Mönchengladbach Jacobs kämpft für Krebspatienten

Mönchengladbach · Mister AOK war gestern, heute engagiert er sich als Institutschef. Wilfried Jacobs setzt sich nach seiner Pensionierung für Schwerstkranke ein. Seine Ziele: Mehr Transparenz und damit mehr Menschlichkeit für den Einzelnen.

 Setzt sich jetzt als Institutschef für Krebspatienten und von Demenz erkrankte Menschen ein: Wilfried Jacobs (68) aus Korschenbroich-Pesch.

Setzt sich jetzt als Institutschef für Krebspatienten und von Demenz erkrankte Menschen ein: Wilfried Jacobs (68) aus Korschenbroich-Pesch.

Foto: Berns, Lothar

Die Medizin lässt ihn nicht los: Offiziell ist er seit vier Wochen im Ruhestand. Doch wer Wilfried Jacobs kennt, weiß, das kann nicht sein. Und so lag zwischen seiner offiziellen Verabschiedung und der Rückmeldung in den Unruhestand lediglich ein Wochenende. 54 Jahre war er in Gesundheitsfragen unterwegs, davon 42 Jahre für die AOK — zuletzt als Vorstandsvorsitzender der AOK Rheinland-Hamburg, einer der größten deutschen Krankenkassen. Jacobs war damit Chef von 7800 Mitarbeitern, 120 Geschäftsstellen und Herr über 7,8 Milliarden Euro Umsatz.

An Strukturen verzweifeln

Die Größenordnung hat sich deutlich verändert, aber dem Gesundheitsbereich hält Jacobs die Treue. "Ich muss mein Wissen weitergeben", lautet dann auch sein Bekenntnis zum Unruhestand. Profitieren sollen wieder die Patienten — allerdings hat sich seine Perspektive deutlich verschoben. Wilfried Jacobs macht sich für mehr Transparenz im Medizinbetrieb stark. "Unsere Medizin in Deutschland ist wirklich gut. Es wird auf hohem Niveau gearbeitet, aber die Abläufe sind für die Kranken und für ihre Angehörigen oftmals viel zu kompliziert. Nicht selten verzweifeln die Patienten an den formalen und bürokratischen Strukturen der Versorgung." Und genau das will der gebürtige Mönchengladbacher mit Wohnsitz in Korschenbroich-Pesch ändern. Dafür hat der 68-Jährige jetzt ein gemeinnütziges Institut für patientenorientierte Versorgungsforschung — kurz IPOV — gegründet.

Mit vier Mitarbeitern ging das Institut in Neuss an den Start. Einen zweiten Stiftungssitz hat Jacobs bewusst in Berlin angesiedelt. Die Nähe zur Bundespolitik will der Gesundheitsexperte mit dem Beinamen "Mister AOK" nutzen. Finanziert wird diese Arbeit und die damit angestrebten Projekte zunächst von der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung in Essen. Profitieren sollen Krebspatienten, an Demenz erkrankte Menschen und deren Angehörige.

Und wie soll das funktionieren? Auf der Basis von intensiven Befragungen oder Patienten-Berichten wird jeweils eine Transparenzstudie erstellt. Für Jacobs stehen dabei die persönlichen Erfahrungen der Betroffenen im Mittelpunkt — sowohl negativ als auch positiv. Angehörige können auf diesem Weg durch ihre Erlebtes ebenso helfen wie die Schilderungen Betroffener aus der Selbsthilfe.

Jacobs will sich den Blickwinkel der Patienten zu eigen machen, um so ganz pragmatisch die Abläufe zu verändern. Ein Beispiel: "Egal wie der Kranke versichert ist, aber ein Krebspatient gehört nicht in ein Vier-Bett-Zimmer." Schon jetzt wirbt der Gesundheitsexperte für wesentlich intensivere Entlassgespräche aus Krankenhaus und Reha-Klinik. Wichtig sind ihm auch verkürzte Wartezeiten für Spezialuntersuchungen. "Wir müssen uns immer darauf besinnen, die Patienten leiden, körperlich, aber auch seelisch." Und so fordert er schon jetzt mehr Wertschätzung: Die große Ungewissheit sei vielfach schlimmer als der körperliche Schmerz. "Warum werden therapeutische Maßnahmen eingeleitet, ohne beispielsweise ausreichend erklärt worden zu sein?" — eine von vielen Fragen, denen der Institutschef künftig auf den Grund geht.

Warum sich Jacobs in seinem Ruhestand keine wirkliche Ruhe gönnt und sich auf diese wichtige Patientenbegleitung einlässt, dafür gibt es gleich mehrere Gründe. Nicht, dass er mit seiner neuen Freizeit nichts anzufangen wüsste. Vielmehr spricht Jacobs von Herausforderung und Verpflichtung gleichermaßen. Er will sein Wissen, seine Erfahrungen, aber auch seine Kontakte in den Dienst der guten Sache stellen.

Versorgungsabläufe verbessern

Es gibt aber auch noch einen ganz persönlichen Grund: "Ich habe es meiner Frau versprochen." Bei diesem Satz wird seine sonst so kräftige Stimme deutlich leiser. In diesem Moment holt ihn eine persönliche Betroffenheit ein. "Zu diesem Versprechen stehe ich. Sie. Nein, wir. Wir haben diese angstbehafteten Situationen im Winter 2002 auch alle durchmachen müssen." Angst, die Wilfried Jacobs sicher nicht jedem Krebspatienten nehmen kann. Aber er kann mit seinem Einsatz für mehr Menschlichkeit im Medizinbetrieb sorgen. Seine Frau Karin hat nach Operation und Therapie ihre Leidenschaft für die Malerei entdeckt. Sie hat sich schon im Vorfeld für sein Engagement bedankt — mit farbenfrohen Blumenbildern, die die Wände in dem neuen IPVO-Institut in Neuss zieren.

(RP/top/jco)
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