Serie Was Macht Eigentlich? Kämpfer für eine bessere Zukunft

Mönchengladbach · Hermann Jansen gilt als einer der einflussreichsten Nachkriegs-Politiker und soziales Gesicht der Stadt. Der 85-Jährige ist seit 62 Jahren in der IG Metall, seit 53 in der SPD. Er war 15 Jahre im Landtag, 15 im Stadtrat. Und 17 Jahre im Aufsichtsrat Borussias, 13 davon als Vorsitzender.

 60 Jahre in der IG Metall: Reimund Strauß überreicht Hermann Jansen die Urkunde.

60 Jahre in der IG Metall: Reimund Strauß überreicht Hermann Jansen die Urkunde.

Foto: Knappe Jörg

Hermann Jansen, den gelernten Anstreicher und Maler mit Volksschulbildung, zu unterschätzen - das ist ein Fehler. Borussias damaliger Vorstand hat Mitte der 80er Jahre auf Jansens Angebot zu helfen, wenn der Verein mal Unterstützung brauche, gar nicht erst reagiert. Knapp 20 Jahre später hat dieser Hermann Jansen, der stets bescheiden, freundlich-hemdsärmelig auftritt und stolz Rheer Platt spricht, nicht unwesentlich dazu beigetragen, dass der zwischenzeitlich mächtig ins Trudeln geratene Fußball-Bundesligist sich mit seinem neuen Stadion für eine bessere Zukunft rüsten konnte. Adalbert Jordan, Rolf Königs und Siegfried Söllner, die neuen Leute an der Spitze des Vereins, hatten den Fehler ihrer Vorgänger nicht wiederholt, sondern Hermann Jansen ins Boot geholt: 17 Jahre war er im Aufsichtsrat, 13 davon als Vorsitzender.

Der nicht körperlich, aber menschlich große Mann, der von 1985 bis 2000 für Mönchengladbach im Düsseldorfer Landesparlament saß - nein, es muss wirklich heißen: arbeitete - brachte für Borussia Kontakte, Wissen um Zusammenhänge und Quellen ein. Er ist einer, der sich nicht einfach abwimmeln lässt, sondern sehr hartnäckig bleibt. "Wenn man Hermann Jansen vorne rauswirft, kommt er schnell hinten wieder rein", schilderte Borussias Präsident Königs den ehemaligen Landtagsabgeordneten.

 Richtfest AWO-Seniorenzentrum (v.l.): Vorsitzender Hermann Jansen, Dieter Lenßen, Joachim Bücker, Paul Saatkamp, Heike Burian, Rolf Theißen, Erwin Knebel.

Richtfest AWO-Seniorenzentrum (v.l.): Vorsitzender Hermann Jansen, Dieter Lenßen, Joachim Bücker, Paul Saatkamp, Heike Burian, Rolf Theißen, Erwin Knebel.

Foto: Raupold Isabella

Der erreicht seine Ziele nicht polternd und mit Ränkespielen, sondern leise und charmant, mit gesundem Menschenverstand und schon mal ein bisschen schlitzohrig, mit seiner ureigenen Diplomatie: Auf Menschen zugehen, sie nicht mit großen Reden ("Das konnte ich nie"), sondern in verständlicher Sprache überzeugen und gewinnen. "Er wusste genau, wo der Barthel den Most holt. Er kannte alle, und alle kannten Hermann. Mit seiner stillen und beharrlichen Arbeit hat er mehr erreicht als viele Lautsprecher", sagte mal der frühere Innenminister Fritz Behrens.

Im Fall Borussia etwa für eine Landesbürgschaft, die die Banken für die Kredite zum Bau des neuen Stadions haben wollten. Er wusste immer, wo etwas zu bekommen ist, kannte diejenigen, die entscheiden. Und fast jeder in Parlament, Ministerien und der Landesverwaltung in Düsseldorf kannte ihn, nicht erst durch Borussia. "Die meisten nennen ihn einfach Hermann", hat Rolf Königs mal erzählt. Und: "Sein Auftritt ist nicht pompös. Viele vergucken sich deshalb in diesem Mann."

 Kandidaten der Landtagswahl 1989 (v.l.): Harbich, Witteler-Koch, Bähren, Dohmen, Jansen.

Kandidaten der Landtagswahl 1989 (v.l.): Harbich, Witteler-Koch, Bähren, Dohmen, Jansen.

Foto: Werner Tressat

Hermann Jansens Rolle für die Verwirklichung des Borussen-Stadions ist erst nach Abschluss der Verhandlungen bekanntgemacht geworden. Es war aber bei weitem nicht der einzige Einsatz für seine Heimatstadt Mönchengladbach. Krankenhäuser, Altenheime, Schulen, Kindergärten, die Schaffung von Arbeitsplätzen und ihre Erhaltung: Hermann Jansen hat sich sehr engagiert eingesetzt. Nicht nur im Landtag, sondern auch als SPD-Fraktionsvorsitzender in der von ihm vorangetriebenen Großen Koalition mit der CDU im Stadtrat der 1990er Jahre und als "Chef" der Bezirksvertretung Odenkirchen.

Er liebt seine Vaterstadt. Und er galt, parteiübergreifend, als soziales Gesicht Mönchengladbachs. Er setzt sich ein für Menschen, die ihn um Hilfe bitten. Noch heute, da er seit 16 Jahren zumindest offiziell Polit-Ruheständler ist, wenden sich manche an Hermann Jansen, wie ein, ganz gewiss nicht bestellter, Anruf während des Besuchs der RP in seinem Haus zeigte: Ein ehemaliger Kollege bei der Firma Trützschler bittet um Rat. Er bekommt ihn, natürlich.

 Einsatz für Borussia, nicht nur als Vorsitzender des Aufsichtsrats: Hermann Jansen wusste stets, wo und wie es Unterstützung des Landes NRW für den Bau des neuen Stadions gab.

Einsatz für Borussia, nicht nur als Vorsitzender des Aufsichtsrats: Hermann Jansen wusste stets, wo und wie es Unterstützung des Landes NRW für den Bau des neuen Stadions gab.

Foto: IlGner, Raupold, Tressat, KN

Trützschler und Jansen: Das ist schon 33 Jahre her, hat aber bis heute Bestand. Beim Odenkirchener Textilmaschinen-Bauer hat Hermann Jansen seine erstaunliche Karriere begonnen. Ab 1951 hat er dort gearbeitet, ist in die IG Metall eingetreten, wurde Vertrauensmann, Betriebsrats-Vorsitzender, schließlich Gewerkschaftssekretär. Einer, der die Interessen der Kollegen nachdrücklich vertrat, den aber auch die Chefetagen der Firmen als stets fairen Partner schätzten. Denn eins ist für ihn ganz wichtig, ob im Betrieb, in der Gewerkschaft, bei Verhandlungen mit Unternehmern, in der Politik, ob in Mönchengladbach oder Düsseldorf: "Man kann sich hart auseinandersetzen. Aber man muss sich nachher immer offen in die Augen sehen und ein Bier miteinander trinken können." Auch deshalb wird er geschätzt - längst nicht nur in seiner SPD. Dabei hat das Parteibuch für ihn selten die entscheidende Rolle gespielt, sondern der Mensch. Als sein ehemaliger politischer Rivale Bernhard Spellerberg 2013 starb, war Jansen einer der wenigen Politiker, die zum Begräbnis kamen.

Hermann Jansen hat als junger Mann gegen Aufrüstung und Atomenergie demonstriert. Er ist, auf Drängen der Kollegen, in die Gewerkschaft gegangen und zehn Jahre später in die SPD: "Ich wollte die Welt ändern. Das lohnt sich, auch wenn es jetzt nicht immer so aussieht. Vor allem wollte ich etwas für Menschen tun, helfen, wo ich konnte. Die SPD hatte aus meiner Sicht die sozialste Einstellung, für die Kommunisten konnte ich mich nie begeistern. Ich wollte die Zukunft mitgestalten, damit unsere Kinder und Enkel in einer besseren Welt aufwachsen."

Dass dies so sein wird, hofft er unverdrossen. Eins aber sagt er jetzt schon mit Überzeugung: "Ich bin stolz auf das, was ich erreicht habe, darf sagen, dass ich auf dem richtigen Weg war. Ich habe alles, was ich in meinem Leben gemacht habe, gerne getan. Ich wünsche jedem Menschen, dass es bei ihm so ist."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort