Cyber-Sicherheit in Mönchengladbach „Schon die Schüler müssen trainiert werden“

Mönchengladbach · Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners, Hochschulpräsident Prof. Hans-Hennig von Grünberg und IHK- Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz über Internetkriminalität, das Hochschulquartier und den Strukturwandel nach dem Ende des Tagebaus.

 Hochschul-Präsident Hans-Hennig von Grünberg, OB Hans Wilhelm Reiners und Jürgen Steinmetz von der IHK (v.l.).

Hochschul-Präsident Hans-Hennig von Grünberg, OB Hans Wilhelm Reiners und Jürgen Steinmetz von der IHK (v.l.).

Foto: Bauch, Jana (jaba)

Der Hackerangriff auf 1000 Politiker macht Schlagzeilen. Sind Sie persönlich schon mal Opfer von Internet-Kriminalität geworden?

Von Grünberg Vor zwei oder drei Jahren kursierten E-Mails an der Hochschule, in denen mein Name verwendet wurde, um Kontodaten abzufragen. Wir haben das der Polizei gemeldet, die aber nichts machen konnte, weil der Absender im Ausland saß. Das war eine ungute Erfahrung. Unser Leben verschiebt sich mehr und mehr ins Internet. In gleichem Maße wächst die Bedeutung der Cyber-Sicherheit. Sie ist jetzt so wichtig wie die Wände eines Hauses für einen geschützten Aufenthalt.
Steinmetz Bei mir ist der Facebook-Account schon einmal gehackt worden. Ich saß in einer Besprechung, als ich gemerkt habe, was passiert ist und musste alles in Bewegung setzen, um der Sache Herr zu werden. Man spürt dann, wie verwundbar man ist. Als IHK sind wir ständig Hackerattacken ausgesetzt, aber wir haben eine gute Abwehr.
Reiners Toi, toi, toi, ich hatte noch keinen gehackten Account. Ich war allerdings schon immer sehr sensibel, was Datensicherheit angeht. Ich bin konsequent, tausche Passwörter aus und nehme das Thema Sicherheit nicht auf die leichte Schulter.

Mönchengladbach ist Teil der Cyber Alliance, aber ehe die ersten Fachleute ausgebildet sind, geht noch Zeit ins Land. Wird das Thema Cyber-Security nicht schon fast zu spät angegangen?

Von Grünberg Wenn wir darauf warten würden, dass die ersten Studierenden ihren Bachelor und Master machen, dann ja. Aber wir werden das Thema Weiterbildung ernst nehmen. So bekommen wir sehr viel schneller Fachleute an die entscheidenden Stellen zum Beispiel der Verwaltung.
Steinmetz Gemeinsam mit dem Institut Clavis der Hochschule Niederrhein machen wir eine Unternehmensbefragung zum Thema IT-Sicherheit. Das Bewusstsein für die Gefährdung ist da, es müssen allerdings auch die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen ergriffen werden.
Reiners Das Thema Cyber-Sicherheit wird in alle Lebensbereiche eindringen. Es heißt, dass auf zehn Arbeitsplätze in Zukunft ein IT-Sicherheitsarbeitsplatz kommt. Der Bedarf ist immens, die Cyber Alliance ist eine Reaktion darauf. Auch in der kommunalen Verwaltung brauchen wir die Fachkräfte, die dort ausgebildet werden.

Was kann man Ihrer Ansicht nach noch tun, um die digitale Zukunft sicherer zu machen?

Von Grünberg Schon die Schüler müssen trainiert werden. Coding Schools müssen aufgebaut werden, in denen die Schüler das Programmieren lernen. Genau wie eine Musikschule sollte jede Stadt eine Coding School haben. In Gladbach gibt es erfreulicherweise solche Angebote schon, in Krefeld werden sie auch etabliert. Es wird Zeit, denn bisher gab es in Deutschland keinen Ort, wo man Programmieren lernte. Wir planen zudem, Wissenschaft und Lehrer wie in einem Joint Venture zusammenzubringen. Ich könnte mir vorstellen, dass die Schüler in den Coding Schools sogar schon Creditpoints für das spätere Informatikstudium erwerben können.

Die Cyber Alliance, früher Cybercrime-Akademie genannt, soll jetzt doch nicht auf das Gelände des Polizeipräsidiums. Das befindet sich noch weiter im Besitz des Landes und wird vom BLB (Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW) vermarktet. Hat die Hochschule noch Interesse an einem Erweiterungsareal?

Von Grünberg Das Areal ist riesig. Für die alleinige Nutzung durch die Hochschule ist es zu groß, das überfordert uns. Aber wir würden es gern mit nutzen. Wir haben viele Ideen, und die Sporthalle zum Beispiel würden wir sofort übernehmen. Auch beim Gründer-Thema würden wir direkt mitmachen.
Reiners Wir sind ständig im Gespräch. Das Problem ist, dass der Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes den Ansatz verfolgt, das Areal in einem Stück zu verkaufen. Wenn die Stadt oder ein städtisches Unternehmen das Areal ohne Ausschreibung erwerben will, muss allerdings Landes- oder öffentliches Interesse für die Nutzung nachgewiesen werden.

Eine Mischnutzung, die Co-Working Space und Platz für Start-ups, Hochschuleinrichtungen, bezahlbares Wohnen und ein Ausweichquartier zum Beispiel für die Verwaltung umfasst, wäre doch im öffentlichen Interesse.

Von Grünberg Der BLB wird nach einem Konzept fragen. Das müssen wir jetzt erstellen und über Planungsrecht absichern.
Reiners Die Stadt ist Herr des Planungsrechts. Wir wollen das Areal im Sinne des städtebaulichen Masterplans weiterentwickeln. Auch bei der in Kürze beginnenden Erarbeitung des Rahmenplans Hochschulquartier mg+ werden Ideen entwickelt, die in ein Konzept für das alte Polizeipräsidium einfließen können.
Steinmetz Das Polizeipräsidium kann bei der weiteren Entwicklung in der Stadt eine gute Rolle spielen. Wir brauchen zwingend Raum für Gründer und Start-ups.

Jetzt startet ja ein Verfahren für ein Hochschulquartier. Herr von Grünberg, was erhoffen Sie sich davon?

Von Grünberg Mir gefällt die Idee. Wir haben 8000 Studierende in Gladbach, das sind etwa drei Prozent der Bevölkerung. Verteilt auf alle Stadtteile würden sie sich nicht bemerkbar machen. Studentische Atmosphäre entsteht, wenn sich die Studierenden in einem Quartier bewegen. Ich halte es für clever, sich darum zu bemühen. Die Hochschule ist ein Nukleus in der Stadtentwicklung. Wir fühlen uns hier zu Hause und wollen die Stadt befruchten.

Was muss getan werden, damit die Studierenden auch in der Stadt wohnen? Braucht die Stadt noch mehr Studentenwohnheime?

Reiners Mit Studentenwohnheimen sind wir, glaube ich, ganz gut versorgt, wenn das in Rheydt im Bau befindliche einmal fertig ist.
Von Grünberg Studentisches Wohnen muss interessant sein, einen Mehrwert bieten. Die Idee eines Academic Village gefällt mir sehr. Das wäre eine Anlage in der Nähe der Hochschule, wo zukunftsweisende Wohnformen erprobt und erforscht werden – in enger Zusammenarbeit mit der Hochschule natürlich. Nachhaltigkeit könnte zum Beispiel ein Thema sein.

Bei der Cyber Alliance haben Stadt, Wirtschaft und Hochschule bisher sehr erfolgreich und gut zusammengearbeitet. Eine weitere Plattform der Zusammenarbeit bietet sich ja mit dem Ausstieg aus der Braunkohle. Die Stadt ist der Zukunftsagentur Rheinisches Revier beigetreten. Was bedeutet der Strukturwandel für Mönchengladbach?

Steinmetz Beim Strukturwandel gibt es vor allem zwei Hebel: Infrastruktur und Bildung. Die Cyber Alliance als Bildungseinrichtung ist für mich schon Teil des Strukturwandels. Die Zukunftsagentur Rheinisches Revier wird weitere Mittel bekommen, die in die Region fließen. Jetzt brauchen wir kreative Ideen. Die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Hochschule und Stadt hat dabei eine große Bedeutung.
Reiners Für uns ist der Tagebau Garzweiler das im Wortsinn naheliegende Thema. Es gibt schon spannende Projekte, die sich mit Freizeit und Wohnen beschäftigen. Jetzt gilt es, die Akteure zusammenzubringen.
Von Grünberg Ich könnte mir vorstellen, dass Logistik als großes Zukunftsthema dabei eine Rolle spielt. Vielleicht wäre das ein Anknüpfungspunkt für uns.

Es macht den Eindruck, als würde das Dreierbündnis aus Wirtschaft, Hochschule und Stadt besonders gut funktionieren. Arbeiten Sie in dieser Konstellation weiter?

Reiners Wir sind gut beraten, auch weiterhin immer wieder die Köpfe zusammenzustecken. Wir brauchen uns gegenseitig, und es ist sehr hilfreich, wenn man sich gut kennt.
Steinmetz Wir sind im Wettbewerb um Ideen gut aufgestellt. Wenn daraus auch konkrete Projekte in Mönchengladbach werden, profitiert die ganze Region davon.

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