Mönchengladbach „Karneval ist ein Stück Heimat“

Mönchengladbach · Gert Kartheuser, neuer Vorsitzender des Karnevalsverbandes, über Bernd Gothes große Fußstapfen, Traditionen und Veränderungen.

 Der 69-jährige Gert Kartheuser ist als Nachfolger von Bernd Gothe der neue Vorsitzende des Mönchengladbacher Karnevalsverbandes.

Der 69-jährige Gert Kartheuser ist als Nachfolger von Bernd Gothe der neue Vorsitzende des Mönchengladbacher Karnevalsverbandes.

Foto: Ilgner Detlef (ilg)

Herr Kartheuser, Sie sind jetzt seit 114 Tagen im Amt. Despektierliche Frage: Sieht so der Generationenwechsel im MKV aus? Ein 77-Jähriger übergibt an einen 69-Jährigen?

Kartheuser Einen jüngeren Nachfolger zu finden, ist nicht so einfach. Die 50-Jährigen stecken voll im Beruf und haben keine Zeit. Und man muss Zeit für die Aufgabe haben, viel Zeit.

Wie viel Zeit investieren Sie?

Kartheuser Das sind pro Tag zurzeit sicher sechs Stunden. Zum Teil liegt das natürlich auch daran, dass ich der Neue bin und erst einmal das Gespräch mit allen anderen gesucht habe, mit den Vorstandsmitgliedern genauso wie mit den Sponsoren. Das kostet natürlich Zeit, ist aber sehr wichtig.

Für Nicht-Karnevalisten scheint die Session ja noch sehr entfernt. Hat die Großkampfzeit für Sie schon angefangen?

Kartheuser Ja, natürlich. Viele denken, die Arbeit beginnt erst mit den Veranstaltungen, wenn der Vorsitzende auf der Bühne steht. Aber die Vorbereitung nimmt einen viel größeren Part ein. Die Auftritte kommen dann noch dazu, circa zweihundert in der Session.

Was braucht ein MKV-Vorsitzender außer Zeit?

Kartheuser (lacht) Außer Zeit sind drei Dinge nötig: man sollte mit Bernd Gothe befreundet, in der Stadt Mönchengladbach stark vernetzt sein und eine Frau haben, die den Karneval auch liebt. Meine Frau unterstützt mich voll.

Erklären Sie den Nicht-Karnevalisten unter unseren Lesern das Phänomen Bernd Gothe, Ihren Vorgänger.

Kartheuser Bernd Gothe war 31 Jahre lang MKV-Boss und hinterlässt natürlich große Fußstapfen. Er ist Rheydter aus Überzeugung, Unternehmer und Mäzen. Er ist auch im RSV-Tennis- und Hockeyclub aktiv und ein unermüdlicher Arbeiter. Als er den MKV übernahm, lag der Verband buchstäblich am Boden. Er hat ihn wieder aufgebaut. Ich schätze ihn sehr und bin mit ihm befreundet. Er bleibt uns als Ehrenvorsitzender erhalten und kümmert sich auf seinen Wunsch hin auch weiter um den Veilchendienstagszug.

Was machen Sie als Vorsitzender anders als Ihr Vorgänger?

Kartheuser Ich werde zum Beispiel die Arbeit auf mehr Schultern verteilen. Wir werden auch die Form der MKV-Veranstaltungen überprüfen. Die Wagenübergabe beispielsweise wird nicht mehr in der Wagenbauhalle stattfinden, sondern im Zelt am Geroweiher. Außerdem wird der Kinder- und Jugendkarneval weiter ausgebaut. Die Veranstaltung ohne Alkohol für Jugendliche kam gut an, hatte letztes Jahr aber wenig Vorlauf. Eigentlich findet die Premiere deshalb erst in diesem Jahr statt.

Sie haben eben die Wagenbauhalle erwähnt. Die müssen sie räumen, wenn das Remegelände bebaut wird. Gibt es schon eine Lösung?

Kartheuser Es ist noch zu früh, darüber zu reden, aber es gibt Lösungsansätze. Wir sind dran.

Sie sind in keiner Karnevalsgesellschaft aktiv. Haben Sie da überhaupt eine Bindung zu den Gesellschaften?

Kartheuser Natürlich, ich bin Mitglied in sehr vielen Gesellschaften. Zum Beispiel seit 35 Jahren in der Rheydter Prinzengarde, mit 1000 Mitgliedern übrigens eine der größte Karnevalsgesellschaften in Deutschland. Außerdem bin ich in der Prinzengarde der Stadt Mönchengladbach als Pulvermeister aktiv, Ehrensenator bei der KG Hau Ruck und Schöpp op, Mitlglied bei den Uehloeker, Consul Carnevalis bei der GGK und natürlich im Prinzenclub.

Manche sagen, der Karneval sei nicht mehr zeitgemäß. Was meinen Sie dazu?

Kartheuser Diese Formulierung ist sicher zu platt. Natürlich muss man von Zeit zu Zeit überdenken, welche Veranstaltungen anders gestaltet werden können. Das werden wir in der nächsten Klausurtagung diskutieren. Wir haben eine gute Kinder- und Jugendarbeit, aber mit 18 Jahren verlieren viele das Interesse am Karneval.

Haben Sie schon eine Idee, wie Sie die jungen Leute zwischen 18 und 30 erreichen?

Kartheuser Diese Altersgruppe ist überall schwer zu erreichen. Es gibt heute einfach so viel mehr Dinge, mit denen junge Menschen sich beschäftigen. Ein Rezept hat niemand. Aber wir werden mit den einzelnen KGs sprechen und versuchen, Aktivitäten zu bündeln. Das ist uns im Jugendkarneval ja auch gut gelungen.

Tun Sie noch mehr, um die Menschen für den Karneval zu begeistern?

Kartheuser Wir wollen natürlich auch neue Mitglieder gewinnen. Durch informelle Treffen und persönliche Ansprache hoffen wir, dass uns dies gelingt. Beim letzten Netzwerktreffen „MG ist In“ beispielsweise haben wir 30 neue Mitglieder werben können. Aber auch die Menschen, die sich schon engagieren, müssen Wertschätzung erfahren.

Wo steht der Mönchengladbacher Karneval?

Kartheuser Wir können uns nicht mit Köln oder Düsseldorf messen, aber wir sind in der Region zwischen Neuss und Aachen ganz oben mit dabei. Dafür müssen wir natürlich auch einiges tun. Zum Beispiel sollte es bei der Proklamation des Prinzenpaares mindestens zwei Top-Programmpunkte geben, die die das Publikum begeistern.

Und wann kommt endlich der WDR zum Veilchendienstagszug?

Kartheuser (lacht) Man muss noch Ziele haben. Aber der VDZ zieht auch so viele Menschen von außen an.

Der VDZ wird immer teurer in seiner Durchführung. Ist das auf Dauer überhaupt noch machbar?

Kartheuser Wenn die Anforderungen noch weiter steigen, ist es sicherlich schwierig. Ich würde mich freuen wenn sich auch das Land NRW und unsere Stadt Mönchengladbach an den Kosten beteiligen.

Wie sind Sie eigentlich zum Karneval gekommen?

Kartheuser Ich stamme aus Düsseldorf und mein Großvater hat mich als Siebenjährigen zu Karnevalsumzügen mitgenommen. Ich fand das toll, und seitdem bin ich dabei, erst in Düsseldorf, dann in Mönchengladbach.

Sie haben vor mehr als 20 Jahren zusammen mit Ihrer Frau das Prinzenpaar der Stadt gestellt. Was hat sich seitdem verändert?

Kartheuser Ja, meine Frau und ich waren vor 22 Jahren Prinzenpaar in Mönchengladbach. Als Prinzenpaar haben wir damals nicht gesungen. Wir hatten weniger Auftritte. Die Präsenz des Prinzenpaars außerhalb der Session ist heute viel größer. Heute nimmt das Prinzenpaar insgesamt circa 300 Termine wahr.

Was bedeutet Ihnen der Karneval?

Kartheuser Das ist schon ein Stück Heimat. Ich finde es toll, wie viele Menschen sich engagieren und auch wie begeistert und dankbar Menschen in Altenheimen und Krankenhäusern sind, wenn das Prinzenpaar kommt. Die soziale Komponente des Karnevals darf man nicht unterschätzen.

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