Fortsetzungsroman Kapitel 5: Endlich mal was los in diesem verdammten Nest

Fortsetzungsroman · Die Sonne war schon längst hinterm Abteiberg weggetaucht als noch Licht in dem kleinen verräucherten Büro brannte. Kriminalhauptkommissar Hennes Jöris saß an seinem Schreibtisch und blätterte in den Unterlagen, die er am Nachmittag aus dem Archiv bekommen hatte.

Fortsetzungsroman: Kapitel 5: Endlich mal was los in diesem verdammten Nest
Foto: Jenny Möllmann

In regelmäßigen Abständen zog er an seiner Pfeife und stieß kleine Rauchwölkchen aus. Der gute alte Schrievers, Archivar der Mönchengladbacher Polizei, hatte dieses Mal nicht viel zu bieten. Ein paar Details zum End-Projekt Gregor Schneiders, die Daten des Opfers und eine Liste der Galerien dieser Stadt mit allerlei Informationen zu der dazugehörigen Kunst.

"Böhmische Dörfer", murmelte Jöris, der — so oft er die Ausführungen auch las — auf nichts Brauchbares für den Fall stieß. Der ermordete Galerist Konstantin von Bracht war ledig und ohne Familienangehörige. Zumindest hatte er eine Mitarbeiterin, dachte Jöris. Diese würde er gleich morgen früh aufsuchen, für heute reichte es ihm. Er klappte die Mappe zu und goss sich einen kleinen Schluck Portwein ein. Kaum hatte er daran genippt, öffnete sich die Türe seines Büros: Richter! "Da komme ich ja grade recht." — "Hast du nie gelernt anzuklopfen?" — "Hast du noch ein Glas?" Jöris reichte dem Kollegen, der sich unaufgefordert setzte, eine Kaffee-Tasse. Kriminalkommissar Georg-Maria Richter bediente sich.

"Georg, was willst du hier?" — "Hast du schon was über diesen von Bracht?" Jöris machte ein übertrieben erstauntes Gesicht. "Ich dachte, das sei unser Bier. Du bist doch für Betrug zuständig." Richter blieb trotz des Seitenhiebes seines Gegenübers ungerührt. Die beiden Männer mochten sich nicht besonders, das war kein Geheimnis. "Dieser von Bracht", begann er, "war ein Betrüger in ganz großem Stile. Seit Monaten sind ein Haufen gefälschter Bilder im Umlauf, und nun besteht kein Zweifel mehr, dass sie alle aus der Galerie unserer Leiche stammen. Ich bekam den Anruf vor einer halben Stunde und dachte, das könnte dich interessieren. Ist schon merkwürdig, nicht? Ausgerechnet heute, am Tage seiner Ermordung, hagelt es Anzeigen gegen von Bracht."

Jöris schenkte sich Portwein nach. "Von Bracht war also in einen Betrug verwickelt und jetzt ist er tot. Glaubst du noch immer, die Kleine hat etwas damit zu tun?" Richter schüttelte bedächtig den Kopf. "Ich glaube nicht mehr, dass sie ihn ermordet hat. Aber jemand möchte unbedingt, dass es so aussieht! Nun, wir werden es herausfinden." — "Wir?" Jöris erschrak ein wenig, fing sich aber sogleich. "So sieht es aus", bestätigte sein Gegenüber ungerührt und fügte hinzu: "Endlich mal was los in diesem verdammten Nest, ohne dass es was mit Borussia zu tun hat." Dann schenkte auch er sich noch einmal nach.

Jöris beobachtete den drei Jahre jüngeren Mann. "Sag mal, Georg. Warum hasst du Gladbach eigentlich so sehr?" Richter zuckte mit den Schultern. "Diese Stadt und ich sind uns einfach zu ähnlich. Auch ich bin ständig pleite, sehe nach dem Wochenende scheiße aus und versuche mich krampfhaft in der ersten Liga zu halten." Jöris prostete dem Kollegen schmunzelnd zu. Vielleicht würde die Zusammenarbeit doch nicht so unangenehm werden.

Richter spähte ins Schaufenster. "Sieht so aus als wäre wirklich niemand da." Die beiden Polizisten waren an diesem Morgen zu der Galerie des Ermordeten gefahren, um mit dessen Mitarbeiterin, einer gewissen Elena Weber, zu sprechen. "Lass uns mal hinten herumgehen.", schlug Jöris vor. Das Tor zum Garten stand offen.

Ein junger Mann leerte grade den Auffangbeutel des Rasenmähers. "Guten Morgen, die Herren. Wollen Sie auch zu Frau Weber?" — "Ja, das ist richtig." Jöris zeigte seinen Dienstausweis. "Die ist für ein paar Tage weg. Auf Geschäftsreise, glaub' ich." — "Seit wann?", wollte Richter wissen. "Keine Ahnung. Ich mache hier nur zweimal die Woche was im Garten." — "Sie haben uns gefragt, ob wir auch zu Frau Weber wollen. Hat heute schon jemand nach ihr gesucht?", erkundigte sich Jöris. "Ja, ein Mann war da. Aber wissen Sie, das ist nicht ungewöhnlich. Die Frau ist sehr attraktiv und hat viele Verehrer." — "Kannten Sie den Mann?" — "Oh, ich weiß nicht seinen Namen. Ich weiß nur, dass er so ein angesehener Kunstexperte sein soll." Als die beiden Beamten wieder ins Auto stiegen, klingelte Jöris' Handy. "Wir fahren zum Theater im Nordpark." — "Warum?", fragte Richter. "Eine weitere Leiche wurde gefunden!"

(RP)
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