr hier durch die Straßen!“

ODENKIRCHEN Auch in der Burggrafenhalle fliegen am Nachmittag Kamelle. Mit einem Handwagen zieht die KG Schwarz-Gold durch die Halle mit rund 150 Gästen. Zum ersten Mal in seiner langen Geschichte war der Veedelszoch abgesagt worden. Für Prinzessin Theresa I., die Kinderprinzessin der Stadt Mönchengladbach, sollte der Zug in Begleitung von Kinderprinz Louis I. ein Heimspiel werden, immerhin besucht die Schülerin das Gymnasium in Odenkirchen. Doch musste Theresa I. auf die Jubelrufe „Okerke Alaaf“ verzichten. Edgar Daniel, bei dem für die Karnevalsfreunde Schwarz-Gold Odenkirchen die Fäden für den Umzug zusammenlaufen, verkündete mit großem Bedauern am Morgen die Absage des Zuges. Das Risiko für die rund 500 erwarteten Teilnehmer in 21 Gruppen und mit fünf Festwagen war wegen des stürmischen Tulpensonntagswetters zu groß. Das gilt auch für die Zuschauer am Straßenrand. „Auch die Marktbeschicker der Karnevalskirmes haben wieder ihre Stände abgebaut“, sagte Daniels. „Nachdem ich am Morgen mit der Einsatzleitstelle der Polizei und den Rettungskräften die Lage besprochen hatte, war die Absage unvermeidlich.“ Umso stürmischer wurde am Nachmittag in der Halle gefeiert: „Tut mir leid für Teilnehmer und Zuschauer“, sagte Sarah (34). „Wir haben aber trotzdem Spaß!“ Es sei schade, dass der Zug ausgefallen sei, aber wegen des Wetterlage die richtige Entscheidung, so die Gruppe „Freche Früchtchen“.

RHEINDAHLEN Wolfgang Eßer wollte kein Risiko eingehen, vor allem, da es sich in Rheindahlen um einen Kinderkarnevalszug handelt: „Wir hätten auch eine Grundschule mit 100 Kindern gehabt, die mitgelaufen wären. Da kann man einfach nicht garantieren, dass keine Ziegel oder Äste herunterfallen“, sagte der Vorsitzende der KG „Potz op“. Die Gesellschaft verteidigte ihre Entscheidung am Nachmittag auf ihrer Internetseite: „Da wir gerade heftig kritisiert werden: Uns blutet das Herz und doch mussten wir, zur Sicherheit der Zugteilnehmer und Zugbesucher, diese Entscheidung treffen. Ob und wann der Zoch nachgeholt werden kann, können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen.“

Pünktlich zum Einlass der ausverkauften Karnevalsparty in der Aula des Gymnasiums bildete sich eine lange Schlange auf dem Schulhof. Ob als Leopard, Frosch oder von den 1990ern inspiriert in Neonfarben verkleidet – die Rheindalener konnten es kaum erwarten in der Aula zu feiern: „Wir fahren sonst oft über Karneval weg, dieses Jahr wollten wir mit unseren Kindern beim Zug mitziehen. Deshalb ist es besonders schade, dass er ausgefallen ist. Jetzt wollen wir aber wenigstens in der Aula ein bisschen feiern“, sagte Annette Meyer (43).

Buntes Lametta an der Decke, Luftballons und laute Karnevalsmusik sorgten für Feierlaune bei den Gästen. „Dass der Zug ausgefallen ist, hat die Stimmung schon etwas heruntergezogen“, erzählte Jannis Müllers (21). „Aber ich freue mich jetzt einfach darauf, zu feiern.“

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