Serie Karneval Ungeschminkt (3) Das Ordensmuseum im Karnevalskeller

Mönchengladbach · Karnevalsorden gibt es in der Form von Hundeknochen, Spritzen und als Wasserturm. Manche sind Aufbewahrungsorte für Texte oder Kondome. Bernd Gothe hat sie alle, 3500 an der Zahl. Ein Gang durch seinen Keller ist eine regelrechte Karnevals-Lehrstunde.

Die schönsten Karnevalsorden von Bernd Gothe
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Die schönsten Karnevalsorden von Bernd Gothe

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Odenkirchen Jeder Jeck ist anders. Klar. Aber dass es auch für jeden Jecken den passenden Orden gibt — das lernt man, wenn man eine Privatführung durch einen Keller in Odenkirchen bekommt. Der ist in Wahrheit ein Karnevalsmuseum. Denn es ist der Keller von Bernd Gothe, dem Vorsitzenden des Mönchengladbacher Karnevalsverbands. 180 Orden bekommt er pro Session verliehen. In den Mönchengladbacher Sälen, in die er das Prinzenpaar begleitet. Aber auch in Köln, Neuss, Krefeld und in Düsseldorf. Dort vor allem. Denn allein bei der Sitzung im Düsseldorfer Landtag, die Bernd Gothe leitet, bekommt er über 100 Auszeichnungen von Prinzenpaaren aus Nordrhein-Westfalen an einem einzigen Tag.

Bernd Gothe hebt alle diese Orden auf, fein säuberlich nach Städten und Gesellschaften sortiert. Da baumeln sie, an in Holzleisten geschlagenen Nägeln aufgehängt. Wenn man einen herausnimmt, klingt das Geklimper ein bisschen wie auf einer Almwiese in den Alpen. Tatsächlich erzählen die Orden Geschichten, wenn Gothe sie zum Sprechen bringt.

Da ist ein besonders großer. Das ist eine Filmdose am Band. Armin Maiwald, der von der Sendung mit der Maus, hat sie für Gothe eigens gebastelt. Er begleitete ihn und Niersia Inge während ihrer Session als Prinzenpaar und machte daraus einen Film für den WDR. Aus diesem Jahr stammt auch der wohl einzige Karnevalsorden der Welt aus Edelstahl. Gothe, der in seiner Firma Edelstahl produziert, hatte ihn gestalten lassen. Ein paar Nägel weiter baumelt der Wasserturm. Den verlieh einmal die Gladbacher Prinzengarde. Direkt daneben hängt ein Hundeknochen. Den ließ die Hundestaffel der Polizei herstellen. Auch einen Traktor bekam Gothe schon um den Hals gehängt — als der Traktoren-Hersteller IHC noch einer der Sponsoren des Mönchengladbacher Karnevals war. Und als Uli Hillekamp, der damalige Geschäftsführer der Kliniken Maria Hilf, dem Brauchtum die Krankenhaustüren öffnete, erblickte ein weiterer, total närrischer Orden die Karnevalswelt: eine stilisierte Spritze. Die Rheydter gestalteten einen Jubiläumsorden einst als Postkarte: "11 x 11 Jahre Karneval in Rheydt" steht darauf.

Besonders prächtige Orden haben die Kölner Gesellschaften. Einer entpuppt sich bei näherem Hinsehen als aufklappbares Buch, in dem auf vielen Seiten Texte stehen. Es sind die Liedtexte von Willy Ostermann zum Mitsingen. Dass man Orden als Aufbewahrungsort verwenden kann, machte sich auch eine ganz andere Organisation zunutze: die Polizei. Die verteilte mit Hilfe eines Ordens Kondome. Besonders selten waren die Auszeichnungen des früheren Neusser Landrats Dieter Patt. Der gestaltete seine Orden selbst und ließ sie in einer Auflage von nur 100 Stück produzieren. Einer, den Bernd Gothe aus dieser Zeit hat, trägt die Nummer 99.

Auch Karnevalsauszeichnungen unterliegen Moden. So hat Gothe in dieser Session vom Festkomitee Kölner Karneval zum ersten Mal einen Orden bekommen, der dank LED-Lichtern leuchtet. Angestrahlt wird — wie könnte es anders sein — der Dom. "Das ist eine ganz spannende Angelegenheit. Wir prüfen gerade, wie teuer die in der Produktion sind", sagt Gothe. Herkömmliche Orden kosten zwischen acht und 15 Euro pro Stück. In Köln hat der MKV-Chef zudem einige Orden gesehen, die in der Mitte mit Schildern oder Elementen aus Kupfer veredelt sind.

Etliche Wandmeter Orden erzählen im Gothe-Keller Karnevalsgeschichte. Mindestens 3500 sind es, schätzt Gothe. Die aus der aktuellen Session kommen zunächst an einen Garderobenständer im Erdgeschoss. "Die brauche ich ja in diesen Wochen noch. Wenn ich eine Gesellschaft besuche, trage ich immer deren aktuellen Orden", erzählt Gothe. Karnevalisten erzählen ja gerne den Witz, dass man sie angesichts der Metallmassen irgendwann einmal nicht beerdigen kann, sondern sie verschrotten muss.

Tatsächlich hat sich Bernd Gothe schon Gedanken gemacht, was irgendwann aus seiner Sammlung werden kann: "Ich habe schon die Hoffnung, dass man sie dann in irgendeiner Form der Öffentlichkeit zugänglich machen kann." Alles andere wäre in der Tat unverantwortlich. Denn nirgends ist die heimische Karnevalsgeschichte der vergangenen Jahrzehnte lückenloser und aufschlussreicher dokumentiert als in diesem Odenkirchener Keller.

(RP)
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